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Würzburg
Wolfgang Niedecken vor dem Auftritt in Veitshöchheim: "Es sind zu viele Dekorateure unterwegs aber nur wenige Künstler"
Der BAP-Gründer erzählt von seiner tiefen Verbindung zu Bob Dylan und wie dieser seine musikalische Karriere geprägt hat. Am 28. Oktober ist er bei MainLit zu Gast.
Wolfgang Niedecken befasst sich mit Bob Dylan, seit er 15 war.
Foto: Oliver Berg, dpa | Wolfgang Niedecken befasst sich mit Bob Dylan, seit er 15 war.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:29 Uhr

Wolfgang Niedecken (72), Gründer und Sänger von BAP, ist einer der Großen in der deutschen Rockmusik. Mit dem Werk von Bob Dylan setzt er sich seit Beginn seiner Karriere auseinander. Immer wieder hat er dessen Songs gecovert. 2021 kam in der KiWi-Musikbibliothek sein Buch "Bob Dylan" heraus.

Zuletzt ist das Album "Dylanreise" erschienen, Grundlage für das Bühnenprogramm, mit dem Niedecken am 28. Oktober beim Literaturfestival MainLit auftritt. Dabei liest er abwechselnd Passagen aus dem Buch und spielt zusammen mit Pianist Mike Herting Dylan-Songs. Im Interview erzählt Wolfgang Niedecken, wie er zu Dylan kam und was er ihm heute bedeutet.

Frage: Bob Dylan verehrt man, oder man kann nichts mit ihm anfangen. Haben Sie das auch beobachtet? 

Wolfgang Niedecken: Ja klar, logisch. Das sind meistens die Leute, die eher auf schöne Stimmen stehen und auf poppige Melodien. Wenn man sich damit befasst, hat man eine Chance, das auch wirklich zu begreifen. Aber viele lassen es gar nicht erst an sich rankommen, und damit ist es schon gelaufen. Ist ja auch nichts Schlimmes, gibt ja genug andere Musik. 

Was hat Sie zu Bob Dylan gebracht? Was schätzen sie bis heute am meisten an seinem Werk?

Niedecken: Oh, das ist abendfüllend. Ich habe ihn erstmals bewusst wahrgenommen, als ich noch in der Schülerband Bass spielte, mit 15. Unser Sänger brachte die neue Single von Bob Dylan mit, "Like a Rolling Stone", hatte den Text schon rausgeschrieben und sogar übersetzt. Das war für mich wie ein Blitzeinschlag. Die Beatles sangen Boy-Meets-Girl-Texte, die Stones haben Bluessongs gecovert, das war - was die Texte betrifft - nichts Weltbewegendes. Und da kommt Dylan mit diesem unglaublichen Song an.

"Ich begreife manche Dylan-Songs erst, seit ich mehr Erfahrung habe."
Wolfgang Niedecken
Was hat das bei Ihnen ausgelöst?

Niedecken: Ab da wollte ich viel lieber Songs schreiben und singen wie der Typ mit der Sonnenbrille, als Bass zu spielen. Das war so eine Blitzentscheidung. Ich habe es immerhin versucht, aber es ist eher schlecht als recht gelungen, zumindest am Anfang. Ich glaube, ich habe die Leute in meiner Band damals damit sehr genervt.

Wie ging's weiter?

Niedecken: Ich habe dann Malerei studiert und die Musik komplett drangegeben, weil ich eine Sache richtig machen wollte. Während des Zivildiensts habe ich dann mit jemandem zusammen Essen auf Rädern ausgefahren, der totaler Dylan-Fan war, und der hat mir die Platten vorgespielt, die in der Zwischenzeit erschienen waren. Auf einmal war ich wieder Feuer und Flamme.

Pianist Mike Herting und Wolfgang Niedecken mit ihrem Bühnenprogramm 'Dylanreise'.
Foto: Tina Niedecken | Pianist Mike Herting und Wolfgang Niedecken mit ihrem Bühnenprogramm "Dylanreise".
Das heißt, Dylan hat Sie zum Singer/Songwriter gemacht?

Niedecken: Eindeutig. Ich glaube, dass ich ansonsten nicht bei der Musik geblieben wäre.

Sie haben mal gesagt, dass Sie alle zehn Jahre "On The Road" von Jack Kerouac lesen, und das Buch in jeder neuen Lebensphase anders auf Sie wirkt. Geht es Ihnen mit Bob Dylan auch so?

Niedecken: Das kann durchaus sein. Ich begreife manche Dylan-Songs erst, seit ich mehr Erfahrung habe. Das gilt aber auch für aktuelle Stücke, das Alterswerk wurde ja wider Erwarten nochmal großartig. Eine Zeit lang hat man sich gefragt, ob der noch mal in die Puschen kommt. Aber das letzte Album ist auch wieder sensationell. Der Mann ist sich wirklich treugeblieben, er tut überhaupt niemandem einen Gefallen. Er ist ein schwieriger Typ, aber die Schwierigkeit hat eben auch damit zu tun, dass er wirklich ein Künstler ist und kein Dekorateur. Es sind viel zu viele Dekorateure unterwegs aber nur wenige Künstler.

"Ich bin ganz froh, dass ich meine Jugend in den Sechzigern verbracht habe, wo diese Sprengkraft ungeheuer war."
Wolfgang Niedecken
Bob Dylan ist unendlich oft gecovert worden. Wissen Sie, was er über Ihre Versionen denkt?

Niedecken: Nein, aber ich weiß, dass er sie gehört hat. Bruce Springsteen hat sie ihm gegeben. Nicht viel später kam eine Mail von seinem Management, wir sollten mal eine ganze Kiste davon schicken, fürs Archiv. Ich hätte zweimal die Gelegenheit gehabt, ihn persönlich zu fragen, aber da wäre ich mir blöde vorgekommen.

Hat die Kunst, die Musik seit Dylans Anfängen ihre Sprengkraft verloren?

Niedecken: Mittlerweile ist das ja alles sehr aufgesplittert. Ich bin ganz froh, dass ich meine Jugend in den Sechzigern verbracht habe, wo wirklich diese Sprengkraft wirklich ungeheuer war. Die ist dann auch nie mehr wiedergekommen. Man hat es nochmal mit Punk versucht, das war aber dann auch mehr Kleiderordnung als Revolution.

Wolfgang Niedecken mit BAP bei einem Auftritt 2022 im brandenburgischen Neuhardenberg.
Foto: Paul Zinken, dpa | Wolfgang Niedecken mit BAP bei einem Auftritt 2022 im brandenburgischen Neuhardenberg.
Als Sie angefangen haben, Bob Dylan zu covern, mussten Sie sich erst von Ehrfurcht befreien?

Niedecken: Ich habe immer versucht, mich reinzuknien, aber ich habe natürlich auch aus dem gelernt, was ich in der Vergangenheit an Dylan-Übersetzungen und -Bearbeitungen gemacht habe. Das habe ich teilweise zu sehr auf die leichte Schulter genommen. Etwa, indem ich den Highway 61 zum Nürburgring gemacht habe. Das war, glaube ich, ein Schritt zu viel. Seither bemühe ich mich, möglichst werkgetreu zu übersetzen.

Sie kommen nach Würzburg mit einem Mischprogramm, wie es auch die Platte "Dylanreise" ist: Sie erzählen und lesen und singen Dylan. Mein Eindruck ist, dass sie dem Suchenden Dylan ihrerseits hinterher suchen, aber dass es wahrscheinlich nie einen Endpunkt dieser Suche geben wird.

Niedecken: Nein, wird es nicht. Es macht großen Spaß, mit dem wunderbaren Jazzpianisten Mike Herting zusammenzuspielen. Es stehen auch so viele Stücke zur Verfügung, dass es nie langweilig wird. Wir haben mittlerweile ein Bogen durch das Programm, und wir wissen, wie wir die Leute zufrieden nach Hause schicken können. Ich glaube, dass auch Leute kommen, die jetzt nicht unbedingt was mit BAP oder Dylan anfangen können, aber die werden einen wunderschönen Abend haben und sich vielleicht dann auch ein bisschen näher damit befassen.

Wolfgang Niedecken tritt am 28. Oktober, 19 Uhr, in den Mainfrankensälen Veitshöchheim auf. Karten: Tourist-Info im Falkenhaus am Markt, Tel. (0931) 372398 oder www.main-lit.de

 
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