Mozarts letzte Oper "Die Zauberflöte" ist nicht für die Schlüssigkeit ihrer Handlung bekannt. Im Gegenteil. Die sonderbare Mischung aus Märchen, Actionkomödie, Liebesgeschichte und Freimaurer-Mystik hat immer wieder Regisseure zu den wildesten, mehr oder weniger einleuchtenden Deutungen animiert.
Katharina Thoma, neue Professorin und Leiterin der Opernschule an der Hochschule für Musik Würzburg, hat für ihre Einstandsinszenierung des Singspiels im Theater in der Bibrastraße einen verblüffend naheliegenden und schlüssigen Zugang ganz ohne Freimaurer-Symbolik gewählt. Sie transponiert das Geschehen an die Musikhochschule (lies: Tempel der Weisheit) und nimmt den Begriff der Prüfung wörtlich: Anstatt den Naturgewalten Feuer und Wasser zu trotzen, machen Tamino und Pamina Aufnahmeprüfung.
Katharina Thoma weiß offenbar, was Prüflinge erdulden. So muss sich Tamino nicht einer giftigen Schlange erwehren, sondern eines wildgewordenen Papierwusts. Dabei taugen Hochschulfassade, ein paar Tische, Stühle und Bücherregale, ein Flügel und die eine oder andere Leinwand (Bühne: Sibylle Pfeiffer) durchaus, um die Fülle an Schauplätzen abzudecken. Die märchenhafte Ebene kommt vor allem durch Lichtwechsel ins Spiel (Andreas Herold). Die Übergänge zwischen Alltags- und Zauberwelten sind fließend – schließlich ist der Aufenthalt in Fantasiewelten gewissermaßen genuiner Bestandteil eines Studiums mit künstlerischem Anspruch.
Zeitgenössische Anspielungen verleihen der Handlung neue Relevanz
Katharina Thoma entrümpelt die Dialoge, passt sie an, manche streicht sie ganz. Das Ergebnis ist eine kurzweilige, unprätentiöse, komische und anrührende Geschichte übers Erwachsenwerden, die dank der zeitgenössischen Verortung einiges an Relevanz gewinnt. Etwa in der beklemmenden Szene, als Monostatos Pamina belästigt: nicht im Garten, sondern beim Klavierunterricht. Es fällt schwer, hier nicht eine Anspielung auf einen realen Fall zu sehen, der jüngst für einen prominenten Pianisten und Hochschullehrer mit einer Haftstraße endete.
Natürlich könnte man meckern, dass die eine oder andere Stimme noch nicht reif ist, solch anspruchsvolle Rollen zu singen. Hin und wieder würde man sich wünschen, fünf Jahre vorspulen zu können, um dann das Ergebnis zu hören. Vieles ist vielversprechend, manches schon recht weit gediehen. Vor allem aber überzeugt eine Ensembleleistung, die sich aus liebevoller Personenführung und spürbarer Spielfreude zusammensetzt. Das unter der Leitung von Yuuko Amanuma richtig knackig aufspielende Orchester hat daran nicht unwesentlichen Anteil.
Sangmog Lee singt mit schönem, warmem Timbre einen gekonnt unbeholfenen Tamino, Minsun Kim eine Königin der Nacht, mit der man keinen Streit möchte. Die Strahlkraft in der Höhe ist da, die Koloraturen weitestgehend auch. Stefanie Wagner ist eine liebenswerte Pamina, Uli Bützer ein Papageno mit komödiantischem Talent. Marcel Hubner gibt einen ebenfalls nicht unkomischen und dennoch perfiden Monostatos, Margarita Pazara eine hinreißend enthusiastische Papagena. Simon Kuhns Sarastro wird stimmlich mit Sicherheit noch an Substanz zulegen, einstweilen ist er eine sympathisch menschliche Autoritätsperson, die zur Not den Chor, der ihr huldigt, auch selbst dirigiert.
Witzig der Einfall, die drei Knaben (Rebecca Suta, Sarah Kähs und Alexandra Aykaeva) als Bach, Mozart und Beethoven (mit Hörrohr) auftreten zu lassen; richtig fetzig die drei Damen (Hyun Min Kim, Megan Henry und Tamara Nüssl) als freche studentische Pressure-Group. Langer, begeisterter Applaus.
Weitere Vorstellungen bis 21. November, alle bereits ausverkauft