Sehr geehrter Herr Blume, es tut mir Leid, aber hier geht es nur am Rande um die Kreuze, die bald in jeder bayerischen Behörde hängen sollen. Bestimmt freuen Sie und die CSU sich, wann immer das Thema diskutiert wird. Denn, mal unter uns: Der Aufschrei in Opposition und einigen Medien ist doch wohlkalkuliert, oder? Früher legten Parteien zumindest in Wahlkampfzeiten Wert darauf, „gute Presse“ zu haben. Heute gilt mehr denn je, dass es keine schlechte Presse gibt. Schon gar nicht in den Sozialen Netzwerken. Hauptsache Aufmerksamkeit. Und hier kommen Sie ins Spiel. Denn genau das ist doch Ihr Job: Aufmerksamkeit generieren.
Als CSU-Generalsekretär stehen Sie in einer Reihe mit zahlreichen Lautsprechern. Zu Ihren Vorgängern zählten Strauß, Streibl, Stoiber und Söder, die letzten Generäle hießen zu Guttenberg, Dobrindt und Scheuer – alles keine Leisetreter, alles Leute, die später noch Karriere machen sollten. Als Bundesminister, Kanzlerkandidat oder Landesvater.
Als Sie, Herr Blume, Mitte März Andreas Scheuer als Generalsekretär ablösten, haben sicher einige Ihren Namen gegoogelt. Wer Sie schon kannte, war verwundert. Irgendwie wirkten Sie wie ein Fremdkörper in der Ahnengalerie der CSU-Gerneralsekretäre. Sie galten als smart, sachlich, überlegt, geduldig und diszipliniert. Sagten in der Vergangenheit Sätze wie: „Nicht die Lautstärke ist entscheidend, sondern die Richtigkeit in der Position.“ Logisch, dass Journalisten Porträts über Sie schrieben, die so klangen: „Blume passt so gar nicht zum kraftstrotzenden Stil seiner Vorgänger.“ Oder: „Wer bei einem CSU-Generalsekretär nur ans deftige ,Wadlbeißen‘ denkt, wird sich umstellen müssen.“ Einer wie Sie, einst bayerischer Jugendmeister im Eiskunstlauf, würde sich nie aufs verbale Glatteis begeben und womöglich einbrechen, glaubte man. Ganz anders als die Scheuers und Dobrindts, die – um im Bild zu bleiben – auch heute noch kein noch so dünnes Eis meiden.
Doch dann kam das Kreuz-Dekret und die Landtagsdebatte am vergangenen Donnerstag. Da schenkten Sie der Opposition und den Gegnern der Kreuz-Pflicht für Behörden einen Satz ein, der einem Scheuer gerecht geworden wäre und gewaltigen Widerhall erzeugte: „Bei den Kritikern haben wir es mit einer unheiligen Allianz von Religionsfeinden und Selbstverleugnern zu tun“, sagten Sie.
Über die Wortwahl und die damit verbundene Botschaft kann man streiten. Da wären wir aber wieder beim Kalkül hinter solchen Sätzen. Reden wir also lieber weiter über Sie. Sie haben Zähne gezeigt im Landtag, Wadlbeißerqualitäten. Sind also gewissermaßen – verzeihen Sie mir das Wortspiel mit Ihrem Namen – vom Blümchen zur Karnivore, zur fleischfressenden Pflanze mutiert.
Durchaus überraschend, wenn man die Porträts von vor acht Wochen liest. Weniger überraschend, wenn man an frühere Auftritte von Ihnen denkt – für die sich damals allerdings kaum jemand interessiert hat. Zum Beispiel an Ihre Rede in einem Bierzelt in Trudering vor einem Jahr. Angela Merkel absolvierte damals, vier Monate vor der Bundestagswahl, einen Wahlkampfauftritt. Vor dem Zelt hatten sich AfD-Anhänger postiert und störten mit Trillerpfeifen und „Hau ab“- oder „Wir sind das Volk“-Rufen die Versöhnungsinszenierung von CSU und Kanzlerin. Dann traten Sie auf die Bühne und watschten die AfD-Leute ab, erklärten ihnen mit scharfen Worten, dass sie eben nicht „das Volk“ seien. Ihre unerwartet klare Kante überrumpelte offenbar selbst die AfD – jedenfalls schwiegen die Trillerpfeifen eine Weile.
Sie scheinen das Wadlbeißer-Gen also in sich zu tragen. Dass Sie es jetzt, quasi auf Knopfdruck, aktivieren können, das ist aber schon bemerkenswert. Gibt es dafür eine Schulung der Hanns-Seidel-Stiftung? Oder genügt eine Anweisung aus der Staatskanzlei? Wie dem auch sei: Man kann Ihnen viel vorwerfen, aber sicher nicht, dass Sie einen schlechten Job machen. Sie spielen die Rolle des CSU-Generalsekretärs.
Wie gesagt: Ihre Wortwahl und Botschaft muss man nicht gut finden. Aber von der Präsenz der CSU-Generalsekretäre könnten sich zumindest Ihre aktuellen Amtskollegen anderer Parteien mal eine Scheibe abschneiden. Nicola Beer, Generalsekretärin der FDP, oder Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD, bringen ihre Parteien jedenfalls deutlich seltener in die Schlagzeilen. Und das ist ja das A und O: Aufmerksamkeit. In der CSU hat man das erkannt und Ihnen diesen wichtigen Job gegeben. Ich bin gespannt, wie sehr die Lautstärke für Sie in den kommenden Monaten doch an Bedeutung gewinnt. Und welche Positionen Sie laut vertreten werden – in der Hoffnung auf das Kreuz. Auf dem Wahlzettel.
Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Stahl, Redakteur
Auf die weiteren Ausführungen möchte ich hier nicht eingehen; sie sind eh' eher nur ein Konglomerat dessen, was da in den vergangenen Tagen seit Söders's bedachtem Paukenschlag zu lesen war.
Und jetzt bin ich gespannt.........
Mein "gespannt sein" bezog sich nicht auf ein evtl. Wahlergebnis im Herbst, sonder auf eine Wette in anderer Sache mit einem Mit-Leser..
Wem auch immer Sie ihre Stimme geben oder wem nicht ist mir persönlich völlig egal.