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Wahrhaftiger als die Wirklichkeit: 20 Jahre Harry Potter
20 Jahre Harry Potter: Kaum vorstellbar, dass sich all das eine Person ausgedacht haben soll. Joanne K. Rowling hütet und gestaltet ihr Werk weiter.
Daniel Radcliffe als Harry Potter. Nicht zuletzt dank Joanne K. Rowlings Hartnäckigkeit und Stilsicherheit sind auch die Verfilmungen zu respektablen Kunstwerken geraten.
Foto: Warner, dpa (porträ) | Daniel Radcliffe als Harry Potter. Nicht zuletzt dank Joanne K. Rowlings Hartnäckigkeit und Stilsicherheit sind auch die Verfilmungen zu respektablen Kunstwerken geraten.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:20 Uhr

Man kann sie nur bedauern, all die armen Tropfe in all den Buchverlagen, die Mitte der 90er Jahre die Geschichte von einem Jungen ablehnten, der erfährt, dass er ein Zauberer ist, ein Zaubererinternat besuchen darf und schließlich nichts weniger als die ganze Welt rettet.

450 Millionen verkaufter Exemplare in 70 Sprachen

Ein Verlag aber – Bloomsbury Publishing – griff zu, und so erschien am 26. Juni 1997, also vor ziemlich genau 20 Jahren, „Harry Potter and the Philosopher's Stone“ und im Jahr darauf bei Carlsen die deutsche Übersetzung „Harry Potter und der Stein der Weisen“. Heute dürfte Harry Potter weltweit bekannter sein als jede andere literarische Figur.

Wie alles begann und wie es weiterging, das gehört längst zur großen Harry-Potter-Legende, einer beispiellosen Erfolgsgeschichte, die sich mit einigen wenigen Zahlen ausdrücken lässt: Die sieben Bände der Saga, die zwischen 1997 und 2007 erschienen, wurden in über 70 Sprachen übersetzt und bis heute 450 Millionen Mal verkauft. Die „Welt“ titelte zum Jahrestag anerkennend „Das Buch, das das Buch rettete“.

Es ist ein bisschen wie mit den Mozart-Opern oder den Beethoven-Sinfonien: Kaum vorstellbar, dass ein einzelner Mensch sich solch komplexe, vollkommene Universen ausgedacht haben soll. Das Universum von Harry Potter, Hermione Granger und Ronald Weasley, des Zauberinternats Hogwarts, des Zaubereiministeriums, der hellen und der dunklen Magie, der fantastischen Tierwesen, der auf fliegenden Besen auszuübenden Sportart Quidditch und nicht zuletzt von Lord „du weißt schon wer“ Voldemort dachte sich eine vollkommen unbekannte, vollkommen unerfahrene Engländerin aus: Joanne K. Rowling, Jahrgang 1965.

J. K. Rowling       -  Joanne K. Rowling
Foto: A2800/_Andy Rain (EPA) | Joanne K. Rowling

Sie hatte Französisch und Klassische Altertumswissenschaft studiert, für amnesty international und als Lehrerin gearbeitet, als ihr, so eben die Legende, auf einer Zugfahrt 1990 die Romanfigur Harry Potter einfiel. Bis fünf Jahre später der erste Band vollendet war, heiratete Rowling, bekam ein Kind, ließ sich scheiden, ging nach Portugal, zog von dort nach Schottland und lebte alleinerziehend zeitweise von Sozialhilfe. Heute gilt sie als reichste – und sicher auch spendenfreudigste – Schriftstellerin der Geschichte, ihr Vermögen wird auf 770 Millionen Euro geschätzt, der Wert der Marke Harry Potter auf 15 Milliarden Dollar.

Kurioses Detail am Rande: Bis heute laufen die englischen Harry-Potter-Romane unter dem Autorennamen J. K. Rowling, weil man anfangs befürchtete, Jungs würden keine von einer Frau geschriebenen Bücher lesen wollen. Tatsächlich ist die Welt des Harry Potter so komplex, so detailreich, so voll zivilisatorischer und kultureller Anspielungen, so wahrhaftig, so humanistisch fundiert, dass unzählige Erwachsene die Bücher mit ebenso großem, wenn nicht größerem Vergnügen lesen als Kinder und Jugendliche.

Regelmäßig führt Rowling Trump per Twitter vor

Manch düstere Verstrickung und manch brutale Bösartigkeit mag sogar für Kinder eher ungeeignet erscheinen. Andererseits: Das Leben ist nun mal nicht der Ponyhof von Dick und Dalli oder das Internat von Hanni und Nanni. Ironischerweise kommt Hogwarts mit all seinen Zauberwesen, aber eben auch mit seinen handfesten Intrigen und Gemeinheiten der Wirklichkeit, der sich junge Menschen in der nichtmagischen Muggel-Welt stellen müssen, weit näher. Bei Harry Potter werden – übrigens in wunderbarer Sprache und unfehlbarem Sinn für Dramaturgie und Timing – echte ethische Konflikte verhandelt.

Und Joanne K. Rowling hütet ihr Werk – nicht zuletzt dank ihrer Hartnäckigkeit und ihrer Stilsicherheit sind auch die Verfilmungen zu respektablen Kunstwerken geraten. Dass sie nicht nur eine Meisterin der großen Form ist, zeigen die Tweets, mit denen sie regelmäßig treffsicher und komisch unter anderem Donald Trump vorführt. Oder die Darsteller der Filme auf ihrem weiteren Weg unterstützt und bei Bedarf auch ermahnt. Als etwa Matthew Lewis, der den tollpatschigen Neville Longbottom gespielt hatte, für ein Magazin seine unanständig perfekt trainierte Bauchmuskulatur zur Schau stellte, schrieb sie: „Ich werde Dich immer unterstützen, bei allem, was Du tun willst, Matthew. Jetzt geh, und zieh Dir was an!“

 

 
 
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