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Kommentar zum Desaster in Afghanistan: Eine Welt ohne Weltmacht
Der Fall von Kabul zeigt, dass wir uns auf Amerika nicht mehr verlassen können. Nur: Was kommt dann? Und wer?
Kabul       -  Ein Mitarbeiter eines Schönheitssalons übermalt am Sonntag in Kabul nach dem Einmarsch der Taliban ein großes Frauenpoträt.
Foto: -/Kyodo/dpa | Ein Mitarbeiter eines Schönheitssalons übermalt am Sonntag in Kabul nach dem Einmarsch der Taliban ein großes Frauenpoträt.
Gregor Peter Schmitz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:02 Uhr

Es gibt diesen Satz, der immer fiel in Debatten zu Afghanistan. Er geht so: Der Westen, der hätte die Uhren. Aber die Taliban, die hätten die Zeit. An dem Satz war vieles richtig, dennoch ist er gerade als falsch widerlegt worden: Die Taliban hatten nicht nur immer mehr Zeit als der Westen. Sie wissen offenbar auch ganz genau auf die Uhr zu schauen.

Fast auf den Tag genau 20 Jahre nach den furchtbaren Terroranschlägen vom 11. September 2001 – die den „Krieg gegen den Terror“ auslösten – überrennen die Taliban ihr Land, das afghanische Kartenhaus bricht zusammen. Zum Jahrestag der Anschläge könnte die US-Botschaft in Kabul brennen, Taliban durch die Straßen paradieren, vielleicht Helfern der Amerikaner – und der Deutschen – die Kehle durchschneiden, Mädchen aus den Schulen zerren, sich berauschen am erbeuteten Kriegsgerät bis hin zu hochmodernen Drohnen.

Die Amerikaner hofften, die Tötung von Osama bin Laden werde als Bild der zwei Kriegsjahrzehnte in Erinnerung bleiben. Weit eher aber werden die aktuellen Bilder aus Kabul unsere Erinnerung prägen.

Es hat schon lange niemand mehr genau hingesehen

Vieles wird dazu nun gesagt, geschrieben, geklagt. Das allermeiste davon ist heuchlerisch. Afghanistan ist nicht mit Vietnam zu vergleichen. Dort haben die Medien, gerade die amerikanischen, ganz genau hingeguckt, sie lieferten das Grauen ins heimische Wohnzimmer, auch deswegen scheiterten die Amerikaner.

In Afghanistan hat schon lange keiner mehr hingeschaut. Deutsche Medien leisteten sich dort kaum Korrespondenten. Offenbar haben nicht mal deutsche Diplomaten mehr hingesehen; immerhin hat unser Außenminister vor kurzem im Bundestag noch eine baldige Herrschaft der Taliban so gut wie ausgeschlossen. Was zu Vietnam ähnlich ist: Der Krieg ging in den Köpfen verloren. Die Amerikaner mussten einst erkennen, dass der Vietcong selbst in den von ihnen beherrschten Landesteilen große Unterstützung genoss.

Nun wurde die afghanische Armee mit vielen Milliarden aufgepäppelt; aber bis zuletzt kämpfte sie höchstens halbherzig für die Befreiung von den Taliban, sondern vertraute massiv etwa auf US-Unterstützung aus der Luft. Das lag auch daran, dass die Afghanen immer wussten: Das westliche Interesse würde erlahmen. Die Amerikaner zogen früh von Afghanistan nach Irak weiter, um angebliche Massenvernichtungswaffen aufzuspüren.

Die ewigen Kriege haben Amerika zermürbt

Der Aufbau eines Staatswesens, das berühmte „nation building“, blieb aus ihrer Sicht eher ein deutsches Hobby. Spätestens als eine massive Truppenaufstockung ihre Wirkung verfehlte, erlahmte ihr Interesse. Zwar starben zuletzt nur noch wenige US-Soldaten dort, aber die ewigen Kriege haben Amerika zutiefst ermüdet. Donald Trump, der angebliche „Master of the Deal“, schloss mit den Taliban einen absurden Rückzugsdeal, der ihnen kaum etwas abverlangte.

Für Joe Biden macht es Sinn, sich an diesen Deal zu halten. Natürlich hätte er Kerntruppen belassen und so ein Patt aufrechterhalten können, gerade wenn sich nach dem Sommer die Taliban in die Berge zurückgezogen hätten. Aber wozu, wird er denken? Umfragen zeigen, dass vielen Amerikanern das Land egal geworden ist. Für sie zählt nun die Heimatfront, Jobs, Infrastruktur, vielleicht klare Kante gegen China.

Aber der Preis ist hoch: Biden hat gezeigt, dass auf seinen außenpolitischen „Neuanfang“ kein Verlass ist. Das haben viele geahnt, weil ja auch die Rückkehr von Trump bzw. dessen Ideen stets droht. Aber nun ist klarer: Die amerikanische Weltmacht, die wir kannten, gibt es nicht mehr. Das gilt für Afghanistan, aber sicher auch für andere Konflikte. Nur: Was kommt dann? Und wer?

 
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  • nenikekamen11@googlemail.com
    Es hat sich wieder mal überaus deutlich gezeigt, dass man mit Waffengängen weder Konflikte lösen, noch Gesellschaften befrieden kann. Die westlichen „Werte“ werden allein schon dadurch verraten, dass man sie mit vorgehaltenem Maschinengewehr durchzusetzen versucht.
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  • e.max.s@t-online.de
    Peter Scholl-Latour sagte mal im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg:
    "Die Amerikaner sind Dilettanten"!
    Und sinngemäß:
    Sie würden immer nur in ein Land einfallen ohne zu überlegen wie es weitergehen soll und ohne Plan wie das Land wieder verlassen werden kann.

    Eine Feststellung vom Nahost-Experten Peter Scholl-Latour die auch hier wieder zutrifft.

    Einfallen in ein Land, alles zerbomben und dann den anderen, hier u.a. Deutschland, die Drecksarbeit machen lassen.
    Und dann noch abhauen und die Zurückgeblieben in Stich lassen.
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  • Einwohner
    Gerade die mehrheitlich links-grünen Journalisten sollten sich mal fragen was sie wollen. Greifen die USA ein, sind sie die Kriegstreiber. Unternehmen sie nichts, sind sie auch Schuld an allem in der Welt. So eine Berichtserstattung und Stimmungsmache ist inkonsequent und heuchlerisch.
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  • FischersFritz
    „Inkonsequent“ und „heuchlerisch“ sind jetzt erst mal höchst subjektive Bewertungen …

    An welcher Stelle ist die Berichterstattung denn inhaltlich objektiv falsch?

    Und falls sie nicht falsch ist – dann habe ich noch nicht verstanden, womit sie eigentlich ein Problem haben …

    Denn was Sie dann eigentlich gerne hätten, nennt sich Propaganda ...
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  • reglim
    Die wichtigste Frage für unsere Politiker ist nun sicherlich: wen können wir für dieses Totalversagen verantwortlich machen, ohne dabei uns selbst und unseren Chancen bei der Bundestagswahl zu schaden? Die Schicksale der "normalen" Menschen spielen wie immer nur eine untergeordnete Rolle in unserer so hochgepriesenen Demokratie.
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  • uwe.luz@t-online.de
    Das Fiasko zeigt drei Dinge auf:

    1. Dass Joschka Fischer (GRÜNE) zusammen mit Schröder die Bundeswehr nach Afghanistan schickte, war ein schwerer Fehler. Unsere Soldaten hatte da nie etwas verloren.

    2. Westliche Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind mit dem Islam nicht vereinbar.

    3. Die antidemokratischen und antifreiheitlichen Kräfte sind auf der Welt in der Mehrzahl. Aufgrund dessen haben wir allen Anlass dazu, unsere Wehrfähigkeit wieder zu erhöhen, damit wenigstens wir unsere Freiheit erhalten und verteidigen können.
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  • Arcus
    Nein, das Entsenden nach 9eleven war nicht grundsätzlich falsch. Allerdings hat ein Ausstiegszenario gefehlt.
    Unser Problem? Wir sind militärisch auf Gedeih und Verderben auf die USA angewiesen und müssen fast jedes militärische Abenteuer mitmachen. Erfolgreich gegen den Irakeinsatz hat sich nur der Grüne Außenminister Fischer gewehrt.
    Wir brauchen endlich eine europäische Militärallianz, die möglichst unabhängig, nicht mehr jedes unüberlegte militärische Abenteuer der USA mitmachen muss.
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  • familie.diener@gmx.net
    Leichter gesagt wie getan !

    Sind wir uns in der EU schon bei Kleinigkeiten schon nicht einig !

    Fakt ist :
    Unsere Politiker versagen immer mehr wenn es um praktische Ausführungen und
    realistische Einschätzungen geht.

    Und keiner war wie immer dran schuld !!
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  • uwe.luz@t-online.de
    Am 14.12.2010 habe ich in diesem Forum dazu, dass die rot-grüne Mehrheit im Bundestag den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan beschlossen und unsere Soldaten "im Namen des Volkes" ohne geeignete Ausrüstung in die Bergwüste geschickt hat, geschrieben:

    "Wer sich etwas mit Geschichte befasst hat, weiß zwei Dinge:

    1. Ein solcher Nibelungenschwur, wie er von Bastakanzler Schröder hinausposaunt wurde, kann blutige Folgen haben.

    2. Die Briten und die Sowjets sind aus Afghanistan in der Vergangenheit hochkantig hinausgeflogen. Beides bittere militärische Niederlagen.

    Bastakanzler Schröder und mit ihm die Grünen haben bar jeglicher Geschichtskenntnis und sonstiger Kompetenzen unseren Soldaten diesen Einsatz zugemutet."

    Schröder und Fischer haben den USA die "uneingeschränkte Solidarität" Deutschlands zugesichert. Aus der Nummer kamen die beiden Herren dann nicht mehr heraus. Nachdem zuvor niemand geringerer als die Rote Armee gescheitert war, war das Ergebnis aber vorhersehbar.
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  • ammi187@gmail.com
    Was soll man dazu sagen, politisch gesehen ein Totalversagen und ein Desaster. Aber das Versagen hauptsächlich durch Fehleinschätzung z. b. der Bundesregierung.
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  • hermannkoch@gmx.de
    Unsere Regierung kann man mit einer Jeans vergleichen, an den wichtigsten Stellen, sitzen die größten Nieten!
    Das trifft besonders für das AM und VM zu.
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  • Arcus
    Die Amerikaner haben in kaum einen Konflikt nach dem WK II mehr als nur verbrannte Erde hinterlassen. Das Militär kostet verdammt viel Geld und ist nur äußerst bedingt wirksam, wenn es um Konfliktlösungen geht.
    Statt weiter viel Geld in ein sehr begrenzt wirksames Militär zu stecken, sollten wir die Diplomatie stärken. Das dumme Geschwätz einiger Politiker, vor allem aus dem Bereich der CSU/CSU, die Militärausgaben jedes Jahr auf 2% des BSP hochzusetzen ist wieder einmal ad absurdum geführt.
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  • Einwohner
    Falsch. Wir müssen unsere Verteidigungsfähigleit stärken um uns vor den ganzen Irren und Islamisten auf der Welt verteidigen zu können. Und ja, wir sollten uns um uns selbst kümmern und nicht um Dinge, die irgendwo auf der Welt geschehen und uns nichts angehen.
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Sorry wenn ich widerspreche - @ Arcus -

    aber Sie wollten mir/ uns mit Ihrem Beitrag sicher nicht erzählen, Leute wie Putin oder Lukaschenko lassen sich von "unserer" Diplomatie bestechen oder gar befrieden?

    Ohne eine vernünftige Verteidigung (und zwar mit funktionierenden Waffen...) machen "wir" uns angreifbar für jede Erpressung bis hin zum militärischen Übergriff. In Sachen Krim barmt der gesamte Westen gegen das böse Russland und seine Schergen - mit welchem Nutzen? Klar ist Diplomatie wichtig - mit allen(!) im Gespräch bleiben, ihre Stärken kennen, ihre Schwächen, ihre Sorgen und Ängste. Das alles nutzt aber nichts, wenn man nicht in der Lage ist, wirklich mal eine Rote Linie zu ziehen, ohne dafür den Großen Bruder zu Hilfe rufen zu müssen. Nun ist "Geheimdiplomatie" prinzipbedingt nicht etwas, worüber alle Bescheid wissen würden, mein dummes Gefühl ist aber, dass ich nicht nur nicht merke, was da evtl. geht, sondern dass da wirklich nichts geht...
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  • haba2908
    Wann erkennt der Westen endlich, dass man in islamischen Staaten keine westlichen demokratischen Strukturen einführen kann? Die Menschen ticken dort einfach anders und werden sich und ihren fanatischen Glauben nicht ändern. Das trifft für jene zu, welche in ihrem Land bleiben und für jene, welche bei uns Unterschlupf finden. Ähnliche Erkenntnis gilt für die afrikanischen Staaten….. dort funktioniert Entwicklungshilfe auch nur, solange westeuropäische Helfer direkt vor Ort sind. Ziehen diese Helfer sich dann zurück, sind die Hilfen wie Schulen u Krankenhäuser und andere technische Einrichtungen dem Zerfall preisgegeben. Traurig, aber wahr!
    Also sollten wir uns darauf konzentrieren, dass der Laden hier bei uns läuft…..
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  • j-hollenbach@t-online.de
    Traurig, aber leider in vielen Fällen bittere Wahrheit
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