
Schmissig wie ein großes Orchester serviert das siebenköpfige, von Rudolf Hild geleitete Salonensemble mit zwei Keyboards, vier Streichinstrumenten und Klarinette die bekanntesten Gesangsnummern der Operette "Der Vetter aus Dingsa". Wenn dazu "Ich bin nur ein armer Wandergesell, gute Nacht liebes Mädel gut' Nacht..." oder "Onkel und Tante, ja das sind Verwandte, die fallen einem Mädchen auf's Gemüt" gesungen wird, ist man bei den Frankenfestspielen Röttingen im Hof der Burg Brattenstein schon mittendrin in Eduard Künnekes blumiger und spießbürgerlicher Welt der Nachkriegszeit.
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Warum dieses 1921 in Berlin uraufgeführte Werk zum Welterfolg wurde und seitdem alle weiteren Werke des Komponisten in den Schatten stellt, lässt die auf der Gartenterrasse eines herrschaftlichen Anwesens angesiedelte Inszenierung von Björn Reinke lebhaft nachempfinden. Die kurz vor ihrer Volljährigkeit stehende Erbin Julia de Weert muss noch einmal den Besuch ihres trinkfesten Vormundes Onkel Josse und ihrer Tante Wimpel ertragen. Die beiden wollen ihr den Neffen August Kuhbrot als Ehepartner aufdrängen.

Schnell geht über dem Burghof ein "Strahlender Mond" auf, den Anne Steffens als Julia glockenklar und mit viel Schmelz ansingt. Seit sieben Jahren wartet sie auf die Rückkehr ihres geliebten Roderich, der ihr vor seiner Auswanderung nach Batavia – oder eben Dingsda – ewige Liebe geschworen und dafür den Verlobungsring geschenkt bekommen hatte. Dumm nur, dass ausgerechnet ihre Freundin Hannchen (scheinheilig und berechnend gespielt und ausgereift gesungen von Miriam Klein) einem plötzlich auftauchenden Fremden Julias Sehnsüchte offenbart.
Manuel Ried gibt mit glutvollem Tenor den Neffen August, der seine Chance wittert, als vorgeblich zurückgekehrter Roderich bei Julia landen zu können. Spätestens mit seinen Küssen und der Gesangsnummer „Kindchen, du musst nicht so schrecklich viel denken“ räumt er alle Bedenken der Angebeteten aus dem Weg. Heiterkeitserfolge am laufenden Band heimst Tenorbuffo William Danne als Egon von Wildenhagen ein, der zwei linke Hände für das Auspacken seiner Blumengeschenke hat, dafür umso hartnäckiger am Ball bleibt, um Julia brühwarm zu offenbaren, dass der Dampfer mit ihrem – dem echten – Roderich noch unterwegs ist.

Der falsche Roderich muss Farbe bekennen und wird aus dem Haus geworfen, was Julia gleich darauf zutiefst bedauert. Als sich dann plötzlich und putzmunter ein Roderich de Weert vorstellt, den der musicalerfahrende Sebastian Ciminski-Knille im weißen Tropenanzug mit dem lässigen Charme des millionenschweren Heimkehrers verkörpert, sieht Hannchen ihre Stunde gekommen, ihrer Freundin den echten Roderich wegzuschnappen. Sie redet diesem ein, sich bei Julia als August Kuhbrot vorzustellen, um den dann endgültig abservierten Verehrer für sich zu haben.
Zuletzt findet doch noch jeder Topf sein Deckelchen
Jetzt schlägt zur Aufklärung des Schwindels die Stunde von Onkel Josse und Tante Wimpel, gespielt von Daniel Ebert als Bassbuffo mit starker Bühnenpräsenz beziehungsweise mimisch glänzend mit geschmeidigem Alt von Michaela Mehring. Zuletzt findet ungeachtet der Klage „Mann o Mann, an dir ist wirklich nichts dran“ jeder Topf sein Deckelchen. So auch der tollpatschige Egon, der an der Dienerin Frollein Hansen Gefallen findet, die Angela H. Fischer mit großem komödiantischem Talent verkörpert wird. Begeisterung und Bravorufe allerorten.
Auf dem Programm bis 16. August. Karten Tel. (0931) 6001 6000, E-Mail: karten@frankenfestspiele.de