Will er, oder will er nicht? Und wenn er wollte: Könnte er überhaupt? Und falls er könnte: Sollte er es dann wirklich machen? Die Fragen um die mögliche Kanzlerkandidatur von CSU-Chef Markus Söder haben zuletzt eine enorme Dynamik entfacht. Und auch wenn Söder weiter gebetsmühlenartig beteuert, sein Platz sei in Bayern, so hat er die Kanzler-Spekulationen zuletzt auch selbst mächtig befeuert – etwa mit dem Gedanken, dass nur Kanzler werden könne, wer sich in der Krise bewährt habe.
Auch die royale Inszenierung des Merkel-Besuchs beim bayerischen Kabinett in Schloss Herrenchiemsee trägt sicher nicht dazu bei, die Debatte um die neue "K-Frage" in der Union abzukühlen. Denn die schönen gemeinsamen Bilder auf dem Boot, im Schloss und in der Kutsche drängen einen Schluss geradezu auf: Die scheidende Kanzlerin besucht ihren mächtigsten Kronprinzen.
Fakt ist, dass der bayerische Ministerpräsident durch sein Corona-Management bundesweit eine bis vor kurzem kaum vorstellbare Popularität erreicht hat:Knapp zwei Drittel aller Deutschen trauen dem CSU-Chef das Kanzler-Amt zu. Alle anderen Kandidaten folgen weit abgeschlagen.
Als möglicher Kanzler gehandelt zu werden und mit der populären Kanzlerin Angela Merkel nach Jahren des Zoffs wieder eng auf Du und Du zu sein, stärkt Söders politischen Einfluss ungemein. Doch spielt der CSU-Chef nur mit diesen Zahlen, den schönen Bildern und den damit verbundenen Spekulationen? Oder will er tatsächlich versuchen, woran seine politischen Vorbilder Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber gescheitert sind: erster CSU-Kanzler der deutschen Geschichte zu werden?
Zutrauen würde sich der selbstbewusste Söder das Kanzleramt allemal
Klar ist: Zutrauen würde sich der selbstbewusste Franke das Kanzleramt allemal. Dazu kommt, dass die Rahmenbedingungen günstig sind: Selten waren die Chancen für einen Kandidaten der Union besser, im nächsten Jahr auch Kanzler zu werden – selbst wenn der derzeitige Höhenflug von CDU und CSU mit Umfragewerten von bis zu vierzig Prozent nicht anhält. Und was die Machtoptionen nach der Wahl betrifft: Mit Söders grüner Wende in der CSU und im Freistaat scheint mit ihm nun sogar Schwarz-Grün möglich.
Kanzlerkandidat der Union zu werden, dürfte allerdings trotz Söders aktueller Popularität nicht so leicht gehen: So ist es nur schwer vorstellbar, dass etwa ein frisch gewählter CDU-Chef - ob er Friedrich Merz heißt oder Armin Laschet - sich selbst entmachtet und dem CSU-Chef die Spitzenkandidatur anträgt. Ob andere Personalkonstellationen in der CDU möglich sind, die so ein Szenario wahrscheinlicher machen, ist offen.
Die CDU könnte sich für einen Kanzlerkandidaten Söder als Wundertüte erweisen
Das Angebot an Söder müsste jedenfalls aus der CDU kommen. Denn sich als CSU-Chef gegen den Willen mächtiger CDU-Verbände an die Spitze zu drängen, würde einen Söder-Wahlkampf außerhalb Bayerns wohl sehr schwierig machen. Und die CDU widerum könnte sich für einen Kanzlerkandidaten Söder als gefährliche Wundertüte erweisen - etwa was den ungeklärten Kurs von Teilen der Ost-CDU zur AfD betrifft. Schließlich stehen in Thüringen und Sachsen-Anhalt 2021 auch noch Landtagswahlen an. Und was bislang etwa in Thüringen schon innerhalb der CDU kaum zu kontrollieren war, dürfte für einen CSU-Chef von außen nicht leichter in den Griff zu bekommen sein.
Für Klarheit in der K-Frage ist es derzeit noch zu früh. Zu schnell können sich Stimmungen und Themen wieder wenden. Ein politischer Gewinner der Corona-Krise ist Söder aber in jedem Fall: Ohne ihn wird in der Union auf mittlere Sicht wohl nichts entschieden. Vor diesem Hintergrund wäre es zumindest für die CSU am Ende vielleicht sogar die bessere Option, wenn der Franke in München bliebe – und von dort aus seinen Einfluss in Berlin geltend machte
Ein Szenario, das sich für die Christsozialen auszahlen könnte - bei der nächsten Landtagswahl in Bayern.