Es ist kalt. Es ist staubig. Aus den Wänden ragen nackte Glühbirnen. Im Foyer steht Wasser, die Bühne wird von Baugerüsten begrenzt, hässliche Strahler verbreiten grelles Licht. Die erste Comedy Lounge im neuen Quartier, der Maschinenhalle auf dem Bürgerbräugelände in der Zellerau, findet auf einer Baustelle statt. Trotzdem erleben die rund 200 Besucher am Donnerstagabend eine fulminante Premiere.
„So sieht es also aus, wenn etwas seit dem 1. September fertiggestellt ist“, sagt Andy Sauerwein und lässt den Blick über die Widrigkeiten des Veranstaltungsorts schweifen. Er ist Moderator, Protagonist und Organisator der Comedy Lounge. Er hat in den sozialen Netzwerken getrommelt für die Kult-Veranstaltung, die viele Jahre im Chambinzky stattfand und nun umgezogen ist. Er hat Plakate aufgehängt, Werbung geschaltet.
Nun steht er in dieser unwirtlichen Umgebung vor 200 Gästen – und spielt seine Aufregung und seinen Unmut über die Unzulänglichkeiten charmant und ganz professionell einfach weg. Erzählt den Leuten, dass der Baustellendreck kein Baustellendreck ist, sondern Feenstaub. Stellt fest, dass „die meisten doch nur gekommen sind, um die alte Maschinenhalle mal von innen zu sehen“. Mutmaßt, dass „die Eröffnung des Zeller Bock synchron geschaltet wird mit der Einweihung des Berliner Flughafens“.
Schon hat er das Publikum, neben eingefleischten Comedy-Lounge-Fans auch viele „Neue“, in der Hand. El Mago Masin, der Mann aus Nürnberg, mit den langen Rastalocken, der Gitarre und den ungeheuer schrägen Gedanken, die er so virtuos in Worte fassen kann, hält die Leute fest. Was zählen schon kalte Füße, wenn er auf seine unnachahmliche Art kund tut, dass Tupperware jetzt einen Dildo im Programm hat. Und dass es „Alpha-Kevins“ gibt, die ihre Rolle im Leben als „Anführer von Deppenrudeln“ gefunden haben. Wenn er dann auch noch einen toten Fuchs besingt, den er im Regen findet, den er schön fönt und blau anmalt und ihn an einen Hund bindet – dann möchte man gar nicht, dass er aufhört zu singen und zu spielen und zu lächeln.
Thomas Kupferschmidt erklärt dem Publikum mit klugen, geschliffenen Texten die Welt. Wirtschaftsflüchtlinge, sagt er, „sind die reichen Konzerne, die vor den deutschen Steuern in andere Länder fliehen“. Dass das Ergebnis des 300 Millionen teuren Gipfels in Elmau „ein Gruppenbild war“. Und dass für Innenminister Thomas de Maiziere „Schlepper Leute sind, die hoch zufriedene Menschen aus ihrer blühenden Heimat in klapperige Boote locken.“
Keine leichte Kost für eine Comedy-Veranstaltung, aber sehr fein serviert. Zumal der Deutschlehrer auch lustig kann. Zum Beispiel, wenn er erzählt, wie er in wenigen Tagen „den Jakobsweg“ gemacht hat. „Bis Ochsenfurt mit der Vespa“, danach „mit einem VW Polo“.
Natürlich auch mit dabei : „Andy Sauerwein und die Federweißen“. Ein erfrischender Song über O2, den Garanten für „keinen Handyempfang“, ein böser über den Sohn, der dem alten Vater den Rollator platt sticht und ihm Viagra in den Kaffee gibt, weil er ihn als Kind „nicht das Sandmännchen im Fernsehen anschauen ließ“.
Alles zusammen eine sehr gelungene Mischung, die das Publikum mit so viel Applaus belohnt, dass der Staub von den Gerüsten rieselt. Es scheint, die Comedy Lounge ist im neuen Domizil angekommen.