
Sehr geehrter Herr Minister Spahn, grundsätzlich habe ich Respekt vor Bankkaufleuten. Sie rechnen schneller als andere. Können einschätzen, wie man Profit macht und wie man Verluste minimiert. Und sie wissen genau, wo und wie man Geld sparen kann. Ein gesteigertes Verständnis für kranke, leidende Menschen sagt man Bankern nicht nach. Was üblicherweise nicht schlimm ist; das entspricht ja nicht dem Anforderungsprofil.
Nur bei Ihnen - da ist das unglücklich. Sie, Herr Spahn, haben als junger Mann Bankkaufmann gelernt. Und leider sind Sie, Ihren Äußerungen und Gesetzesvorhaben nach zu urteilen, im Herzen auch ein Bankkaufmann geblieben. Das Problem ist, dass Sie, der Mann mit dem Banker-Herzen, unser Gesundheitsminister sind.
Es geht um eine Milliarde Euro an Gesundheitsausgaben - pro Tag!
Klar, auch ein Gesundheitsminister muss rechnen und taktieren. Denn es geht um viel Geld. In Deutschland liegen seit 2017 die Gesundheitsausgaben bei über einer Milliarde Euro - und zwar pro Tag. Wer als Minister das Gesundheitsressort lenkt, muss nicht nur diese Geldflüsse, sondern auch die vielen Einflussnehmer im Gesundheitswesen überblicken - angefangen bei den Krankenkassen, die 70 Prozent der Gesundheitskosten tragen, bis hin zu den Ärzte-, Apotheker- und Pharmaverbänden. Klar soll ein Gesundheitsminister mit Blick auf zukünftige Ausgabensteigerungen einen Sparkurs weisen und fahren. Sie aber, Herr Spahn, Sie weisen keine Wege. Den Sparkurs im Blick, hauen Sie grade einfach das Gesundheitswesen kaputt. Auch das, was funktioniert.
- Neuregelung der Psychotherapie: Über 200.000 Petitionen gegen Spahn
Nehmen wir als Beispiel den Zusatz zum Versorgungs-Gesetz; ein Zusatz, der, käme er denn, die freie Psychotherapeutenwahl killt. Sie wollen, dass künftig kein psychisch Notleidender sich seinen Therapeuten selbst suchen kann; sie wollen, dass ein staatlich bestellter Vorentscheider ansagt, wo es langgeht: Hier Selbsthilfegruppe, dort Psychotherapie, da Klinik. Sie muten dem Patienten damit zu, dass er in der ersten Sitzung nicht auf einen wohlwollenden Heiler, sondern auf einen sparkursorientierten Entscheider trifft.

Damit entmachten Sie nicht nur die Psychotherapeuten,Sie entmündigen auch die Patienten. Haben Sie dabei nicht was vergessen, Herr Spahn? Zum Beispiel, dass Sie als Minister nicht Patienten bevormunden, sondern vertreten sollen? Und zwar nicht nur, weil das Ihrem Auftrag entspricht, sondern auch, sondern auch, weil die Patienten über ihre Krankenkassenbeiträge große Teile des Gesundheitssystems finanzieren.
Und jetzt müssen wir über Ihren jüngsten Anschlag aufs Gesundheitssystem reden. Sie wollen bundesweit die Notfallversorgung ändern; wollen Leitstellen von Rettungsdienst und Ärztlichem Bereitschaftsdienst zusammenlegen und integrierte Notfallzentren in Kliniken einrichten. Bayerns Ärzte können es nicht fassen, dass die im Freistaat funktionierende Versorgung von schweren Erkrankungen über den Rettungsdienst und leichteren Fällen über den Bereitschaftsdienst ohne Not Ihrem Neustrukturierungswahn geopfert werden soll. Warum wollen Sie alles von Berlin aus regeln? Und warum tun Sie das, ohne vorher mit den Beteiligten zu reden?

Denn das ist der Hauptvorwurf, der Ihnen entgegenschallt: Dass Sie ohne Einbeziehung von Fachleuten und Betroffenen im Eiltempo gesundheitspolitische Entscheidungen treffen, die Sie als Nicht-Fachmann nicht mit allen Folgen übersehen. Sie, Herr Spahn, handeln als Gesundheitsminister wie ein Zocker, der mit dem Geld anderer an der Börse spielt, schnell, cool, risikobereit: Schnell diese Struktur aufgeben, schnell eine andere Strategie probieren, über Nacht eine neue Taktik entwickeln. Das Problem ist, dass Sie leider aufgrund Ihrer Machtposition mit unser aller Gesundheit spielen.
Kassenärzte schreiben Spahn, wie er das Gesundheitssystem beschädigt
Nach den Ärzten aus Mecklenburg, die Ihnen im November wegen Ihrer „undemokratischen und dirigistischen Vorgehensweise“ den Kampf angesagt haben, nach den Psychotherapeuten, die per Petition gegen Sie vorgehen, wenden sich jetzt auch Bayerns Ärzte gegen Sie. Die geplante Änderung der Notfallversorgung sei ein Musterbeispiel dafür, wie man „mit Überregulierung unser Gesundheitswesen beschädigt“, schreibt die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. In dem Dreivierteljahr, in dem Sie Gesundheitsminister sind, haben Sie es geschafft, bei der Ärzteschaft, den Pflegekräften und Patienten unbeliebter zu werden als die früher meistgehasste SPD-Gesundheitsministern Ulla Schmidt in acht Jahren. Das will was heißen!
Vielleicht, Herr Spahn, nehmen Sie sich über Weihnachten eine Auszeit, um nachzudenken, warum Sie in Deutschland von so vielen Menschen kritisiert werden. Vielleicht entscheiden Sie sich dann doch dafür, künftig statt vieler schlechter Vorschläge einige wenige, dafür aber durchdachte Vorhaben in den Bundestag zu bringen - und zwar Vorhaben, die Patienten und Ärzten Entscheidungsfreiheit lassen.
Mit besten Grüßen
Gisela Rauch
Der Samstagsbrief: Jede Woche lesen Sie auf der Meinungsseite am Wochenende unseren „Samstagsbrief“. Was das ist? Ein offener Brief, den ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Figur des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An eine Person, der wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert wird der „Samstagsbrief“ sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der „Samstagsbrief“ ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir vom Adressaten Post zurück. Die Antwort und den Gegenbrief, den Briefwechsel also, finden Sie dann auf jeden Fall bei allen Samstagsbriefen hier. Und vielleicht bietet die Antwort desjenigen, der den Samstagsbrief zugestellt bekommt, ja auch Anlass für weitere Berichterstattung – an jedem Tag der Woche.
Die frau weiß das sicher, was Sie einwerfen, so intelligent is sie sicher. Aber es auch zuzugeben bzw. in ihre "Betrchtung" einfließen zu lassen würde ja bedeuten, dass die gewünschten Vorurteile über den Haufen geworfen werden müssten - und das passt dann doch nicht in das angestrebte Bild.
Weder die KVB, noch das BMG kann den Ärztebedarf „planen“ – der Bedarf ergibt sich aus der Bevölkerungs- und Infrastruktur einer Region. Leider haben sowohl KVB und die Gesundheitsministerien ein Problem, den im urbanen Vergleich pro Kopf höheren Ärztebedarf auf dem Land zu akzeptieren …
Und was den von Ihnen erwähnten „Aufnahmestopp“ angeht – das hängt auch mit unserem Zwei-Klassen-System zusammen. Ich habe noch nicht erlebt, dass ein Privatpatient irgendwo abgewiesen worden wäre. Jens Spahn ist meines Erachtens der Allerletzte, der hier etwas Grundsätzliches verändern will oder wird!
Das sollten mit bedenken, bevor Sie sich schützend vor ihn werfen ...
Weil wir Landbevölkerung angeblich dadurch jetzt so gut versorgt sind, machen die Landarztpraxen auch schon Freitag um 12 Uhr zu. Am Land haben die Arztpraxen nur 20 Stunden pro Woche offen, wir müssen uns dann anhören, dass wir zur "Unzeit" krank werden, einige Kassenärzte-Funktionäre wollen sogar, dass wir "Unzeit-Patienten" sanktioniert, also bestraft werden.
Für uns gibt es nichts besseres als ein Gesundheitsminister, der die Ärzte zur Räson bringt. Auch die psychotherapeutische Versorgung ist bei uns am Land praktisch nicht vorhanden. Da hat Herr Spahn recht, dass es nicht so bleiben darf, wie es ist. Allerdings müssen die Patienten schon die freie Wahl behalten.
Zu hohe Arzteinkommen = zu hohe Ausgaben, leider.
Über diesen Samstagsbrief diskutiere ich nicht - ich stimme ihm zu. Und zwar von der ersten bis zur letzten Zeile ... mit einer leichten Einschränkung, was meinen Respekt vor Bankkaufleuten angeht.
Spahn muss seinen Platz räumen.....und zwar ganz schnell!
Lieber so einer Arbeitslos als zigtausende im Unglück!
Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß ihn das auch nur ansatzweise interessiert.
Vor einiger Zeit habe ich ihm eine E-Mail geschrieben vor dem Hintergrund seiner Äußerungen, Kolleginnen und Kollegen, die in Teilzeit arbeiten betreffend. Nach Wochen habe ich ein Dementi von seinem Pressebüro bekommen...Naja... E-Mails bekomme ich seitdem häufiger von seinem Pressebüro. Sowas wie Werbung. Irgendwas mit Team Spahn und so ein Zeug. Ich verschieb' die Nachrichten seitdem in meinen Spa(hn)m Ordner.