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Kommentar: Das neue Urheberrecht stärkt Qualitätsjournalismus
Die intensiv geführte Debatte über das Copyright-Gesetz kennt vor allem einen Gewinner: die Demokratie
Bis zuletzt versuchten Demonstranten vor dem EU-Parlament in Straßburg die Abstimmung in ihrem Sinne zu beeinflussen. 
Foto: Jean-Francois Badias (dpa) | Bis zuletzt versuchten Demonstranten vor dem EU-Parlament in Straßburg die Abstimmung in ihrem Sinne zu beeinflussen. 
Michael Reinhard
Michael Reinhard
 |  aktualisiert: 28.04.2019 02:11 Uhr

Nimmt man Bundespräsident Walter Steinmeier beim Wort, dann gibt es bei der intensiv geführten Debatte über die EU-Urheberrechtsreform einen unbestrittenen Gewinner: unsere Demokratie. Denn diese ist nach Ansicht des Staatsoberhauptes "immer so stark, wie wir sie machen. Sie baut darauf, dass wir unsere Meinung sagen, für unsere Interessen streiten". Genau das ist in den vergangenen Wochen geschehen. Überall in Europa - und mit besonderer Vehemenz in Deutschland. Vor allem junge Menschen haben in Scharen gegen die sogenannte Copyright-Reform protestiert. Sie fürchten um die Meinungsfreiheit im Internet. Das EU-Parlament hat diese Befürchtung mehrheitlich nicht und stimmte deshalb für das neue Urheberrecht. Und das ist gut so - trotz einiger berechtigter Einwände von Kritikern. 

Vor allem für Verlage ist die Straßburger Entscheidung eine gute Nachricht

Vor allem für Verlage ist die Straßburger Entscheidung eine gute Nachricht. Sie haben durch die Einführung eines europaweiten Publisher's Right jetzt eine deutlich bessere Verhandlungsposition gegenüber Internet-Riesen wie Google, Facebook oder Youtube. Nutzen diese fortan Inhalte von Medienhäusern, müssen sie dafür einen fairen Preis bezahlen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Zukunft des freien und unabhängigen Journalismus im digitalen Zeitalter.

Das sehen auch die meisten deutschen Chefredakteure so - unter anderem der Autor dieses Leitartikels. Er ist Mitunterzeichner eines Appells an die deutschen Abgeordneten des Europaparlaments. Darin heißt es unter anderem: "Wir begrüßen, dass der vorliegende Kompromiss die Rechte der Journalistinnen und Journalisten an ihren Werken stärkt. Autorinnen und Autoren sowie Verlage müssen angemessen an der digitalen Nutzung ihrer Werke durch Dritte beteiligt werden. Wer die wirtschaftlichen Grundlagen für Qualitätsjournalismus und die freie Presse in Zukunft sichern will, muss die Rechte von Autorinnen und Autoren und Verlagen stärken. Es ist höchste Zeit, diese wichtige Richtlinie zu verabschieden und Klarheit zu schaffen."

Der französische Liberale Jean-Marie Cavada übertreibt keineswegs, wenn er sagt, die geplante Reform sei „die einzige Chance“, die Zukunft von Kreativen zu schützen. Denn mit der Presse sei „ein Teil der Demokratie in Gefahr“. Wer das für Panikmache hält, unterschätzt die Bedeutung von professionellem Journalismus für die Demokratie. Denn wo Medien nicht uneingeschränkt über Unrecht, Korruption und Machtmissbrauch berichten können, droht die freiheitliche Demokratie zu scheitern. Daran hat das Bundesverfassungsgericht (BVG) schon im sogenannten „Spiegel-Urteil“ von 1966 keinen Zweifel gelassen.

In dem Richterspruch heißt es: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfenen Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich.“ Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert diese Meinungs- und Pressefreiheit.

Suchmaschinen sollen künftig Geld an Verlage bezahlen

Freilich: Ein solcher Journalismus wie vom BVG skizziert kostet Geld. Er finanziert sich vor allem durch den Verkauf von Inhalten und Werbung. Wenn Plattform-Giganten wie Google sich jedoch unentgeltlich aus dem Inhalte-Angebot von Medien bedienen, ist deren Geschäftsmodell gefährdet. Deshalb sollen Suchmaschinen künftig an Verlage bezahlen, wenn sie Artikel-Ausschnitte auf ihren Webseiten anzeigen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hat dies am Dienstag zu Recht als "eine Grundvoraussetzung für kulturelle und journalistische Vielfalt sowie für eine lebendige Kultur- und Kreativwirtschaft in Europa" bezeichnet.

Wenn die Gegner der beschlossenen Urheberrechtsreform jetzt zu spontanen Demonstrationen gegen die EU-Abstimmung aufrufen, dann ist das zwar ihr gutes Recht. Zu einer funktionierenden Demokratie gehört aber nicht nur eine gepflegte Streit- und Protestkultur. Es ist zugleich selbstverständlich, auch Mehrheitsentscheidungen von Parlamenten anzuerkennen.

 
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