
Sehr geehrte Claudia Roth,
jetzt sind Sie also dieChefin des Ressorts für das Gute, Wahre und Schöne! Herzlichen Glückwunsch, da hätten wir gleich ein paar Wünsche: Nämlich erstens, würden Sie bitte... Halt. Die Erwartungen an Sie sind seit Ihrer Berufung in den achten Stock im Kanzleramt hoch genug. Sie gelten nämlich als Ermöglicherin. Leidenschaftlich, kämpferisch, in allen Belangen parteiisch für Kultur. Kommunikativ dazu, gerne in der Öffentlichkeit. Einzig und sicher nicht artig. Oh wei, sagten die einen erschrocken, diese Reizfigur und Nervensäge. Eine Zumutung, die neue Punk-Ministerin.
Bei den anderen haben Sie längst Steine im Brett, samt Ton und Scherben. Umso zahlreicher die Begehrlichkeiten, die an sie jetzt herangetragen werden.
Die einen rechneten es Ihnen schon vor Amtsantritt hoch an, dass Sie sicher nicht nur die Hoch-, ja Hauptstadt-Kultur im Blick haben werden. Die anderen freuten sich, dass sie beim ersten offiziellen Besuch als oberste Kulturbeauftragte in Stuttgart gleich mal einen coolen Plattenladen besuchten.
Für welchen Kulturbegriff steht Claudia Roth?
Sie machen es den Politikbeobachtern, Feuilletonisten, Kommentatoren halt nicht ganz leicht. Kulturressort in grüner Hand? Für was steht Claudia Roth? Für welchen Kulturbegriff? "I am what I am" von Gloria Gaynor soll eines Ihrer Lieblingslieder sein. Und wenn man Sie fragt, was Sie nach Monika Grütters für eine Staatsministerin werden, zitieren Sie den Rio-Reiser-Song "Ich will ich sein". Claudia eben.
Kulturaffinität wird Ihnen niemand absprechen, wo immer sich ein Vorhang hebt oder Scheinwerfer angehen, tauchen Sie auf. In Bayreuth sind Sie regelmäßiger Gast, in Berlin bei der Berlinale. Wagner und Wacken, Punk-Konzert und Oberammergauer Passionsspiele, Poetry Slam und Philharmonie – Sie passen da überall hin. Sektempfang und Bierzelt, Vernissage und Wirtshaus – bei Ihnen geht das zusammen.
Die Kunst muss autonom sein!
Was werden Sie also machen? Im Koalitionsvertragheißt es so schön plakativ wie einfallslos, sie wollen Kultur "unabhängig von Organisations- oder Ausdrucksform, von Klassik bis Comic, von Plattdeutsch bis Plattenladen". Bezeichnend. Drei der vier Schlagwörter rechnet man gemeinhin der freien Szene und Subkultur zu. Und klar, lauter berechtigte Forderungen stehen da - nach mehr Diversität, Barrierefreiheit, Geschlechtergerechtigkeit, auch mehr Nachhaltigkeit im Kulturleben. Bange Frage: Hoffentlich gerät da das Erste und Eigentliche nicht aus dem Blick? Die Kunst muss autonom sein! Ungebunden. Auftragsfrei. Ohne Zweck, den ein Staat fördern wollen sollte.
Kunst ist erst mal Kunst. Und sonst nichts. Aber Sozialdemokraten und Grüne, liebe Frau Roth, neigen ja dazu, die Kultur als Gehilfin und Stimme der Demokratie zu sehen. Sie auch. Ja, die Auseinandersetzung mit Kunst kann – Schiller hoffte und glaubte das – uns zu besseren Menschen machen. Kultur kann Brücken bauen, Spaltungen überwinden. Kann Demokratie befördern und vielleicht gar schützen, wie Sie sagen. Aber Kultur und Kunst erschöpfen sich nicht darin. Und sie dürfen nie zum Zweck (nur) in Dienst genommen werden - und sind die Ziele noch so edel und hehr.
Was, wenn die Kommunen beginnen, bei der Kultur zu kürzen?
Zwei Jahre lang haben wir jetzt gesehen, dass Kultur nicht krisenfest ist. Sondern - politisch und gesellschaftlich so gewollt – in prekärer Lage steckt. Was braucht's noch Kultur im öffentlichen Leben, Hauptsache Frisöre und Kneipen haben offen. Ihre CDU-Vorgängerin hat zwar durchaus erfolgreich für Unterstützung gesorgt, und Ihre Regierung setzt Neustart-Programme ja fort. Doch bislang gehört die Kultur zu den freiwilligen Aufgaben und scheint schnell verzichtbar.
Im Koalitionsverstrag steht: "Wir wollen Kultur in ihrer Vielfalt als Staatsziel verankern." Ein symbolischer Satz? Was, wenn die monetäre Missachtung weitergeht? Wenn die Kommunen wegen der ausbleibenden Steuern beginnen, jetzt erst richtig bei der Kultur zu kürzen?
Blöderweise wird der weitaus größte Teil der Kultur dieser Republik von den Ländern und den Kommunen finanziert und verantwortet. Und was machen Sie, wenn Sie als grüne Kultur-Chefin unter einem roten Kanzler abhängig von einem gelben Finanzminister sind, der die Mittel bewilligt? Ihre selbstbewusste Vorgängerin hat in ihrer achtjährigen Amtszeit den Kultur-Etat immerhin um gut 60 Prozent auf 2,14 Milliarden Euro gesteigert. Ihr Job ist jetzt, diese Mittel richtig zu verteilen.
Belassen Sie es nicht bei Symbolpolitik!
Wir sind gespannt, was sie da in den nächsten Monaten wie wem zukommen lassen. Ach ja, unsere Wünsche. Belassen Sie es nicht bei Weltverbesserungsreden und grüner Symbolpolitik! Verzwecken Sie Kultur nicht. Retten Sie auch Opern- und Ausstellungshäuser. Weisen Sie in Ihrer penetranten Art auf den fundamentalen Verfall hin, dem die Kultur überlassen wurde. Machen Sie das Kulturleben gerne mit Roth'scher Euphorie irgendwie gerechter, niederschwelliger, vielfältiger. Aber machen Sie nüchtern auch klare, harte Ansagen, was systemisch in diesem (Kultur-)Land falsch läuft.
Bleibt Ihnen selbst zu wünschen, dass Sie am Ende Ihrer Amtszeit, nicht Rio Reisers "Ich bin müde" seufzen. Sondern, wie schon mal vor laufenden Fernsehkameras, lautstark und überzeugend immer noch singen à la Edith Piaf: "Je ne regrette rien".
Mit besten Grüßen,
Alice Natter, Redakteurin
Und es zeigt, dass die überwiegende Mehrheit hier sich einfach nur über dieses grüne hoffieren und pushen mit allen Mitteln wundert.
Eine Dame, die in der Versenkung verschwunden war wird herausgeholt und nach oben gehievt.
Die Zeiten, in denen politisch korrekt, neutral oder auch überprateilich berichtet wurde sind wohl vorbei! Viele aus der schreibenden Zunft sehen sich offensichtlich als Berichterstatter, verlängerten Arm, durchsetzen der eigenen Gesinnung oder auch um aus Mücken Elefanten zu machen um draufhauen zu können!
Wer also glaubt, dass die Politiker Politik machen, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten!
so euphorisch sehe ich die Personalie Claudia Roth nicht. Haben Sie ihr kumpelhaftes Benehmen iranischen Politikern gegenüber vergessen ?
"Belassen Sie es nicht bei Weltverbesserungsreden und grüner Symbolpolitik!"
Das Gute an Ihrer Beförderung ist, dass sie durch ihre neue "Aufgabe" da oben in Berlin gebunden ist und hoffenlich seltener in Bayern aufschlagen wird, die "sehr geehrte" Frau Staatsministerin.