Lange dauerte es, bis sich die Spannung löste und die knapp 50 Besucher des Auftaktkonzerts zum zweiten Festival "Kammermusik!" im Maschinenhaus zu applaudieren wagten: Auf ein phänomenales Klangabenteuer hatten sie sich von der Sopranistin Theresa Maria Romes und dem Pianisten Jonas Gleim mitnehmen lassen und sich mit George Crumbs sehr modernem Werkzyklus "Apparition" in einen geradezu mystischen Klangraum begeben.
Das Konzert unter dem Motto "The End" beschäftigte sich mit dem inhaltlichen Spannungsfeld zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit, so hieß es im Programmheft, vorgelegt von Studierenden des Instituts für Musikforschung an der Universität Würzburg.
Irrwitzige Intervallsprünge
Romes musste in Crumbs Komposition nicht nur "einfach singen", sondern auch alle möglichen vogel-ähnliche Geräusche erzeugen, irrwitzig weite und freitonale Intervallsprünge hinbekommen, Koloraturgirlanden perlen lassen, kichern, kauderwelschen, stimmlich tanzen, locken und verführen. Gleim baute darum herum eine spektakuläre Klangwelt am elektrisch verstärkten Klavier, er zupfte, schabte, klopfte und spielte. Die intensive Interpretation des Duos ging unter die Haut, war keine Sekunde langweilig und wurde mit Bravo-Rufen belohnt.
Begonnen hatte der Abend mit der von getragener Melancholie, schwebend-warmen Klängen, Dramatik und Leidenschaft geprägten "Chanson Perpétuelle" (Ewiges Lied) von Ernest Chausson. Theresia Maria Romes wurde dabei neben Jonas Gleim auch vom Quartett Berlin-Tokyo (Tsuyoshi Moriya und Dimitri Pavlov, Violinen, Gregor Hrabar, Viola, Ruiko Matsumoto, Violoncello) begleitet. Romes' Stimme auch hier strahlend schön, dezent eingehüllt von den Instrumenten, packend die Interpretation, morbide die Atmosphäre, auch hier anhaltende Spannung.
Zu viel Kraft reicht nicht
Stimmungsvoll und mit großer Ruhe stellten Verena Beatrix Schulte, Querflöte, und Josef Müksch, Gitarre, John Dowlands Lacrimae Pavane "If my complaints could passions move" einer Reflektion über dieses Lied von Benjamin Britten für Viola und Klavier voran. Bratscher Gregor Hrabar und Pianistin Marie-Thérèse Zahnlecker griffen diese Ruhe auf, schufen vielfältige Farben und elegante Akkorde. Gut voneinander abgegrenzt die Charaktere der Variationen, sehr beredt gestaltet die Dialoge, engagiert und sehr bewusst die Ausdeutung des Werks mit seiner allmählichen Manifestation des Originalthemas.
Mit dem abschließenden Streichquartett d-Moll "Der Tod und das Mädchen" von Franz Schubert zeigte das Quartett Berlin-Tokyo nochmals, über welch enormes instrumentales Können jeder einzelne verfügt. Astreine Intonation, Virtuosität, perfektes Zusammenspiel in einer gemeinsam gegossenen Umsetzung sind selbstverständlich, auch die Einsatzfreude war groß. Doch zu viel Kraft führt zu Verlusten an Eleganz, Parforceritte allein sind nicht befriedigend. Starker Beifall und Bravo-Rufe dennoch, denn der Gesamteindruck, den das Quartett und die gesamte Veranstaltung hinterließen, war exzellent.