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ANTWORT AUF DEN SAMSTAGSBRIEF
"Die Sprache ist der Schlüssel zur Gleichberechtigung"
BGH verhandelt über Klage einer Sparkassenkundin       -  Die Feministin Marlies Krämer zog vors Verfassungsgericht.
Foto: Uli Deck, dpa | Die Feministin Marlies Krämer zog vors Verfassungsgericht.
Bearbeitet von Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:45 Uhr

Marlies Krämer sorgte vor einiger Zeit für Schlagzeilen, weil sie gegen die ausschließliche Verwendung von männlichen Begriffen in Formularen kämpfte. Konkret wollte sie vor dem Bundesgerichtshof die Sparkasse Saarbrücken dazu verpflichten, in ihren Formularen nicht ausschließlich von „Kunden“ oder „Kontoinhabern“ zu sprechen, sondern auch von „Kundinnen“ und „Kontoinhaberinnen“ – für Redakteur Benjamin Stahl Aktionismus einer Sprachpolizistin. Auf seinen Samstagsbrief hat Marlies Krämer nun geantwortet:

„Mit der sprachlichen Ausgrenzung beginnt die patriarchale Ausbeutung von Frauen! Die Sprache bestimmt unser gesamtes Gesellschaftsverhalten, auch wenn es einige immer noch nicht wahrhaben wollen. Die Sprache ist unser wichtigstes Integrationsmittel und unser höchstes Kulturgut!

Aber wir Frauen kommen in unserer Muttersprache nicht vor! Als gäbe es uns gar nicht, obwohl wir mit 52 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung darstellen! Ich lege deshalb großen Wert darauf, bekennende Feministin zu sein.

Die feministische Vorkämpferin, Simone de Beauvoire, hat sinngemäß gesagt: „Frauen die nichts fordern, kriegen auch nichts!“ Olympe de Gouges (ebenfalls Französin) verfasste 1791 – also schon vor 227 Jahren – ihr Manifest über die Rechte der Frau und Bürgerin, das mit den Worten begann: „Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne ebenbürtig in allen Rechten!“ Sie wurde deshalb inhaftiert und musste zwei Jahre später – am 3. November 1793 – durch die Guillotine sterben!

Da kann ich ja froh sein, dass es heute keine Guillotine mehr gibt. Aber ich bin sicher, wenn manche könnten, wie sie nicht dürfen, würde ich schon lange als Asche durch die Luft fliegen. Der überzeugte Sozialdemokrat, Erhard Eppler, hat schon vor Jahren gefordert: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden!“ Und der Dichterfürst Goethe hat bereits in seinem Faust l gesagt: „Wir sind gewohnt, dass die Menschen verhöhnen, was sie nicht verstehen!“

Genau das haben die Karlsruher Richter (hier benutze ich bewusst das generische Maskulinum) mit ihrer Entscheidung am 13. März 2018 getan. Kraft der Judikative (die richterliche Gewalt im Staat) haben sie dieses Macht- und Gewaltmonopol benutzt, um die Mehrheit der Bevölkerung ihrer sprachlichen Existenz zu berauben und sie damit zu diskriminieren, bzw. zu verhöhnen.

Der französische Philosoph, Emile-Auguste Chartier (1868-1951) nennt Worte die „Füße der Gedanken“. Bei uns werden die Worte, die die Füße der Gedanken sind, um die weiblichen Endungen gekürzt, damit sie griffiger sind, weil so das Sprechen weniger umständlich sei. Viele Frauen vertreten auch die Meinung, dass sie es gar nicht nötig haben, sprachlich auf großem Fuß zu leben!

Bis dato ist es so, dass sich alle, die sich für die gleichbrechtigte Sprache einsetzen, mit Hämen, Spott und Hohn mundtot gemacht werden sollen; aber das funktioniert nicht mehr, weil sich sehr viele Frauen und Männer gegen die ausschließlich männliche Sprache wehren. Immer mehr werden sich der Tatsache bewusst, dass wir Frauen durch die sprachliche Ausgrenzung eine gesellschaftliche Diskriminierung und damit eine viel geringere Wertschätzung erleiden als die Männer, die immer präsent sind, während wir Frauen tot geschwiegen werden!

Die daraus resultierende sozial ungerechte und ungleiche Behandlung von Frauen, zeigt sich in allen Lebensbereichen, hier nur drei Beispiele:

Erstens leisten (Familien)Frauen die fundamentale (Schwerst)Arbeit für Staat und Gesellschaft! Zum Nulltarif! Ohne eigene Krankenversicherung! Ohne eigene Rente! Wir fordern deshalb die Hälfte der bezahlten Arbeit und Macht! Wir geben dafür die Hälfte der unbezahlten Hausarbeit!

Zweitens erhalten Frauen bei gleicher Arbeitsleistung immer noch 25 Prozent weniger Lohn als Männer!

Drittens müssen Frauen fürs Haareschneiden – bei gleicher Frisur und Arbeitsleistung – mehr als doppelt soviel zahlen wie Männer (selbst erlebt) obwohl sie durch die patriarchale Struktur weniger Geld zur Verfügung haben als Männer – was von der männlich dominierten Friseurinnung so bestimmt wird!

Die Sprache ist folglich der Schlüssel zur Gleichberechtigung.

Bei dem generischen Maskulinum wird immer behauptet, das sei schon immer so gewesen, weil es sich um eine 2000 Jahre alte Sprache handele. Für diese Behauptung – die lediglich das generische Maskulinum stützt – gibt es keinerlei empirische Daten, die das belegen. Hinzu kommt, dass es vor 2000 Jahren noch kein Bankensystem gab, das mit dem heutigen vergleichbar wäre.

Folglich gab es nach heutiger Erkenntnis noch keine Kundinnen/Kunden im herkömmlichen Sinne. Hier drängt sich der Verdacht auf, ob diese Lüge, bzw. Falschaussage – 2000 Jahre alte Sprachregel – solange wiederholt worden ist, bis sie zur unumstößlichen Wahrheit wurde?!

Folglich sollen damit nur Jahrtausende alte, patriarchale Gewohnheiten und Traditionen gefestigt werden, damit die uns bestimmende männlich geprägte Gesellschaftsstruktur in diesem unerträglichen Maße erhalten bleibt!

Hinzu kommt, dass im Grimmschen Wörterbuch die feminine Sprache noch selbstverständlich war. Das generische Maskulinum erreichte seinen Siegeszug mit dem Wahlrecht für Frauen, als sie zum Bürger und Wähler umfunktioniert wurden. Alte verkrustete Traditionen und Gewohnheiten, auf die sich immer berufen wird, sind gesellschaftlich festgezurrte Fesseln, die keine positiven Veränderungen zulassen!

Meine diesbezügliche Erkenntnis: Die geistige Kurzsichtigkeit des Patriarchats geht konform mit politischer Blindheit und verhindert dadurch folgerichtiges Denken und Handeln!

Der Konflikt-und Friedensforscher (Uno-Berater) Prof. Johan Galtung sagt: „Wir werden von der Sprache dressiert!“ Und weiter: „Frauen, lasst Euch nicht länger gefallen, dass Ihr sprachlich ausgegrenzt werdet!“

Kurt Tucholsky sagt uns: „Wer die Sprache beherrscht, beherrscht auch das Denken der Menschen!“

Wir Frauen haben jedoch das verfassungsmäßig legitime Recht und den Anspruch – als Frau – in Sprache und Schrift erkennbar zu sein!“

 
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