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Würzburg
Was Autor Uwe Tellkamp in Würzburg über die DDR erzählte
Der Autor des Romans "Der Turm" polarisiert. Nun sprach er an der Uni über "30 Jahre friedliche Revolution".
Der Schriftsteller Uwe Tellkamp war am Dienstag an der Uni Würzburg zu Gast.
Foto: Sebastian Kahnert, dpa | Der Schriftsteller Uwe Tellkamp war am Dienstag an der Uni Würzburg zu Gast.
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:55 Uhr

Sein dicker Roman "Der Turm" über eine privilegierte Familie in der DDR der Vor-Wende-Zeit liest sich nicht leicht, fand aber nach seinem Erscheinen 2008 gleich großen Anklang. Weniger wohlgelitten ist der Autor Uwe Tellkamp, seit er vor knapp zwei Jahren äußerte, in der deutschen Öffentlichkeit verhindere ein "Meinungskorridor", dass man sich mit Kritik von politisch rechter Seite überhaupt auseinandersetze. Am Dienstag sprach der 51-Jährige an der Würzburger Universität am Hubland zum Thema "30 Jahre Friedliche Revolution".

Eingeladen hatte Peter Hoeres, Professor für Neueste Geschichte, dem sein Gast mehrfach dankte: Einladungen an Unis seien "für unsereinen nicht mehr selbstverständlich". Es wurden auch schon Veranstaltungen mit Tellkamp in Dresden zunächst öffentlich bekanntgemacht, dann aber wieder abgesagt, der Redner ausgeladen.

"Genaues Lesen war überlebenswichtig."
Uwe Tellkamp über Medienkonsum in der DDR

Nun, um zum großen Seminarraum im Hörsaalbau Z6 zu kommen, musste Tellkamp keinen antifaschistischen Blockadering durchbrechen. Auch drinnen kein Laut gegen den streitbaren Künstler von den rund 120 Zuhörern – eher Senioren als Studierende, vielfach Literaturfreunde, wie die zahlreichen Signierwünsche am Ende des ruhigen Abends zeigten.

Tellkamp hatte als Zeitzeuge erzählt. Von den letzten Jahren der DDR in aussagekräftigen und detaillierten Alltagsbeispielen. Damit erläuterte er am Rande biografische Hintergründe seines "Turm"-Romans. Vor allem aber gaben ihm die Einblicke in die Psyche der freiwilligen und unfreiwilligen Genossen den Stoff für differenzierte Aussagen über deren heutiges Befinden. So schilderte er die ungeheure Medienkompetenz in der DDR: "Genaues Lesen war überlebenswichtig." Man habe bei der Lektüre der offiziellen Organe immer genau wissen müssen, wie die SED-verhängten Sprachregelungen lauteten, welcher Journalist sie hingegen unterlief – und vor allem: was man daraus schlussfolgern müsse.

Keine "Verdumpfung", sondern antrainierte Sensibilität

Diese Klugheit beschränkt sich für Tellkamp nicht auf seine Intellektuellenfamilie und deren Gleichgesinnte, sondern zeige vielmehr, dass die Rede vom Osten als "Pöbel- und Dunkeldeutschland" verfehlt sei. Wenn dort Skepsis gegenüber einzelnen Presseaussagen aufkomme, dann nicht "aus Verdumpfung", sondern aus jahrzehntelang trainierter Sensibilität, "weil Werte bedroht zu sein scheinen oder zumindest beginnen".

Inwieweit sich von der Medienkompetenz der Intellektuellen in der DDR auf den Durchschnitt der heutigen Medienkonsumenten schließen lässt, führte der Redner nicht aus. Ebenso fehlte ein Glied in der Argumentation für den hohen Wert der "eigenen Kultur". In der Zeit des Nationalsozialismus und der Volksdemokratie sei, so Uwe Tellkamp, diese eigene Kultur "lebensrettend" gewesen, habe "die Menschen zusammengeschweißt. Wo das nicht nötig ist, spielt Kultur keine Rolle mehr und kann preisgegeben werden". Doch spielt Kultur dort, wo sich die Menschen nicht mehr an "eigener" Kultur festklammern müssen, nicht eine andere Rolle als in einem repressiven Staat?

Neuer Roman kommt 2021

Für begeisterte "Turm"-Leser gibt es indes eine gute Nachricht. 2021 erscheint ein weiterer umfangreicher Band der Reihe, die momentan den Arbeitstitel "Der Schlaf in den Uhren" trägt. Der Roman ist fertig geschrieben, befindet sich derzeit im Lektorat, schließt an "Der Turm" an und "hat viel mit dem Thema dieses Abends zu tun", verriet der Künstler. Mit weitergehenden Angaben wollte er der Marketing-Abteilung seines Verlags nicht vorgreifen. In welche Richtung auch immer: "Der Turm" wächst weiter.

 
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