Josef Schuster bleibt weitere vier Jahre Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die Kontinuität im Amt ist gut für die jüdischen Gemeinden. Sie ist in unruhigen politischen Zeiten auch das richtige Signal für Politik und Zivilgesellschaft. Der 64-jährige Mediziner aus Würzburg hat sich in seiner ersten Amtszeit einen untadeligen Ruf als Mahner erworben, wann immer in diesem Lande gegen Minderheiten gehetzt wird, wann immer demokratische Werte angegriffen werden.
Schuster beschränkt sich nicht darauf, judenfeindliche Übergriffe anzuprangern. Er erhebt seine Stimme auch dann, wenn Menschen anderer Hautfarbe, Schwule, Lesben, Flüchtlinge oder auch Vertreter anderer Religionen attackiert werden. Versuche, Juden gegen Muslime auszuspielen, macht der 64-Jährige nicht mit. So ist er ein glaubwürdiger Anwalt eines demokratischen, pluralistischen und weltoffenen Deutschlands.
Dass das besondere Augenmerk des Zentralratspräsidenten dem Antisemitismus gilt, steht dabei außer Frage. Die 150.000 Juden, die im Land der Shoa (wieder) heimisch geworden sind, sind ganz besonders alarmiert, wenn antisemitische Klischees und Verschwörungstheorien verbreitet werden, wenn "Jude" zum Schimpfwort wird, wenn jüdische Einrichtungen beschmiert werden, wenn Davidstern-Fahnen brennen, wenn Menschen, die sich - etwa durch das Tragen einer Kippa - als Juden erkennbar sind, körperlichen Angriffen ausgesetzt sind.
Antisemitische Straftaten sind ein Grund zur Beunruhigung
1450 antisemitisch motivierte Straftaten weist die Kriminalstatistik für 2017 aus. Besonders augenfällig ist der Judenhass im Internet. Die große Mehrzahl der Taten ist rechts motiviert. Hinzu kommt der muslimische Antisemitismus. Für den Zentralrat sind die Zahlen ein Grund zur Beunruhigung, aber keiner für Panik. Nein, die Juden in Deutschland säßen nicht auf gepackten Koffern, hat Josef Schuster dieser Tage mal gesagt, aber sie schauten im Keller oder am Dachboden schon mal nach, wo die Koffer stehen.
Es sind eben nicht nur die polizeilich erfassten Straftaten, die das Klima vergiften. Nicht jede judenfeindliche Beleidigung wird auch angezeigt. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Man hört von jüdischen Schülern, die Schmähungen über ihre Herkunft und Religion aus Angst vor schlimmeren Attacken lieber herunterschlucken. Andere Juden resignieren, weil sie Antisemitismus fast schon als Normalität erleben.
Das aber darf nicht sein. Deshalb ist es richtig, wenn jetzt auch Ludwig Spaenle, der Antisemitismus-Beauftragte der bayerischen Staatsregierung, ein niederschwellig erreichbares Melderegister für antisemitische Vorfälle aufbaut. Ein solches Netzwerk soll auch diejenigen ermutigen, Erfahrungen zu melden, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht zur Polizei gehen oder Tatbestände zu Protokoll geben möchten, die nicht unter das Strafgesetz fallen. Vorbild ist die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) in Berlin, die seit März 2017 den Antisemitismus in der Hauptstadt dokumentiert und auf Wunsch von Betroffenen psychosoziale und juristische Beratung vermittelt.
Bildung und Begegnung helfen, Vorurteile abzubauen
Strafanzeigen und Melderegister sind offensichtlich nötig. Noch wichtiger aber ist, Antisemitismus gar nicht erst entstehen zu lassen oder rechtzeitig im Keim zu ersticken. Da hilft zum einen Bildung, zum anderen Begegnung. Schusters Credo, die Vielfalt jüdischen Lebens für möglichst viele Menschen erlebbar zu machen, ist der richtige Weg. Dazu gehört die Ausarbeitung von Unterrichtsmaterial für Schüler, dazu gehört auch - mit Blick auf mehr Sensibilität im Umgang mit der Geschichte - der Besuch von (KZ-)Gedenkstätten. Noch besser, wenn junge Juden in die Schulen gehen und Gleichaltrigen aus ihrem Alltag erzählen. Da leistet der Zentralrat Vorbildliches. Profitieren werden am Ende alle Minderheiten im Lande - und die demokratische Kultur.