Redakteur Benjamin Stahl sorgt sich um die Rente und schrieb Andrea Nahles einen Brief. Nun hat die Arbeitsministerin geantwortet.
Sehr geehrter Herr Stahl, vielen Dank für Ihren „Samstagsbrief“ vom 7. Oktober 2016, auf den ich heute gerne antworte.
Erlauben Sie mir dabei zunächst eine grundsätzliche Bemerkung vorab, die allerdings zugleich eine wesentliche Kritik Ihres Schreibens widerlegen soll. Die Themen „Alterssicherung“ und „Rente“ sind für viele Menschen in Deutschland nicht nur von großer, von existenzieller Bedeutung, sie sind auch – und wie kaum ein anderes Thema sonst – mit den Begriffen „Verlässlichkeit“ und „Vertrauen“ verknüpft, weil erst die Verlässlichkeit der Vorsorge und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in diese Vorsorge die Sicherheit schaffen, die notwendig ist, um ein solches die Generationen übergreifendes System in die Zukunft zu tragen.
Vertrauen gewinnen und erhalten wir nur dann, wenn all diejenigen, die einen Großteil ihres Lebens mit ihren Beitragsleistungen die Rentenversicherung finanzieren, davon überzeugt sind, eine angemessene Gegenleistung zu erhalten. Gleichzeitig muss es uns aber darauf ankommen, die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in einer Höhe zu halten, die von den Jüngeren akzeptiert werden kann.
Dafür brauchen wir keine Erhöhung der Regelarbeitszeit, die es mit mir als verantwortliche Ministerin nicht geben wird, sondern Regelungen, die gleitende Übergänge zwischen Arbeit und Rente erleichtern, so wie jetzt mit der Flexi-Rente, und vor allem eine kluge Balance zwischen einer Haltelinie beim Rentenniveau, dem Verhältnis der Rentenhöhe zum Durchschnittslohn, und einem Deckel bei den Beitragssätzen – auch über das Jahr 2030 hinaus.
Damit sind wir in der Tat bei den Zahlen, mit denen es aber keineswegs – wie Sie mehrfach schreiben – „ja so eine Sache“ ist, sondern die schlicht und einfach seriös ermittelt und geprüft sein wollen und stimmen müssen, ehe sie in der Öffentlichkeit kursieren und politische Entscheidungen bestimmen. Auch das hat viel mit Verlässlichkeit und Vertrauen zu tun.
Es ist also keineswegs so, dass ich mich nicht festlegen möchte (wie Ihnen Ihr Gefühl zu sagen scheint), sondern dass ich konkrete Vorschläge zur Reform der Alterssicherung in einem mit dem Koalitionspartner sowie mit Experten, Wissenschaftlern, Gewerkschaften, Arbeitgebern und Verbänden abgestimmten Gesamtkonzept auf Basis valider Daten und Prognosen des Alterssicherungs- und des Rentenversicherungsberichts der Bundesregierung vorlegen werde. Auch den Zeitpunkt dafür habe ich bereits bekanntgegeben: Noch im November dieses Jahres wird es soweit sein.
Wichtige Ziele meiner Politik habe ich bereits klar formuliert: Wer ein Leben lang gearbeitet und seinen Beitrag zu unserem Wohlstand und zu unserer Gesellschaft geleistet hat, der muss sich am Ende seines Arbeitslebens auf seine Absicherung im Alter verlassen können. Die gesetzliche Rente hat sich über Jahrzehnte bewährt und wird weiterhin für die heute 36 Millionen aktiven Versicherten und für die 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner ein starkes gemeinsames Fundament bleiben. Aber auf diesem Fundament sollte jeder auch in Zukunft mit weiteren Bausteinen aufbauen.
Der beste Baustein ist dabei eine betriebliche Rente. Denn auch sie fußt auf dem Gedanken: Wir sind zusammen stark. Deshalb arbeiten wir daran, die betriebliche Altersvorsorge noch breiter aufzustellen, besonders in kleinen und mittleren Unternehmen und im Dienstleistungsbereich. Dabei ist mir ein Gedanke besonders wichtig: Dass sich zusätzliche Altersvorsorge lohnt, weil sie eben wirklich obendrauf kommt. Darum will ich erreichen, dass Betriebsrenten nicht auf Grundsicherung im Alter angerechnet werden.
Ein weiterer Baustein zu einer guten Altersvorsorge wird auch künftig die Riester-Rente sein. Es ist und bleibt richtig, privat vorzusorgen. Je früher man damit beginnt, desto besser. Wir werden darauf achten, dass diejenigen, die Vorsorgen, dafür auch belohnt werden, und in jedem Fall garantieren, dass alle Riester-Sparer, 16 Millionen sind es bereits heute, ihr Geld ausgezahlt bekommen. Auch für die staatlichen Zulagen gibt es Vertrauensschutz. Deshalb gilt: Wer eine Riester-Rente abgeschlossen hat, hat alles richtig gemacht. Er steigert damit sein Rentenniveau.
Stichwort Altersarmut: Anders als in der Vergangenheit ist sie in Deutschland heute noch eher ein Randphänomen. Aktuell sind nur rund drei Prozent der über 65-Jährigen auf Grundsicherung angewiesen. Diese noch relativ kleine Gruppe wird aber unter Umständen wachsen. Wenn man sich aber anschaut, welche Gruppen stärker als der Durchschnitt in der Grundsicherung sind, wird schnell klar, wo die großen Risiken liegen: keine Berufsausbildung, zu wenig Erwerbsjahre, lange Phasen der Arbeitslosigkeit. Auch Selbstständige, die bisher nicht obligatorisch abgesichert sind, sind stärker betroffen als Arbeiter oder Angestellte.
Deshalb müssen wir auch über eine verpflichtende Absicherung von Selbstständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung diskutieren.
Die, bei denen das Risiko von Altersarmut derzeit am größten ist, sind die Menschen, die sich im Job aufgerieben haben. 1,8 Millionen Menschen sind erwerbsgemindert und viele von ihnen sind in einer prekären Lage. Auch das ist ein Punkt, den ich mit meinem Gesamtkonzept auf jeden Fall angehen will – wohl wissend, dass wir den Kampf gegen drohende Altersarmut nicht allein mit der Rentenpolitik gewinnen werden.
Wenn wir über die gute Alterssicherung reden und nachdenken, geht es im Grunde immer um das ganze Leben, um gute Bildung und Qualifizierung von Anfang an, um Weiterbildung, um durchgängige Erwerbsbiografien, in guter Arbeit und zu anständigen Löhnen. Auch dafür müssen wir – Stichwort Wandel der Arbeitswelt – die Grundlagen immer wieder neu legen.
Abschließend noch ein Wort zur Vereinheitlichung der Rentenberechnung in Ost und West: Sie ist von der Politik mehrfach angekündigt, jedoch bisher nicht realisiert worden. In der deutschen Sozialversicherung ist die gesetzliche Rentenversicherung damit der einzige Zweig, in dem die deutsche Teilung noch von Bedeutung ist.
Im Koalitionsvertrag haben SPD und CDU/CSU deshalb vereinbart, die Angleichung zum Auslaufen des Solidarpakts, also 30 Jahre nach Herstellung der Einheit Deutschlands, endlich umzusetzen. Ein erneutes Verschieben auf die nächste Wahlperiode würde vor allem in Ostdeutschland sicherlich große Enttäuschung auslösen. Allerdings sage ich auch: Die einigungsbedingte Rentenangleichung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die damit verbundenen Mehraufwendungen sind als Folge der Wiedervereinigung von der Allgemeinheit zu tragen und aus Steuermitteln zu finanzieren.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Nahles
- 1 Versicherung für 1 Gesellschaft (Beamte, Freiberufler, Selbständige, Angestellte)
- Steuereinführung für den Produktionsfaktor "Ersatz für menschliche Leistung " im digitalen Zeitalter.
- bildungsarme Schichten, gesundheitlich Angeschlagene fördern, da diese am Arbeitsmarkt die Verlierer sind und keine/wenig Rentenbeiträge/Privatvorsorge leisten können.
- Lohngerechtigkeit und Gleichstellung; gemeinsame Kinder-/Erziehungszeiten und Chancengleichheit müssen selbstverständlich normal sein - hierzu braucht es noch viel Umdenken in den Köpfen (nicht mal gerechte/gleichgestellte Rentenbeiträge kann man dazu durchsetzen)
- je mehr Gesetze hierzu zusammengeschuster werden, desto mehr Menschen/Betriebe werden sich dem System entziehen, da man niemandem etwas total überstülpen kann.
- wenn keine betriebliche Altersvorsorge möglich ist (bestimmte Betriebsgröße), dann mit staatlicher Förderung den Vorsorgebeitrag der Arbeitenden fördern.
In der momentanen Struktur werden Sie das aber schon deshalb nicht schaffen, weil sind zu viele prinzipiell gegen alles sind, was vom "Gegner" kommt.
Nur soviel:
Meiner Meinung nach wäre es machbar daß keine private Vorsorge nötig ist. Die rein gesetzliche Rente ist theoretisch vollkommen ausreichend und der sog. "Generationenvertrag" weiterhin problemlos erfüllbar. Daß es immer mehr Alte und weniger Junge gibt, spielt dabei überhaupt keine Rolle - sondern lediglich daß weiterhin genug Waren und Dienstleistungen produziert werden. Und das ist der Fall. Wäre es anders, hätte Deutschland bald größere Problem als nur die Rente.
Ich zitiere mal dazu aus Wikipedia
"Makroökonomisch betrachtet wird das Umlageverfahren auch zukünftig möglich sein. Um das zu erreichen, sollte in Anbetracht der derzeit sinkenden Lohnquote allerdings eine angemessene Beteiligung des Faktors Arbeit an den Produktivitätszuwächsen erfolgen."
https://de.wikipedia.org/wiki/Umlageverfahren#Probleme_in_der_Finanzierung_der_Umlageverfahren