
Sehr geehrte Frau Lindholz,
weil ja bald Weihnachten ist: Ich finde, dass der Politik gerade etwas Besinnung nicht schaden könnte. Beobachten, nachdenken und analysieren – statt sich im Wahlkampfmodus mit plakativen Forderungen zu überbieten. Ich weiß, Zurückhaltung in aufgewühlten Zeiten ist nicht so leicht.
Das Assad-Regime in Syrien war keine 24 Stunden gefallen, da dröhnten aus ihrer Unionsfraktion im Bundestag erste Forderungen: Syrische Flüchtlinge sollten doch jetzt schnellstmöglich in ihre frühere Heimat zurückkehren. Ihr CDU-Kollege Jens Spahn schlug gleich mal Charterflüge und ein Handgeld von 1000 Euro vor. Zack zack, raus mit Euch – so klingt das ausgerechnet von jenen, die Geflüchtete sonst gerne zur Zack-Zack-Integration ermahnen.
Viele Geflüchtete aus Syrien sind gut integriert
Jetzt kann es ihnen nicht schnell genug gehen, Menschen aus Syrien wieder loszuwerden. Ehrlich: Ich finde diesen Duktus unerträglich. Es ist ja nicht so, dass eine Rückkehr in das vom Krieg geschundene Land tabu wäre. Im Gegenteil. Viele Geflüchtete können es gar nicht erwarten, nach Jahren der Trennung ihre Familien und Freunde wiederzusehen. Ein Teil von ihnen wird freiwillig zurückkehren und versuchen, beim Wiederaufbau zu helfen.
Viele werden aber auch in Deutschland bleiben, weil sie sich hier eine neue Existenz aufgebaut haben. Weil sie hier arbeiten und Steuern zahlen. Weil sie als Fachkräfte – sei es in der Pflege oder im Handwerk – gebraucht werden. Oder weil ihre Kinder hier zur Schule gehen.
Das Hilfreichste im Moment wäre: Nicht über die Menschen zu sprechen, sondern mit ihnen. Ihnen zuzuhören und ja, mit ihnen zu feiern, dass Syrien das Joch eines Diktators abgeschüttelt hat. Was meines Erachtens dagegen gar nicht geht: Schwarzweiß-Malerei und politischer Populismus mit Blick auf die Bundestagswahl im Februar.
Davon wird nicht die Union, nicht Ihre CSU profitieren, sehr geehrte Frau Lindholz. Wer Stimmung gegen Flüchtlinge macht, betreibt das Geschäft der AfD.
Mit Rückkehrforderungen vorgeprescht - wenngleich nicht ganz so scharf
Als stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion in Berlin sind auch Sie mit Rückkehrforderungen vorgeprescht – oder sollte ich sagen: Rückkehranreizen? Das ist ein Unterschied und tatsächlich sind Sie in ihrer Tonwahl weniger scharf als andere. Trotzdem haben auch Sie das Fass aufgemacht.
Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Man kann und wird über die mögliche Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien reden. Was mich massiv stört, ist der Zeitpunkt dieser Diskussion nur wenige Stunden und Tage nach dem Sturz einer Schreckensherrschaft.
Wer kann denn hierzulande von der Wohnzimmercouch aus die Situation in Syrien seriös beurteilen? Selbst Experten wie Extremismusforscher Peter Neumann oder Migrationsforscher Jochen Oltmer halten die Lage in dem Bürgerkriegsland für völlig unwägbar. Was kommt nach Assad? Welchen Kurs fahren die islamistischen Milizen?
Jetzt ist die Zeit, die Zivilbevölkerung in Syrien zu unterstützen, für Freiheit und Demokratie. Syrer in Deutschland könnten wertvolle Bindeglieder zwischen beiden Ländern werden – auch wenn es um den Wiederaufbau geht. Unternehmen aus Deutschland könnten dabei eine Rolle spielen.
Überhaupt die Wirtschaft: Dieser Tage hat der Chef eines mittelständischen Betriebes förmlich gebettelt, seine syrischen Mitarbeiter mögen bitte bleiben – sonst könne er den Laden zusperren. Das ist die Realität, Frau Lindholz. Ebenso, dass unser Gesundheitswesen ohne Migrantinnen und Migranten zusammenbrechen würde. Jede dritte Pflegekraft und jeder fünfte Arzt, jede fünfte Ärztin stammt mittlerweile aus dem Ausland, nicht wenige aus Syrien.
Allein die Debatte über Rückführungen verunsichert Menschen
Statistiken zeigen: Syrische Flüchtlinge hatten in Deutschland Anlaufschwierigkeiten, allein sprachlich. Ein Großteil von ihnen ist aber nach vier bis fünf Jahren in Lohn und Brot und stützt diese Gesellschaft. Eine Debatte wie die jetzige vom Zaun zu brechen, bedeutet Ausgrenzung: Wie willkommen bin ich in einem Land, das mich bei erster Gelegenheit wieder loswerden will? Bin ich vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft – oder doch eher Bürgerin oder Bürger zweiter Klasse?
Wir sollten uns überlegen, wie wir über (Mit-)Menschen sprechen. Die überzogene und verfrühte Rückkehrdebatte färbt negativ ab auf alle Geflüchteten. Im Übrigen ist sie auch ein Schlag ins Gesicht all jener Engagierten, die hierzulande – häufig ehrenamtlich – bei der Integration helfen.
Sehr geehrte Frau Lindholz, Sie versuchen zu relativieren. Sagen Sätze wie "Straftäter und Gefährder müssen sofort abgeschoben werden" oder adressieren an alle, "die sich nicht integriert haben, also zum Beispiel nach Jahren noch nicht arbeiten". Ihr Parteikollege Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister, lenkt den Blick auch wohltuend auf das, was gut läuft und mahnt zu mehr Sachlichkeit in der Debatte. Die kann in diesen Tagen nur guttun.
In diesem besinnlichen Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen dritten Advent,
mit freundlichem Gruß aus der Redaktion
Andreas Jungbauer, Redakteur
Wenn man sich länger mit ihrem Beitrag, ihrem Samstags Brief beschäftigt und auch mit den tatsächlich gesprochenen von Frau Lindholz oder auch die kompletten Beiträge von Herrn Spahn bewertet, ohne Teile daraus wegzulassen, habe ich mir persönlich die Frage gestellt, warum wählen Sie ihre Worte zu bewusst?
Die Antwort geben viele der Kommentatoren
Ich glaube, dass eines ihrer Ziele war, die rot-grüne Haltung zu stärken, aber auch bestimmte Kommentatoren zu animieren, die Beiträge in eine blaue Richtung zu lenken. Ich finde, dass man durchbewusste Wortsetzungen, das sogar vermeiden muss.
Es geht nicht um ein paar Prozente von irgendwas rauf und runter. Es geht um den Missbrauch dieses Themas auf diese Art und Weise, welches dazu führt, ein Lagerverhalten zu fördern.
Es muss gestattet sein, es muss sogar möglich sein, Positionen demokratisch zu besetzen und sich mit diesen sachlich auseinander zu setzen und nicht populistisch zu werden! Das ist nicht nöt
Wie schön es ist über die Politik und alle den " Verantwortlichen " usw. zu schimpfen und abzulästern .
Ken einziger Gedanke oder Lösungsvorschlag , wie man man das zum Wohle aller ändern könnte. Bessere Integration , schnellere Einbindung ins Berufsleben , Einbindung der
Assylanten in unsere Gesellschaft und Möglichkeiten die deutsche Sprache zu lernen.
Dazu gehört auch die schnellere Abschiebung von Straffälligen usw.
passt vieles überhaupt nicht zusammen.
Die meisten Kommentare hier zeigen nichts von Aussagen von Frau Lindholz wie abwarten und beobachten
Dass Straftäter vorrangig zurückgeschickt werden will doch jeder.
Alles vorgezogenes Wahlkampfgeplänkel
Hierzu mal eine zahlenmäßige Einordnung der syrischen Ärzte:
(Quelle: Deutsches Ärzteblatt): https://aerztestellen.aerzteblatt.de/de/redaktion/deutschland-arbeiten-woher-kommen-auslaendische-aerzte
Die Zahle der syrischen Ärzte ist 5758 von insgesamt 428.000
Also gerade mal 1,3 Prozent.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will Sie hiermit nicht angreifen. Mich stört es, dass die Berichterstattung immer diesen Verwertungsaspekt einstreut, um wohl eine Nützlichkeit zu betonen. Ich habe da ein massives Störgefühl.
und mich hat an dem Artikel folgendes gestört: man kann gerne "emotional" argumentieren - meinetwegen. So wie Sie mit dem Begriff "Menschsein".
Aber man darf das nicht mit falschen Fakten unterlegen und vermischen: wenn gerade mal 42% Syrer in Arbeit sind, ist das eben nicht die große Mehrheit. (Bei Syrischen Frauen sind es übrigens nach 4 - 5 Jahren nur 10 bzw. 14 %)
Und ein Gesundheitssysem wird vermutlich auch nicht "zusammenbrechen", wenn 1,3 % der Ärzte weggehen.
Mit "Verwertungsaspekt" hat das nichts zu tun.
Ein Großteil.
https://mediendienst-integration.de/migration/flucht-asyl/syrische-fluechtlinge.html
"Viele werden aber auch in Deutschland bleiben, weil sie sich hier eine neue Existenz aufgebaut haben. Weil sie hier arbeiten und Steuern zahlen."
Meine Quellen sind das Statistische Bundesamt, Pressemitteilungvon vorgestern(!)
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/12/PD24_N062_12.html
Dort steht wörtlich: "Rund 863 000 Menschen mit syrischer Einwanderungsgeschichte waren 2023 im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 64 Jahren. Davon waren 42 % bzw. 362 000 Personen erwerbstätig"
Samstagsbrief: "Statistiken zeigen: Ein Großteil von ihnen ist aber nach vier bis fünf Jahren in Lohn und Brot und stützt diese Gesellschaft"
Auch hier meine Quelle (Institut für Arbeitsmarktforschung)
https://iab.de/daten/syrische-arbeitskraefte-in-deutschland/
Nach Abb. 1 sind nach 4-5 Jahren 37 bzw. 42 % in Arbeit. Also keineswegs "ein Großteil".
Ihr müsst nun entscheiden, ob Ihr in Eure andere Heimat zurückkehren wollt oder in Eurer neuen Heimat bleiben möchtet.
Falls Ihr gehen wollt, werden unsere besten Wünsche Euch begleiten und wir danken Euch für die gemeinsame Zeit hier. Wenn Ihr bleiben wollt, seid Ihr, als Teil unserer Gemeinschaft, nach wie vor willkommen und wir freuen uns darüber, dass Ihr bleibt.
Eine solche Reaktion wäre aus meiner Sicht angemessen gewesen.
Solche Leute sind nicht regierungsfähig.
Verantwortungsvolle Politik ist das was der US Außenminister Johan Blinken und die dt. Außenministern Analena Baerbock tun. Der türkischen Rgierung klar machen, daß von den syrischen Türken keine Gefahr für die Türkei ausgeht und daß in ein stabiles Syrien viele Flüchtlinge zurückkehren. Denn die Türkei hat deutlich mehr syrische Flüchtlinge aufgenommen als D. Auch mit Israel muß gesprochen werden. Die Besetzung der Golanhöhen ist völkerrechtswidrig und dumm. Denn der heute starke Mann in Syrien hat seine Wurzel genau dort.