
"Wenn ich jetzt noch ein Hörgerät trage, sehe ich ja bald aus wie mein eigenes Publikum!" Ist das schon eine Zuschauerbeschimpfung, die sich Andy Sauerwein da leistet? Willkommen im Würzburger Bockshorn, bei der Comedy Lounge. Der Saal ist hübsch gefüllt, 40. Geburtstag feiert Sauerwein an diesem Tag. Und weil er sich fühlt "wie Mitte 20", zieht er mal eben über jene her, die da vor ihm sitzen. Also noch einen: "In der Straßenbahn, wenn da Rentner reinkommen, da steh' ich nimmer auf."
Halt, stopp. 40. Geburtstag? Auf der Bühne? Tja, es ist nun mal so, dass Comedy ein recht langfristiges Geschäft ist. Und dass im Bereich der Etablierten und Großen schon Jahre voraus Auftritte gebucht, Gastspiele geplant, Spielpläne organisiert werden. Mit Mathias Repiscus vom Bockshorn saß Comedy-Lounge-Macher Andy Sauerwein schon vor gut einem Jahr zum Termine-Ausmachen zusammen. Auftritt am Donnerstag Mitte Oktober - passte.
Am nächsten Tag sei ihm dann eingefallen - upps, eigener Geburtstag, und ein ziemlich runder. Aber, erzählt Sauerwein, "deswegen eine Lounge" absagen? Es blieb beim Termin. Und so stehen bei der Oktober-Runde der Show, die - Achtung, Versprechung! - "die besten Comedians aus ganz Deutschland in einer Show präsentieren" will, besondere Gäste auf der Bühne. Jubilar Sauerwein hat sich Leute eingeladen "die ich von Anfang meiner Kabarett-Karriere kenne".
Wie den Bamberger Götz Frittrang. Der in einer Art "Götzendämmerung" in aller Ausführlichkeit erzählen kann, wie ihm ohne Frühstück beim langen Sonntagsgottesdienst im Angesichts des asketischen Gekreuzigten der Magen knurrt und - Hostien sättigen halt nicht - er das Predigten und Beten kaum mehr aushält und er dann trotz Hochsommer im Biergarten eine riesige Bratwurstplatte samt Gerupftem - "Käse mit Butter, der Neutronenstern des Fetts" - vertilgt und . . . um Frittrangs Ausführungen abzukürzen: Es endet in der Gallenstein-Operation.

Frittrang sei einst dabei gewesen bei seinem allerersten Comedy-Lounge-Auftritt in der Disharmonie in Schweinfurt, erzählt Lounge-Leiter Sauerwein. Als Student im dritten Semester sei er so nervös gewesen, dass er damals stur sein Lied runter sang und ständig mit den Zähnen aufs Mikro knallte. Es blieben blutige Lippen - und hinter der Bühne der lakonische Rat des zwei Jahre älteren, einige Auftritte erfahreneren Kollegen: "Scheiß Lied, aber an der Nummer mit dem Mikro solltest Du weiterarbeiten."
Sauerwein machte weiter. Und beißt heute nicht mehr verkrampft ins Mikrofon, sondern gibt bei der Comedy Lounge selbst den lässigen Gastgeber und Conferencier. Nicht nur in Würzburg, sondern auch in Schweinfurt und in Magdeburg. Denn das Format, das Florian Hoffmann - auch Gast und Akteur bei der dienstlichen Geburtstagsparty! - vor 18 Jahren im Würzburger Theater Chambinzky begründet hat, ist . . . eben kabarettistisch volljährig und erwachsen geworden.
In zwölf Städten gibt es die Show, die mal reine Nachwuchsplattform sein sollte und wollte, inzwischen. Würzburg, Mainz, München, Chemnitz, Augsburg . . . überall wollten Kollegen ähnliches oder gleiches machen: Ein amüsanter Moderator - neben Sauerwein auch Florian Simbeck und Thomas Kornmaier - bittet einen Abend lang Anfänger auf die Bühne. Und Altgediente, die arm, aber ruhmreich noch mal im Scheinwerferlicht stehen dürfen.
Sauerwein hatte erst in der Disharmonie Mathias Tretter als Moderator abgelöst. Es dann auch in Aschaffenburg im Kino und im Frankfurt in einer Halle versucht - "aber da kam nie so wirklich Stimmung auf". Immerhin, er "lernte durch die Pleite da sehr viel" - und seit dem Zehnjährigen 2011 ist der Kabarettist und Musiker mit verschmitztem Lächeln, strahlenden Zähnen und unblutigen Lippen der Frontmann und Organisator in Würzburg.

"Von früher" hat sich Sauerwein zum Vierzigsten neben Frittrang und Hoffmann noch Georg Koeniger geladen, der wild und höchst rhythmisch auf einem unsichtbaren Schlagzeug einen Abgesang auf Donald Trump trommelt. Und Thomas Kupferschmidt, der von Anfang an und eh immer dabei ist, auch wenn er inzwischen die Geschehnisse des Monats im Sitzen kommentiert.
In Würzburg hat die "Comedy Lounge" übrigens eine kleine Tour durch "Locations" hinter sich. Vom Chambinzky ging es vor vier Jahren erst in eine ausrangierte Maschinenhalle auf dem Bürgerbräu-Gelände, das da gerade Baustelle war. Dann ins Siebold-Museum, dann ins "Cairo". Das Stammpublikum nahm man mit.

Aber "Cairo" - der kleine Raum im Jugendkulturzentrum passte mit der Professionalisierung und den gestiegenen Ansprüche nicht recht zusammen. "Super Künstler, aber zu wenig Zuschauer", sagt Sauerwein zu den anderthalb Jahren im Cairo. In der Schweinfurter Disharmonie sei die Lounge ein "Selbstläufer" und alles "ganz heimelig und familiär". In Magdeburg seien die Zuschauer "sehr kontaktfreudig, fast ein bisschen zu sehr."
Und in Würzburg kam eines Tages Mathias Repiscus mit dem Terminkalender und dem Angebot, den loungigen Monatstreff doch in seinem Kulturspeicher-Keller zu verbringen. Seit Frühjahr bespielen die Comedians also dort die große etablierte Bühne. Nicht nur vor Publikum über 40 Jahren. Und die Auftritte für 2020 sind auch schon gebucht.
Termine der Comedy Lounge: Wieder am 28. November und 26. Dezember zum "Christmas Special" im Bockshorn Würzburg, 20.15 Uhr. Am 27. November und 18. Dezember in der Schweinfurter Disharmonie, 19.30 Uhr. Infos: www.comedylounge.de