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Schweinfurt
Kommentar: Eine LGS in Schweinfurt wäre das falsche Signal
Der Bürgerentscheid lässt die Parteien ratlos zurück. Dabei sind neue Konzepte wichtiger denn je.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 07.04.2020 09:57 Uhr

Im August 2018 war Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé bester Laune. In der Post war der Brief des damaligen bayerischen Umweltministers Marcel Huber an seinen CSU-Parteikollegen. Inhalt: Der Zuschlag für die Landesgartenschau 2026, angereichert mit wohlfeilem Lob für das Konzept. Sechs Monate später ist Remelés Laune im Keller. Nach der Ablehnung des Landesgartenschau-Konzepts beim Bürgerentscheid am Sonntag steht er vor einem Scherbenhaufen.

Im Juli gab es im Stadtrat eine klare Mehrheit - von der CSU über die Grünen bis zu den Linken. 31 von 44 Räten fanden es gut, dass auf 13 Hektar in den früheren Ledward-Kasernen und dem Kessler Field im Rahmen einer Landesgartenschau (LGS) ein Bürgerpark entstehen soll. Der Slogan: "Blumen statt Panzer". Eine der früheren von der US-Armee genutzten Panzerhallen bleibt als Blumenhalle und für Gastronomie.

Hätte der OB ahnen müssen, dass sich der blaue August-Himmel schon verdunkelt hatte, als Ulrike Schneider vorschlug, statt einer Landesgartenschau lieber einen Stadtwald zu pflanzen?  Vielleicht. Remelé unterschätzte die Zugkraft der Argumente Schneiders, die 2002 nach einem Zerwürfnis aus der CSU-Fraktion austrat und seitdem für die Schweinfurter Liste/Freie Wähler im Stadtrat sitzt. Die Konservativen und die einst als Europa-Abgeordnete gehandelte Umweltpolitikerin Schneider sind sich bei ökologischen Themen in herzlicher Abneigung verbunden. Die CSU fühlt sich zu unrecht angegriffen, da Schweinfurt ein Kimaschutzkonzept hat. Schneider findet, man müsse vor Ort schneller mehr tun, um sich gegen den Klimawandel zu stemmen.

Wald an anderer Stelle und trotzdem einen Bürgerpark mit Landesgartenschau

Die Ablehnung der Landesgartenschau 2026 ist für zwei Personen besonders bitter: Sebastian Remelé und Baureferent Ralf Brettin. Sie hatten das Projekt vehement verteidigt. Vergebens:  5565 Schweinfurter sagten Nein, nur 4366 fanden es gut. Kaum Trost ist es, dass auch Schneiders Stadtwald-Idee klar abgelehnt wurde: 5245 mal Nein, 4417 mal Ja.

Im Herbst zeichnete sich ab, dass ein Bürgerentscheid kommt. Es hätte einen Ausweg gegeben: Das Angebot, weit mehr als die von Schneider geforderten zehn Hektar Wald an anderer Stelle im Stadtgebiet aufzuforsten, dafür aber auch die Landesgartenschau in der Kaserne durchzuführen. Doch der Kompromiss wurde nicht gesucht, das Ratsbegehren brachte noch mehr Konfrontation. Zwei Tage vor dem Bürgerentscheid endete der zugespitzte Streit vor dem Verwaltungsgericht wie das Hornberger Schießen - die Eilanträge beider Seiten wurden abgelehnt.

Neue Konzepte für die Ledward-Kasernen sind dringend nötig

Wie geht man mit diesem Ergebnis um? Unzweifelhaft ist, dass beide Bürgerentscheide am Quorum scheiterten, weshalb der Stadtrats-Beschluss pro Landesgartenschau rein rechtlich gilt. Recht haben und politisch klug handeln, sind aber zwei verschiedene Dinge.

Der OB verweist darauf, es hätten nur 11 072 von 38 941 wahlberechtigten Bürger abgestimmt, gerade mal 28,4 Prozent. Ist da nicht die schweigende Mehrheit pro Landesgartenschau? Als Remelé 2014 als OB wiedergewählt wurde, hatte er 11 369 Stimmen. Bezogen auf die damals Wahlberechtigten waren 28,15 Prozent der Schweinfurter für ihn. Niemand würde ernsthaft behaupten, seine Wahl sei nicht legitim gewesen.

Der Bürgerentscheid ist ungültig, der Stadtrat ändert trotzdem seinen Beschluss - dieses Szenario  breitet vielen Räten Bauchschmerzen, sie fürchten es könnte Schule machen. Doch das ist der falsche Ansatz. Die hohe Zahl der ungültigen Stimmen darf man nicht außer Acht lassen, auch wenn man nicht weiß, warum sie so häufig waren. Zu glauben, man müsste die Landesgartenschau-Pläne nur besser erklären, geht am Wählerwillen vorbei. Bürgerpark ohne Landesgartenschau, das wäre ein kluger Kompromiss.

Das Schweinfurter Votum liegt im Trend: Millionenschwere Großprojekte sind in Deutschland schwer durchsetzbar. Vor allem, wenn so zugespitzt diskutiert wird wie in der Wälzlagerstadt. Sebastian Remelé konnte nicht klar machen, warum eine Landesgartenschau gut für die Stadt ist. Deshalb ist es an der Zeit, neue Wege zu gehen.

 
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  • Reinshagen153@t-online.de
    Kaum zu glauben, aber wahr: die vielen Nichtwähler geben genau die richtige Antwort, wie man das LGS-Areal am besten nutzt!

    Wieso das? Die niedrigen Wahlbeteiligungen liegen an der Sozialstruktur der Stadt. Der Beleg: in Musikerviertel und Bergl, unweit vom LGS-Gelände, mit höchster Relevanz der Bürgerentscheide, war die Wahlbeteiligung besonders nierdrig. In Universitätsstädten wie WÜ sind die Wahlbeteiligungen i. Allg. deutlich höher. Daraus folgert sich ganz klar, was SW am meisten fehlt und das Beste fürs LGS-Areal wäre: eine Universität oder zumindest eine Uni-Außenstelle.

    Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht das an allen Ecken und Enden: soziale Unausgewogenheit plus überalterte Bevölkerung. Das ist abschreckend für junge Leute (Fachkräftemangel!). Während WÜ voll von jungen Studentinnen ist. Der Freistaat sollte endlich begreifen, dass es bei Unis um weit mehr als Bildung geht und WÜ nicht weiter mit neuen Instituten überschütten, sondern auch SW berücksichtigen.
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  • vollmilch
    Interessant, was hier in die Motivation der Nichtteilnehmer des Bürgerentscheids hineininterpretiert wird. Als Nicht-Schweinfurter konnte ich hier nicht teilnehmen. Ich gehe aber auch wenn ich darf grundsätzlich nicht zu Bürgerentscheiden. Die meisten zur Abstimmung stehenden Themen sind sehr komplex und werden auf eine schwarz-weiß Frage reduziert. Oft kommt es doch darauf an, wie etwas umgesetzt wird und nicht was. Ich gehe immer zu Wahlen und habe Vertrauen in die gewählten Repräsentanten. Lasst diese doch ihre Aufgaben erledigen für die sie gewählt wurden. Bürgerbefragungen lösen meist keine Probleme sondern machen vieles komplizierter (siehe Brexit) und lassen viel Interpretationsspielraum (s.o.).
    Die Nichtteilnehmer von Bürgerentscheiden zu beschimpfen ist total daneben.
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  • HeikeJoos
    Ich vermute, dass das schöne Wetter auch ausschlaggebend war, nicht Wählen zu gehen. Das ist als Argument nicht akzeptabel. Entweder ich möchte wirklich mit entscheiden, was in meiner Stadt beschlossen wird, ist dies nicht der Fall, dann darf ich mich aber auch nicht aufregen, wenn es anders kommt als gedacht. Wie in dem Vorkommentar erwähnt, entweder egal oder vollkommenes Vertrauen, wo bei ich letzteres zu bezweifeln wage.
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  • Christopher38
    Die Interpretation, dass Nichtwähler die Landesgartenschau stützen ist abwägig, wenn das Ratsbegehren doch explizit nach der Meinung der Bürger fragt. Was ist der Grund fürs Nichtwählen? Zumeist Faulheit, Desinteresse oder eine fundamentale Ablehnung des Systems. Das ist die bittere Wahrheit!
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  • engert.andreas@gmx.de
    Wieso denn "bittere Wahrheit"?
    Wer mitbestimmen darf und es nicht tut, ist selber schuld - und darf sich hinterher nicht beschweren!
    Bitte ist es für die, die sich nicht beteiligen!
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  • Funkenstern
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  • engert.andreas@gmx.de
    Der Vorschlag "Bürgerpark ohne Landesgartenschau" ist ja nett, aber nicht finanzierbar! Die Stadt bekommt nunmal für eine Landesgartenschau kräftig Zuschüsse - bei einem "bloßen" Bürgerpark fließt kein Cent!
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  • grafer.andy@t-online.de
    naja, die kosten für die lgs werden ja mit 12 mio.€ beziffert, zuschüsse soll es in höhe von 5 mio.€ geben, bleiben 7 mio.€ für die stadt.
    wenn man dann so gut wie in würzburg gerechnet hat bleibt am ende der lgs wahrscheinlich trotzdem ein minus für schweinfurt.
    aber wurscht, hauptsache man hat "fördergelder" eingestrichen...
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  • engert.andreas@gmx.de
    Ich würde eher sagen: es bleiben für die Stadt NUR 7 Millionen übrig - und es gibt immerhin 5 Millionen als Zuschuss.
    Ohne Landesgartenschau muss die Stadt ja auch irgendwas mit dem Gelände anstellen - und irgendwie ne Gestaltung organisieren!
    Und selbst wenn die dann "nur" acht Millionen kosten würde, DAFÜR gibt es dann eben keinen staatlichen Zuschuss!
    Das muss man immer mit bedenken - die Gestaltung des Geländes kostet IMMER Geld, egal, ob LGS, Stadtwald oder einfach eine städtische Maßnahme.
    Es ist immer zu fragen, was UNTERM STRICH die letztendlich wenigstens Kosten verursacht - und das KANN dann auch die LGS sein!
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  • grafer.andy@t-online.de
    ist halt immer so eine sache mit den kosten.
    was kostet ein stadtwald in sw? in einem bericht beim br werden die kosten laut ulrike schneider bei 200000€ veranschlagt die auch zu 80% vom freistaat gefördert werden, das es wohl teurer sein wird ist zu vermuten, sagen wir mal eine million €.

    die lgs soll ja stand heute 12mio.€ kosten, auch da ist mit mehr zu rechnen, und wenn es so gut wie in wü läuft hat man am ende ein defizit "erwirtschaftet", in diesem falle 5mio.€, dann ist auf die fördergelder auch gschissn.

    ich hab immer den eindruck, das manche dinge nur gemacht werden weil es fördergelder gibt, und diese staatlichen zuschüsse zahlen wir ja auch alle.
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  • dbuettner0815@gmail.com
    Das sehe ich anders.
    72 % der Schweinfurter Wähler ist es entweder egal, was geschieht, oder aber sie vertrauen dem von ihnen gewählten Stadtrat und wollen die Landesgartenschau, so wie es der Stadtrat beschlossen hat.
    Das Ergebnis lässt sich vielfältig interpretieren!!
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  • engert.andreas@gmx.de
    Naja, ich bin immer etwas skeptisch, wenn eine Seite bei einem Bürgerentscheid die Nicht-Wähler für seine Seite beansprucht.
    Man könnte sagen: 72% ist es egal oder sie wollen die LGS
    Man kann aber auch sagen: 74% der Schweinfurter ist es egal oder sie wollen KEINE LGS.
    Also - bitte Vorsicht, die Nicht-Wähler für die eine oder andere Seite beanspruchen wollen!
    Wo ich aber sehr gut mit kann - ist einfach das Argument: Es hätte jeder, der wollte, abstimmen können. Wem es wichtig war, der hat es getan - aber es waren einfach zu wenige, als dass ihre Stimme die Mehrheit gehabt hätte.
    Aber: Die Mehrheit der Wahlberechtigten hat durch ihre Nicht-Teilnahme gezeigt, dass sie diesen extra Bürgerentscheid für überflüssig halten, es gibt den Stadtratsbeschluss - und dem wollen sie nichts hinzufügen!
    Ich denke, nur SO kann man den Ausgang des Bürgerentscheids einordnen!
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