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Schweinfurt
Klaus Ernst antwortet auf den Samstagsbrief: Weniger Sanktionen gegen Russland, bedeutet "nicht weniger Solidarität mit der Ukraine"
Der Linken-Politiker verteidigt seine Haltung zum Ukraine-Krieg. Dass Moskau als unzuverlässiger Gaslieferant gilt, liege daran, "dass wir ein unzuverlässiger Abnehmer" sind, meint er.
Der Schweinfurter Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst (Die Linke)
Foto: Lino Mirgeler, dpa | Der Schweinfurter Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst (Die Linke)
Bearbeitet von Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:25 Uhr

Der Schweinfurter Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst lehnt Waffen für die Ukraine ab und würde die Gaspipeline Nordstream 2 von Russland nach Deutschland öffnen. Dafür wurde er vergangene Woche im Samstagsbrief von Redakteur Michael Czygan kritisiert. Nun hat der Linken-Politiker Ernst geantwortet:

Sehr geehrter Herr Czygan,

leider haben wir eine Debattenkultur, in der Kritiker von Wirtschaftssanktionen als Putin-Trolle, empathielos oder als Verräter bezeichnet werden. Der ukrainische Botschafter twitterte, ich würde "auf der Anklagebank des Nürnberger Tribunals 2.0 gegen die Russischen Kriegsverbrecher" landen.

So einseitig, wie die Zusammensetzung der Runde bei Frau Maischberger war, ist die Meinung der Bevölkerung glücklicherweise nicht. Auf die Frage, ob die Gaspipeline Nord Stream 2 in Betrieb gehen sollte, wenn nur so die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann, befürwortet das in einer aktuellen, repräsentativen Umfrage von INSA eine Mehrheit von 43 Prozent der Bevölkerung - 41 Prozent finden das falsch. Anhänger meiner Partei befürworten das zu 64 Prozent, selbst Unions-Sympathisanten stimmen mit 48 zu 36 Prozent zu.

"Unsere Wirtschaft ruinieren für die Ukraine? Mit ein bisserl frieren ist es nämlich nicht getan!"
Klaus Ernst, Die Linke

Trotz des achten Sanktionspakets eskaliert der Krieg weiter. Sie richten sich unter anderem gegen das russische Finanzwesen, beinhalten Ausfuhrverboten für Technik des Energiesektors und ein Embargo von Kohle und Öl. Diese Sanktionen sind ein Akt der Selbstzerstörung. Es war zu erwarten, dass Russland seinerseits auf unsere Sanktionen reagiert. Mich wundert, dass noch so lange geliefert wurde. Die Preissteigerungen auf den Energiemärkten sind die logische Folge. Die Preisexplosion für Gas und Öl lösen nicht nur bei Leuten mit kleinem Einkommen Existenzängste aus, sondern greifen auch das Ersparte der Mittelschicht an. Dabei haben viele Bürger ihre Nachzahlungen für Gas und Strom noch gar nicht erhalten.

Ganze Industriezweige fürchten um ihre Existenz. Die Zementherstellung, die Glasproduktion ist kaum noch rentabel. ArcelorMittal musste einen Hochofen stilllegen. Medien berichten von einem Bäcker, dessen Energiekosten von 5.900 auf 75.000 Euro um 1200 Prozent gestiegen sind. Das Handelsblatt befürchtet eine De-Industrialisierung in weiten Teilen Europas, unter anderem durch den Umstand, dass die Gaspreise in den USA ein Zehntel des europäischen Preises betragen. Dieser Konkurrenznachteil wird langfristig sein.

Sie meinen, Herr Czygan, "auch wenn das zu Wohlstandsverlusten führt, diesen Preis müsste man zahlen"? Unsere Wirtschaft ruinieren für die Ukraine? Mit ein bisserl frieren ist es nämlich nicht getan!

Nein, das möchte ich nicht! Zumal die von unseren Sanktionen ausgelösten Preisexplosionen auch noch Russlands Kassen füllen. Gazprom, der russische Gaskonzern, hat seine Gewinne verdreifacht. Er verdient an den gestiegenen Ölpreisen.

Natürlich ist es richtig, jetzt schnell erneuerbare Energien auszubauen, aber das wird trotz aller Beschleunigung dauern. Auch der Weg, andere Lieferanten zu suchen ist richtig, aber die Ergebnisse der Bemühungen von Herrn Habeck sind mehr als bescheiden. Davon musste ich mich auf einer Reise nach Qatar und in die Arabischen Emirate leider überzeugen.

Wenn wir drohenden Schaden abwenden wollen, was tun? Sie, Herr Czygan, empfehlen darauf zu achten, "dass den sogenannten kleinen Leuten geholfen wird und die Lasten gerecht verteilt werden". Das machen wir auch. Natürlich fordern wir einen Strompreisdeckel, Anhebung der Regelsätze für Bezieher von Hartz 4, das Abschöpfen der Übergewinne, Hilfen, die direkt ausgezahlt werden. Aber das Stopfen von Löchern fegt allerdings höchstens die Scherben weg, ohne jedoch den Elefanten aus dem Porzellanladen zu scheuchen. Und der Elefant sind unsere Sanktionen.

Deshalb ist es richtig mit Russland zu verhandeln und auszuloten unter welchen Bedingungen wir wieder Gas bekommen. Wenn der Preis dafür die Zurücknahme von einigen Wirtschaftssanktionen ist, so finde ich, sollten wir in unserem eigenen Interesse dafür bereit sein. Russland hat selbst im Kalten Krieg zuverlässig geliefert. Dass es zurzeit als unzuverlässiger Lieferant gilt, liegt eher daran, dass wir ein unzuverlässiger Abnehmer geworden sind. Das bedeutet nicht weniger Solidarität mit der Ukraine. Weitere humanitäre, infrastrukturelle und finanzielle Unterstützung halte ich für richtig.

Bleibt die Frage nach Waffen. Nein! Je mehr Waffen der Westen liefert, desto mehr Menschen werden ihr Leben verlieren. Jetzt Geländegewinne für die Ukrainer, die folgende Teilmobilmachung in Russland mit anschließender Offensive. Schon längst sind wir für Russland der Feind und Russland für uns. Die Gefahr, dass es zu einer atomaren Auseinandersetzung kommt, steigt mit jedem Tag. Verhandlungen zur Beendigung des Krieges müssen so schnell wie möglich aufgenommen werden! Wenn Erdogan einen Kompromiss bei Getreidelieferungen zustande gebracht hat, bedeutet, dass Verhandlungen möglich sind.

Klaus Ernst

 
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  • E. S.
    Sehr gute Antwort auf den Samstagsbrief Herr Ernst.
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  • M. B.
    Deutschland ist in einer Zwickmühle. Das war Putins Plan von Beginn an. Er wusste dass er uns mit seinem Gas erpressen kann. Diplomatie funktioniert auch nicht wirklich. Somit sind Sanktionen richtig und wichtig. Dieser Krieg in der Ukraine ist mittlerweile sehr komplex.
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  • S. C.
    Wer hat nochmal Nordstream 2 verhindert, war das Putin?
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  • M. W.
    @nogel: Ja, letzten Endes war es Putin, indem er im letzten Moment seine wahre Fratze offenbart hat.
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  • S. C.
    Falsch. Der Ukrainekrieg war später als die Entscheidung über Nordstream 2.
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  • M. W.
    @nogel: Schon wieder so eine Behauptung. Nach dem 24.2.22, dem Beginn Putins Invasion in der Ukraine, wurde seitens der Bundesregierung die Genehmigung von Nord Stream 2 auf Eis gelegt.
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  • G. K.
    Falls man nur den Überfall auf die Ukraine als solchen betrachtet, haben Sie in Bezug auf das Datum des Angriffs (24.02.2022) formal gesehen sogar Recht, nogel.

    Aber Putins Aggression gegen die Ukraine nur auf den Tag des Überfalls zu reduzieren, wird der Sache ja nicht gerecht.

    Die Entscheidung der Bundesregierung, die Zertifizierung von NS2 auszusetzen, war eine Reaktion auf die offensichtlichen Kriegsvorbereitungen Putins (Anerkennung der Unabhängigkeit der Separatistengebiete, Militärmanöver/Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze, Androhung/Ankündigung des Einmarschs).

    Und als REAKTION DARAUF hat die Bundesregierung am 22.02.2022 verkündet, NS 2 vorerst auf Eis zu legen. Und es bleibt somit eine REAKTION AUF RUSSLANDS AGGRESSION und ESKALATION, da können Sie selektiv Kalenderdaten von Einzelereignissen anführen, so lange Sie wollen …

    Können Sie hier gerne nachlesen: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/scholz-nordstream-101.html
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  • M. W.
    Keine Ahnung!
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  • U. A.
    Jemanden wie Herrn Ernst und seine SED-Nachfolger braucht kein Mensch.

    Die Kommunisten haben noch nie etwas getaugt, geschweige denn auf die Reihe gebracht.
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  • P. B.
    Schon damals war das Gerede von den abgrundtief bösen Russen, die sich als Menschen so fundamental von uns guten und edlen Nato-Demokraten unterschieden unerträglich.

    Also war die Mauer der DDR Abschreckung das der Westen nicht einfach in die Ostgebiete einmarschiert. Ich kenn keinen einzigen der von Westen in den Osten erschossen wurde. Ganz im Gegenteil von Menschen von Ost nach West. Also erzählen Sie kein so ein Mist. Als ob die USA jemals vor hatten Ostdeutschland zu befreien. Wie kann man nur so querdenken.
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    Jetzt entspannen Sie mal und versuchen Sie es mit weniger Aggressivität. Oft hilft schon ein gutes Glas Wein. Für Sie speziell würde ich einen halbtrockenen Primitivo empfehlen.
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  • P. B.
    Für Sie speziell würde ich einen halbtrockenen Primitivo empfehlen.

    Denn geb ich gerne wieder an Sie zurück. Sie haben diesen halbtrockenen scheinbar schon Kisten weise getrunken.
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    Als Nichtraucher und Nichttrinker - schließlich möchte ich ja noch recht viele Jahre meine Ruhestandsbezüge gesund und fit genießen - war mir dieses zweifelhafte Vergnügen leider versagt.
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  • G. K.
    Aber vielleicht ist es ja auch der Nebel der Gleichgültigkeit, der den Geist vieler Menschen umwabert und ihrer Urteilsfähigkeit die klare Sicht nimmt.

    Oder wie es angeblich Papst Gregor der Große so wunderbar formuliert hat:

    „Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht.“

    Es ist Krieg. Und dieser Krieg kann (wieder einmal) nur deswegen geführt werden, weil er viel zu viele Menschen nicht interessiert, weil sie nur daran denken, ob und in welchem Maße sie höchstselbst betroffen sein könnten und weil ihr Vorstellungsvermögen einfach nicht dafür ausreicht, was Krieg für die unmittelbar betroffenen Menschen bedeutet.

    Gleichgültigkeit ist die eigentliche Geißel der Menschheit!
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Bevor man mit Querdenken kommt, sollte man erst einmal denken und sich über geographische Begriffe wie "Ostgebiete" und historische und politische Entwicklungen wie "Kalter Krieg", "Ost-West-Konflikt" und "Wiederbewaffnung" im klaren sein.

    Die kalten Krieger und die Stahlhelmfraktion in der alten Bundesrepublik hatten zwar auch wenig Sympathie für die DDR, aber sie wußten wenigstens, dass die Mauer nicht in erster Linie der Abtrennung Königsbergs/Kaliningrads diente und vermischten nicht willkürlich völlig unterschiedliche Sachverhalte.
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  • D. P.
    „Bleibt die Frage nach Waffen. Nein! Je mehr Waffen der Westen liefert, desto mehr Menschen werden ihr Leben verlieren.“

    Je mehr Soldaten Russland schickt, umso mehr Menschen werden sterben. Warum gibt es eigentlich keine offenen Briefe an Putin, die die Teilmobilmachung kritisieren? Warum kritisiert man lieber Ukrainer, die ihre Souveränität gegenüber einen Aggressor verteidigen wollen? Und was würde mit Ukrainern passieren, wenn man keine Waffen mehr liefern würde? Würde Russland dann die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung sofort einstellen? Falls ja, woher kommt diese Sicherheit? Gibt es Garantien?
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  • M. B.
    Richtig ist das Waffen grundsätzlich keine Lösung sind. Hätte man jedoch die Ukraine nicht mit Waffen unterstützt , wie wäre der Krieg verlaufen? Wären Putins Soldaten im Baltikum und in Moldau? Aktuell sind wir in einer Phase die zwar immer verzwickter scheint jedoch schwindet der Rückhalt für Putins Krieg in Russland immer mehr. Der Krieg ist im Herbst 22 im Wohnzimmer der Russen angekommen. Die Propaganda kann ihn nicht mehr vertuschen. Das ist schlimm für die russischen Familien jedoch eine Chance diesen Krieg zu beenden.
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  • A. S.
    Der Irre aus Moskau betreibt als KGB Mann die Spaltung Europas, und Selbstverliebte wie der Porsche Ernst versuchen sich als Spalt_Axt. So billig und durchsichtig das ist, so verfängt es doch bei vielen Menschen die einfache Lösungen suchen.
    Auch wenn der Weg schwierig ist, so muss man doch den Unterschied von richtig und falsch erkennen. Für die, die es gerne einfach haben: Begab geht immer leichter!
    Wenn man an Problemen was ändern will, hilft nur schonungslose Offenheit. Beten, ideologische Parolen und dumpfe Lügen helfen nicht.
    Die Linke hätte eine Berechtigung, wenn sie sich von den korrupten Sprachrohren Putins lösen könnten. Da dies aber noch nicht mal die SPD schafft...
    Der Dreck kann weg!
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    Treffende Antwort von Klaus Ernst. Die Sanktionen gehen nach Hinten los und schaden uns mehr als Putin. Kein Mensch kann sich diese Politik leisten. Die Neugrünen und ihre Doppelmoral und das falsche Gerede vom Unterwerfungspazifismus sind unerträglich. Schlimmer noch sind aber die alten Grünen wie Fücks, Kretschmer, Büttokhofer und Co: Wenn man im Bund westdeutscher Kommunisten, oder in der Kommunistischen Partei Deutschlands Aufbauorganisation in der Jugend wirre Sprüche auswendig gelernt hat, hat man offensichtlich auch im Alter nicht mehr drauf als die dämliche Maoleier, die in den 70Jahren schon peinlich war.
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  • D. P.
    Verrückt, was diese Grünen schon wieder geschafft haben. Der Großteil der Bundesregierung und Europas, nicht zu vergessen die NATO, einfach „neugrün“.
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