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Unterfranken
Kommentar: Auf den Straßenkampf an Silvester können wir verzichten
Striktere Vorgaben für die Silvesterknallerei sind keine Spaßbremse, sondern ein Gebot der Vernunft.
Vor Silvesterraketen werden Wunderkerzen abgebrannt. Ist das Feuerwerk-Spektakel noch zeitgemäß?
Foto: Roland Weihrauch, dpa | Vor Silvesterraketen werden Wunderkerzen abgebrannt. Ist das Feuerwerk-Spektakel noch zeitgemäß?
Michael Reinhard
Michael Reinhard
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:33 Uhr

Alle Jahre wieder das gleiche Szenario: Kaum sind die besinnlichen Tage vorüber, stürmen Feuerwerksphantasten die Läden, um sich für die Kracherei an Silvester mit Knallkörpern einzudecken. Und jedes Jahr begleiten den Böller-Kaufrausch kontroverse Diskussionen über Sinn und Unsinn dieser Tradition zum Jahreswechsel. Befürworter des Spektakels werfen den Kritikern Miesepetrigkeit und moralinsaures Verhalten vor. Umgekehrt verweisen die Verfechter von Verboten auf zahlreiche Gefahren durch die Silvester-Feuerwerke. Doch kaum ist die Sonne am Neujahrsmorgen aufgegangen, verschwindet das Knaller-Thema normalerweise wieder in der Versenkung. Das könnte diesmal anders sein - zum Glück!

Denn immer mehr Bundesbürger lehnen die wilde Silvesterböllerei mittlerweile ab. Rund 60 Prozent von ihnen hat sich in einer Umfrage für ein Verbot von Feuerwerk in Innenstädten ausgesprochen. Ein hoffnungsvolles Signal dafür, dass offensichtlich ein Umdenken in der Bevölkerung stattfindet. Lärm, Müllberge, Verletzte, Feinstaub: Es mangelt nicht an guten Argumenten, warum das Höllenspektakel nicht mehr zeitgemäß ist.

Die Knallerei verursacht eine immense Feinstaubbelastung

Vor allem die durch das Abbrennen der Knaller verursachte Feinstaubbelastung hat anscheinend etliche Traditionalisten und bislang Gleichgültige zum Nachdenken veranlasst. Die Feinstaubwerte steigen in der Silvesternacht explosionsartig an. Das Umweltbundesamt warnt: Am ersten Tag des neuen Jahres ist die Konzentration an vielen Orten in der Republik so hoch wie sonst im ganzen Jahr nicht. Nach Angaben der Behörde werden durch die Neujahrskracherei 4500 Tonnen Feinstaub freigesetzt. 

Aber nicht nur Umweltschützer mahnen zur Vernunft. Ärzte schlagen ebenfalls Alarm. Die Notaufnahmen an Silvester und Neujahr werden jährlich voller. Dort sind nicht nur verletzte Hobby-Pyrotechniker anzutreffen. Es müssen zudem etliche Opfer behandelt werden, die zufällig einem betrunkenen Knallkopf begegnet sind, der es witzig fand, sie mit einem Böller zu bewerfen. Oft sind schwere Augen- und Ohrenverletzungen die Folge.  

Und der ganze Müll, der am Neujahrsmorgen überall die Straßen säumt, ist für viele Menschen ein weiteres Ärgernis. Kein ungefährliches übrigens. Vor allem nicht für Kinder, die nach Blindgängern suchen oder zufällig darauf stoßen. Diese können jederzeit explodieren, auch wenn sie nicht erneut gezündet wurden. All diese Nachteile lassen sich die Deutschen übrigens rund 137 Millionen Euro kosten. Das schätzt jedenfalls der Verband der pyrotechnischen Industrie.

Die Zeit ist überreif für weitere gesetzliche Einschränkungen der Böllerei

Trotz der erwähnten Risiken gibt es bislang nur überraschend wenige Feuerwerksverbote in Deutschland. Meist werden sie von Kommunen mit historischen Altstädten erlassen - allerdings nur für den jeweiligen Ortsbereich. Ansonsten erlaubt das Sprengstoffgesetz jedem, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, am 31. Dezember und 1. Januar Feuerwerkskörper abzubrennen. Ausdrücklich verboten ist es lediglich in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Seniorenheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden.

Die Zeit ist überreif für weitere gesetzliche Einschränkungen. Die Befürchtung der Verantwortlichen, damit möglicherweise Wähler zu vergraulen, taugt nicht länger als Ausrede.  Die Mehrheit der Bürger hat längst erkannt, dass striktere Vorgaben für das Abbrennen von Feuerwerkskörpern keine Spaßbremse sind, sondern ein Gebot der Vernunft.

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Der leitende Oberarzt am Virchow-Klinikum der Berliner Charité, Tobias Lindner, hat eine gute Idee, wie man trotzdem Spaß zum Jahreswechsel haben kann: "Man sollte sich auf schöne Feuerwerke konzentrieren, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sodass man das gemeinsame Erlebnis hat." Auf den Straßenkampf können wir getrost verzichten.

 
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  • G. S.
    Jawohl! Am besten ist, man ist im Namen der Umwelt gegen alles, was den Menschen Freude macht. Traditionelle Bräuche braucht niemand mehr. Silvesterknallerei ist Straßenkampf und Umweltverschmutzung. Der Herr Chefredakteur hat noch keinen richtigen Straßenkampf erlebt. Vielleicht versucht er sich einmal als Korrespondent in Afghanistan oder im Jemen. Schätze, wenn er wieder gesund zurückkommt, dann weiß er Umweltverschmutzung und Straßenkampf richtig einzuordnen.
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  • M. G.
    Genau so isses!
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  • P. S.
    Ganz viele Menschen befürworten den Umweltschutz und wollen eine intakte Natur genießen.

    Aber wenn es lieb gewordene Gewohnheiten bzw. den eigenen Lebensbereich betrifft, wie z. B.
    Verzicht auf das Silvesterfeuerwerk,
    Kleinwagen/öffentliche Verkehrsmittel statt SUV,
    Kauf nachhaltig produzierter Lebensmittel aus der näheren Umgebung statt Billigware aus fernen Ländern,
    Urlaub Zuhause oder in Deutschland anstelle weiter Flugreisen
    Müllvermeidung statt sich in jedem Laden eine Plastiktüte geben lassen oder im Internet die Ware verpackt kaufen,
    usw., usw.,
    dann hört die Liebe zur Natur und zur Umwelt bei vielen Leuten leider oft ganz schnell auf.
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  • M. G.
    Tradition ist eben Tradition!
    Den Kühen hat man mancher Orts schon die Glocken verboten, jetzt will man ihnen auch noch das Ausscheiden von Kot untersagen, wie lange dauert es. noch da geht es mit diesen Freveltaten uns an die Wäsche!
    Dann verbietet erst mal die Tageszeitung, mit samt ihren bunten Farben, denn nicht nur die, sonder die ganze Papierverschwendung dafür verursacht in der Umwelt "Millionenschäden"!
    Das was die Umwelthilfe derzeit veranstaltet und mit allen ihren Abmahnungen, ist schon kurz vor dem Supergau gegen die Zivilisation!
    "Verbietet halt die Menschheit, dann sind diese Probleme alle erledigt und die Natur holt sich zurück was ihr einmal alleine gehörte"!
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  • G. K.
    @Maryan

    Es genügt schon, wenn man die Einfältigen zum Nachdenken bringen würde... Gutes gelingen im Jahr 2019!
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