zurück
Manager
Herr Cryan, warum sind Abfindungen wie bei Ihnen so hoch?
Im Geschäftsbericht der Deutschen Bank steht, dass der rausgeworfene Chef John Cryan eine Millionenabfindung bekommt. Warum eigentlich? Und wieso immer diese Summen?
John Cryan war von Juli 2015 bis April 2018 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank. Seinen Rauswurf lässt sich die Bank Millionen kosten.
Foto: Boris Roessler, dpa | John Cryan war von Juli 2015 bis April 2018 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank. Seinen Rauswurf lässt sich die Bank Millionen kosten.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:02 Uhr

Sehr geehrter John Cryan,

gleich zu Beginn ein Geständnis: Ja, ich bin neidisch. Neidisch darauf, dass Sie als in die Wüste geschickter Chef der Deutschen Bank nun fast 11 Millionen Euro an Abfindung und Entschädigung bekommen. Um diese Summe zu erreichen, müsste ich - grob gerechnet - 160 Jahre lang arbeiten. Also nochmal: Ich bin neidisch.

Da hilft mir auch die Volksweisheit wenig, wonach Geld nicht zwangsweise glücklich macht. Sei's drum, ich will die Angelegenheit im Folgenden ohne Emotionen angehen. Und so kommen mir gleich Rechenbeispiele in den Sinn: 11 Millionen Euro, damit hätte man der Stadt Münnerstadt bei Bad Kissingen im vergangenen Jahr sämtliche Investitionen finanzieren können. Denn 11 Millionen Euro war das Volumen des Vermögenshaushaltes.

Anzeige für den Anbieter X über den Consent-Anbieter verweigert

Oder: Für 11 Millionen Euro hätte man einen gehörigen Teil der plötzlichen Kostenexplosion bei der laufenden Sanierung des Segelschulschiffes Gorch Fock auffangen können. Zugegeben, bei der Gorch Fock kann man viele Sinnfragen stellen. Aber das ist ein anderes Thema.

Die allseits bekannte Frage, wie viele hungernde Menschen auf dieser Welt man mit 11 Millionen Euro auf einen Schlag hätte satt machen können, spare ich mir. Bleiben wir lieber bei Ihnen, Herr Cryan. Sie waren von Juli 2015 bis April 2018 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank - am Anfang noch an der Seite von Jürgen Fitschen, später allein. In den Jahren davor waren Sie unter anderem in führenden Positionen bei anderen Geldhäusern beschäftigt gewesen und damit Manager. Oder sehr nah dran an diesen Kreisen.

Insofern unterstelle ich Ihnen, dass Sie die Gepflogenheiten in dieser gesellschaftlichen Stratosphäre genau kennen. Dann können Sie mir doch bestimmt erklären, warum Abfindungen von Managern immer gleich mit Beträgen daherkommen, die den berühmten Otto Normalverbraucher schwindlig und neidisch werden lassen.

Dazu muss erwähnt werden, dass Sie für die knapp drei Jahre an der Spitze der Deutschen Bank insgesamt fast 22 Millionen Euro als Vergütung erhalten haben. Das waren 21 600 Euro pro Tag, haben kluge Köpfe ausgerechnet.

In einem solchen Betrag sehe ich einen gehörigen Teil als Entschädigung dafür, dass man Sie mal rauswirft. Eine eingebaute Abfindung also. Das wäre dann für mich nachvollziehbarer als das, was jetzt an Extrageld geflossen ist.

Ich unterstelle Ihnen noch etwas: Als Bankchef waren und sind Sie Top-Profi bei der Frage, wie man so viel Geld gut anlegt. Also werden Sie genug zur Seite getan haben, um auch ohne Vorstandsvorsitz Ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Wozu also noch die 11 Millionen Euro Abfindung?

Per Definition ist eine Abfindung wie in Ihrem Fall eine einmalige Zahlung des Arbeitgebers für die Tatsache, dass der Arbeitnehmer mit der vorzeitigen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einverstanden ist. Oder mit dem Worten des Volksmundes: Firma wirft Arbeitnehmer viel Geld hinterher, damit er endlich geht. Ihre Zeit bei der Deutschen Bank gilt ja nicht als besonders erfolgreich.

Abfindungen sollen auch dazu dienen, dem ausscheidenden Mitarbeiter die finanziellen Nachteile des Arbeitsplatzverlustes zu verringern. Nun werden Sie mich nicht in Ihre Vermögensverhältnisse einweihen, Herr Cryan. Müssen Sie auch nicht. Aber deuten Sie doch zumindest mal die Antwort auf die Frage an: Haben Sie nach knapp drei Jahren mit Millionengehalt finanzielle Nachteile aufgrund Ihres Ausscheidens?

Anzeige für den Anbieter X über den Consent-Anbieter verweigert

Wie man hört, leben Sie mittlerweile im beschaulichen Hafenort Annapolis unweit der US-Hauptstadt Washington. Auch wurden Sie schon auf Mallorca gesehen. Überhaupt haben Sie sich offenbar komplett ins Private zurückgezogen. Ruhe und schöne Orte seien Ihnen gegönnt.

Freilich zeigt Ihre Karriere bis hin zum Chefsessel bei der Deutschen Bank, dass Sie stets aufs Neue auf einflussreichen (und gut bezahlten) Firmensesseln Platz genommen haben. So als Manager wohlwollend weitergereicht zu werden, ist in diesen Kreisen ja nichts Ungewöhnliches.

Bei Ihnen darf man also damit rechnen, dass Sie auf kurz oder lang wieder an einem gut dotierten Steuerrad stehen werden. Dann kann der finanzielle Nachteil ja wohl nicht so groß sein, dass er eine Elf-Millionen-Abfindung rechtfertigt.

Sehr geehrter Herr Cryan, sehen Sie es mir nach, dass ich all die Fragen rund um horrende Abfindungen jetzt allein Ihnen stelle. Ich weiß, dass sich auch andere Top-Manager ihren Rausschmiss haben vergolden lassen. Wendelin Wiedeking einst bei Porsche, Klaus Esser bei Mannesmann oder Thomas Middelhoff bei Bertelsmann mögen als weitere schlagzeilenträchtige Beispiele gelten. Und dabei ging es sogar um noch viel mehr Geld als bei Ihnen.

Kurzum, Herr Cryan: Womit haben Menschen wie Sie solche Summen für den Abschied verdient? Erklären Sie es mir bitte. Schon deshalb, damit ich nicht mehr neidisch bin.

Mit freundlichen Grüßen aus Würzburg, Jürgen Haug-Peichl

Einer bekommt Post: der "Samstagsbrief"
Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Das ist ein offener Brief, den ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir vom Adressaten Post zurück. Die Antwort und den Gegenbrief, den Briefwechsel also, finden Sie dann auf jeden Fall bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet die Antwort desjenigen, der den "Samstagsbrief" zugestellt bekommt, ja auch Anlass für weitere Berichterstattung – an jedem Tag der Woche.
Anzeige für den Anbieter X über den Consent-Anbieter verweigert
Umfrage
Ted wird geladen, bitte warten...
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Jürgen Haug-Peichl
Arbeitgeber
Bertelsmann AG
Deutsche Bank
Emotion und Gefühl
Freude
Geschäftsberichte
Gorch Fock
Jürgen Fitschen
Klaus Esser
Managerinnen und Manager
Mannesmannröhren-Werke AG
Mitarbeiter und Personal
Porsche
Samstagsbrief
Thomas Middelhoff
Topmanager
Vorstandsvorsitzende
Wendelin Wiedeking
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • grafer.andy@t-online.de
    solche "top-leute" wie der herr cryan haben sich solche unsummen für den abschied nicht verdient, sie haben sie sich ausgehandelt.
    und irgendjemand hat dem ganzen zugestimmt.
    die 21600€ die der gute mann am tag "verdient" hat erklären sich ja damit, das man solche summen zahlen muss um solche "top-manager" zu bekommen, auch wenn er am ende wie im bericht zu lesen ist "nicht sonderlich erfolgreich war"...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Eigentlich stellt sich die Frage nicht, denn es geht Sie und mich und andere einen feuchten Kehrricht an, welche vertraglichen Bedingungen zwischen der Deutschen Bank und Herrn Cryan vereinbart wurden. Wie sieht denn Ihr Vertrag als Redakteur aus? Sie könnten sich doch auch als Vorstand bei der Deutschen Bank bewerben, wenn Sie mit Ihrem Vertrag nicht zufrieden sind!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten