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WÜRZBURG
Leitartikel: Pauschale Medienschelte hilft keinem
Michael Reinhard
Michael Reinhard
 |  aktualisiert: 10.08.2021 10:41 Uhr

Ihr seid doch das Sprachrohr der Dumpfbacken von dpa die alles immer schön reden in Sinne der political correctness. Nun erntet die Früchte von euren dreckigen Spiel ihr feigen Hühner.“

„Leider musste ich feststellen, dass im letzten halben Jahr die Berichterstattung zum Flüchtlingsproblem sehr einseitig war. Nur Geschwätzt vom „unserem Gutmensch“ Merkel. Sonst nichts. Freie Presse? Aber alle Medien haben ja mitgemacht, und natürlich in erster Linie die Mainpost. Der Begriff „Lügenpresse“ besteht zu Recht.“

„Die Berichterstattung in diesem Blatt erscheint mir seit geraumer Zeit nicht mehr Objektiv zu sein, hier wird nur nachgebetet was von Seite der Regierung vorgegeben wird.“

Das sind nur drei von mehreren ähnlich lautenden Leserreaktionen, die uns in den vergangenen Tagen erreicht haben. Äußerungen wie diese sind längst keine Seltenheit mehr. Besonders im Laufe des vergangenen Jahres haben aberwitzige Unterstellungen gegenüber etablierten Medien zugenommen.

Auch unsere Zeitung dient Lesern immer wieder als Projektionsfläche für Verschwörungstheorien. Es wird uns regelmäßig vorgehalten, dass wir Journalisten uns schützend vor kriminelle Flüchtlinge stellen und die Herkunft von Straftätern bewusst verschweigen. Die skandalösen Vorgänge von Köln, deren ganzes Ausmaß die Bevölkerung erst Tage später erfahren hat, dient den „Lügenpresse“-Verfechtern als jüngster Beleg für eine „Gleichschaltung der Medien“. Sogar der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der es besser wissen müsste, reiht sich populistisch in den Kreis der Medien-Denunzianten ein. Er spricht im Zusammenhang mit der medialen Aufbereitung der Kölner Silvester-Schande von einem „Schweigekartell“.

Natürlich ist das Unsinn. Es gibt kein Schweigegelübde „der“ Medien. Mein Kollege Andreas Kemper hat am Dreikönigstag plausibel und ausführlich dargelegt, warum wir erst verspätet von den Straftaten vor dem Hauptbahnhof berichtet haben. Von Nachrichtenunterdrückung und unterstellten Absprachen zwischen verschiedenen Zeitungen und Rundfunkanstalten kann keine Rede sein.

Genauso wenig entspricht es den Tatsachen – dies sei nur am Rande erwähnt –, dass die Bundeskanzlerin deutsche Chefredakteure angeblich instruiert, wie ihre Zeitungen über Flüchtlinge, Putin und wen auch immer zu berichten hätten. Eine völlig abwegige Vorstellung!

Grundlage für unsere Berichterstattung sind alleine unsere Journalistischen Leitlinien. Sie enthalten hohe handwerkliche und ethische Standards, anhand derer uns jeder Leser messen und selbstverständlich auch kritisieren kann.

Zu unserem publizistischen Grundverständnis gehört es, die Wirklichkeit korrekt abzubilden. Wir bemühen uns, sämtliche Tatsachen zu berücksichtigen, die für das Verständnis des jeweiligen Sachverhaltes relevant sind. Wir verbreiten nur Informationen aus zuverlässigen Quellen. Wir lehnen jede Form von Manipulation oder Verzerrung der Wirklichkeit ab. Unsere Informationen beschaffen wir auf rechtlich zulässige und ethisch korrekte Art und Weise.

Deshalb nennen wir beispielsweise die Nationalität von Straftätern nur dann, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Einen solchen begründbaren Sachbezug gibt es nicht, wenn zum Beispiel ein Holländer oder Syrer einen Ladendiebstahl begeht. Der Täter könnte genausogut aus jedem anderen Land kommen. Überfällt aber ein Mann mit dunkler Hautfarbe einen Taxifahrer, dann ist für die Aufklärung des Falles relevant, dass es sich beim Täter um einen Schwarzen handelt. Das bleibt dann in unserer Berichterstattung nicht unerwähnt. Uns geht es grundsätzlich darum, ethnische und religiöse Gruppen sowie Minderheiten so gut es geht vor Vorurteilen zu schützen. Wir versuchen, Menschen – und dazu zählen auch Straftäter – nach ihrem Tun zu beurteilen und nicht nach Hautfarbe, Herkunft oder Religion.

Trotz allen Bemühens um wahrheitsgemäßen und ethisch einwandfreien Journalismus unterlaufen uns Fehler. Wenn wir sie bemerken oder darauf hingewiesen werden, korrigieren wir diese umgehend. Wir sind dankbar für jede konstruktive Kritik. Sie ist ein wichtiger Baustein für Qualitätsjournalismus und hilft somit, unsere Zeitungen und Online-Angebote stets zu verbessern.

Pauschale Medienschelte hingegen hilft keinem.

 
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  • W. L.
    Im Grunde handelt es sich um gescheiterte Integration, am Rande auch um Flüchtlinge, aber insbesondere um das Menschenbild einer Religion in zerstrittenen Ausprägungen (hier: des Islam) – heikle Themen, die man gern ausgeklammert. Politik und Medien versagen vor laufender Kamera der sozialen Medien!
    Das haben „Wutbürger“ seit langem bemerkt; das steckt hinter dem Begriff „Lügenpresse“!
    Medienmacher nutzen journalistischen Leitlinien zur Rechtfertigung von Selbstgerechtigkeit und fassen Kritik als Beleidigung auf. Sie sollten sich lieber selbstkritisch fragen, welchen Beitrag sie selbst zur eingetretenen Situation geleistet haben.
    Sie brauchen nicht nach „Rechts“ zu schauen und sich reflexartig mit „ja, aber …“ gegen Kritik zu immunisieren; schauen Sie einfach mal in die Medien des Auslands, die Ihre(!) Sichtweise – und die Ihrer KollegInnen - als naiv und gefährlich für die innere Stabilität ansehen.
    Deshalb wehren sich Nachbarländer gegen „deutsche“ Lösungen!
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  • W. L.
    Der Autor versucht – siehe Taxifahrer – durch eine Art „Mohrenwäsche“, (dieser Ausdruck ist als politisch inkorrekt zu streichen), die Beteiligung der Medien an der eingetretenen Situation zu verharmlosen:
    Medien - auch die MP - filtern Nachrichten und formulieren Berichte; allein dadurch wird interpretiert, manipuliert, Meinung gemacht. Eine der Tendenzen besteht darin, Einzelfälle mit persönlicher Verstrickung darzustellen, die keine Verallgemeinerung zulassen (dürfen); damit werden Tendenzen und Zusammenhänge verschleiert, grundsätzliche Probleme ausgeklammert.
    Deshalb waren die „professionellen“ Medien zunächst sprachlos, als die sozialen Medien längst über die Ereignisse in Köln berichteten. Hätte Köln nicht diese Dimension gehabt, hätten wir vermutlich von Übertreibungen um Zusammenhang mit einzelnen Übergriffen gelesen.
    Jetzt wird der Fall der Polizei in die Schuhe geschoben; wer aber hat der Polizei einen „Maulkorb“ verpasst?
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  • N. W.
    ...nur hält er auch einem Faktencheck stand?

    Lesen sie doch zB mal selbst in der Mainpost vom 8.5.2015 nach:
    http://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/Unbekannte-greifen-zwei-junge-Frauen-an;art735,8714390

    In den Kommentarten ein Zitat von die_redaktion:
    "....Eine "südländische/asiatische Erscheinung" ist unserer Meinung nach keine Beschreibung, sondern könnte Vorurteile gegen Ausländer schüren...."

    Oben steht jetzt:
    "....Überfällt aber ein Mann mit dunkler Hautfarbe einen Taxifahrer, dann ist für die Aufklärung des Falles relevant, dass es sich beim Täter um einen Schwarzen handelt. Das bleibt dann in unserer Berichterstattung nicht unerwähnt. ...."

    Ist das jetzt ein guter Vorsatz für die Zukunft oder...?
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