Sehr lange ergriffene, überwältigte Stille, dann mehr als zehn Minuten Beifall im Stehen: Die Aufführung der Dritten Sinfonie von Gustav Mahler im Würzburger Dom durch das Philharmonische Orchester hatte den Weg tief ins Innerste der Zuhörer gefunden. Gerade der Finalsatz war als musikalisches Gebet in die Domkuppel emporgestiegen; die Welt schien stillzustehen bei diesem Aufschrei, an einem Tag, am dem vielerorts der Opfer eines brutalen Anschlags gedacht wurde.
Dabei hatte man während des ersten Satzes durchaus ins Grübeln kommen können, ob der Dom diesmal die richtige Spielstätte war. Die Überakustik rüttelte nämlich mehrfach gewaltig an der Architektur der Musik und führte zu etlichen Verzögerungseffekten, vor allem beim deutlich versetzten Holzbläserhintergrund zu Konzertmeister Franz Peter Fischers vorzüglich und pünktlich ausgeführtem Violinsolo.
Groteske oder martialische Klänge gegen Heile-Welt-Melodik
Generalmusikdirektor Enrico Calesso spannte mit präziser, großer Geste und viel Bewegungsfreude – das Publikum bekam ihn vielfach im Profil, sogar von vorne zu sehen – den Bogen vom Wispern einer geheimnisvollen metaphysischen Ebene bis zu höchst irdischen Klängen. Momente, die in ihrer Wucht, ihrer Eindringlichkeit kaum zu überbieten waren, lösten sich ab mit schillernd dahingleitenden Klang- und Farbschichten. Vor Groteske strotzende und martialisch anmutende Militärmarschpassagen kontrastierten Heile-Welt-Melodik und beschauliches Naturidyll; grazil und sinnestrunken galt es, auf den taumelnden Seitenwegen im Tempo di Minuetto dahinzutanzen.
Die Mezzosopranistin Alessandra di Giorgio färbte ihren Solopart dunkel und geheimnisvoll, mit kraftvoller Fülle, einer orakelnden Pythia gleich. Wie ein Glockengeläut mischten sich die kultivierten Stimmen der Würzburger Domsingknaben, der Mädchenkantorei am Würzburger Dom und des Damenchors des Mainfranken Theaters hinzu, hervorragend vorbereitet und zusammengegossen von ihren Chorleitern.
Ein monumentales Werk in großer Besetzung, neben Geiger Franz Peter Fischer mit exquisiten Soli am Posthorn Markus Mester und an der Posaune Karapet Harutyunyan, jede Gruppe im Orchester für sich in bester Form, straff und ausdrucksstark zusammengeführt von einem Enrico Calesso, der kein noch so kleines Detail dem Zufall überließ: "So mannigfaltig wie die Welt" hatte Mahler einst selbst über sein Werk gesagt. Die Aufführung gab genau das wieder, und der Dom wurde von einem musikalischen Brausen erfüllt, das vom Windhauch zum Orkan anschwoll und dessen Extreme berührten, ja erschütterten.