Ein Schule verabschiedet ihre Absolventen, ein Verein wählt einen neuen Vorstand, Sportler feiern die Meisterschaft – Anlässe für Gruppenfotos gibt es reichlich. Corona hat den Blick auf diese Bilder verändert. Immer wieder melden sich Leserinnen und Leser in der Redaktion und kritisieren, dass die Abstands- und Verhaltensregeln auf den Fotos nicht eingehalten werden. Ein Tenor, der mitschwingt: Die Redaktion habe dafür zu sorgen, dass auf den Bildern alles korrekt ist.
Anton Sahlender, Leseranwalt der Main-Post, hat sich in seiner Kolumne Mitte Juli bereits mit dem Thema befasst. Damals waren die Würzburger Kickers gerade aufgestiegen. Fans und Mannschaft feierten ausgelassen Arm in Arm. Selbst das Foto, das beim Empfang der Stadt entstand, wirkte wie aus einer Zeit, in der Corona keine Rolle spielte. Leser beschwerten sich, und Leseranwalt Sahlender stellte klar, dass solche Bilder selbstverständlich veröffentlicht werden dürfen, schließlich bilden sie die Wirklichkeit ab. Es ist nicht Aufgabe der Redaktion dafür zu sorgen, dass Menschen sich korrekt verhalten. Anders gesagt: Journalisten sind nicht die "Corona-Polizei". Sahlender kritisierte die Redaktion aber dennoch, weil sie in der Berichterstattung nicht unmittelbar auf das falsche Verhalten der abgebildeten Personen hingewiesen hatte. Dabei ist es zweifelsfrei Aufgabe der Medien, Misstände – also auch Fehlverhalten – zu benennen.
Genau das haben in den vergangenen Monaten auch eine Reihe von Politikern zu spüren bekommen, wenn sie Hygienregeln nicht eingehalten haben. Beispielsweise Gesundheitsminister Jens Spahn, der sich Mitte April mit Ärzten und anderen Politikern in einen Aufzug der Gießener Uniklinik quetschte. Auch die Berichterstattung über diesen und andere Fälle sorgte dafür, die Öffentlichkeit für das richtige Verhalten während der Pandemie zu sensibilisieren.
Mehr Abstand einfordern? Eigentlich nicht Aufgabe von Journalisten
Fotos von weniger bekannten Gruppen veröffentlichen vor allem unsere Lokalredaktionen täglich. Eine Redakteurin beschreibt in einer internen Mail an die Chefredaktion kommentierend die Unsicherheit, die diese Gruppenbilder in Zeiten von Corona in der Redaktion auslösen:
"Uns stellt sich die Frage, was wir tun sollen: 1. Die Leute auf die Regeln aufmerksam machen und bei Fotos mehr Abstand einfordern? Das kann eigentlich nicht unsere Aufgabe sein. 2. Das Foto so machen, veröffentlichen und in der Bildunterzeile darauf hinweisen, dass das eigentlich nicht in Ordnung ist? Auch doof. 3. Das Foto veröffentlichen und gar nichts dazu sagen? Bildet zwar die Wirklichkeit ab, kommt aber so rüber, als würden wir solche Verstöße weder beanstanden noch hätten wir Lust, sie zu kommentieren. Das ist aber sehr wohl unsere Aufgabe. 4. Auf solche Fotos ganz verzichten?"
Die meisten Gruppenfotos erreichen die Redaktion über Pressemitteilungen
Die Klarheit, die sich sowohl Teile der Redaktion als auch Teile der Leserschaft wünschen, können wir so nicht herstellen. Zu unterschiedlich sind die Situationen, in denen Gruppenfotos entstehen. Zu unterschiedlich sind auch die Wege, auf denen uns Gruppenfotos erreichen. Die meisten dieser Bilder werden von Vereinen und anderen Organisationen per Pressemitteilung an die Redaktion geschickt.
Wir haben in der Redaktion intensiv diskutiert und uns für folgende Lösung entschieden:
1. Wir bilden die Realität ab. Das heißt, wir akzeptieren Bilder, die uns zur Veröffentlichung von Dritten zur Verfügung gestellt werden und wir greifen nicht in gegebene Situationen ein, aus denen sich ein Gruppenbild entwickelt (Beispiel Kickers).
2. Wir erklären und kommentieren nur bei außergewöhnlichen Fällen Widersprüche zu den Hygieneregeln.
3. Wenn Mitarbeiter der Redaktion selbst eine Gruppe für ein Foto aufstellen, bitten sie die Gruppe die Abstände einzuhalten oder einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.