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Maßbach
Überbordende Spiellust im Theater Maßbach: Wenn Schmetterlinge außer Rand und Band geraten
Auch wenn nicht jede Wendung des Stücks "Schmetterlinge sind frei" nachvollziehbar ist: Warum im Intimen Theater Maßbach wieder gelacht und gekichert werden darf.
Der blinde Don Baker (Ludwig Hohl, Bild mit Anna Schindlbeck) möchte nach New York als freier Musiker und so dem beengten Leben in seiner Heimatstadt Scarsdale entkommen. Szene aus 'Schmetterlinge sind frei', das das Intime Theater Maßbach präsentiert.
Foto: Sebastian Worch | Der blinde Don Baker (Ludwig Hohl, Bild mit Anna Schindlbeck) möchte nach New York als freier Musiker und so dem beengten Leben in seiner Heimatstadt Scarsdale entkommen.
Siggi Seuß
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:55 Uhr

Ja, wenn "Schmetterlinge sind frei" ein Schwank wäre, bei dem man die innere Logik vergessen könnte – Hauptsache Happy End... Ja, wenn es so wäre, dann könnte sich das Publikum in Maßbach (Lkr. Bad Kissingen) nach zwei Jahren Abstinenz endlich wieder ganz entspannt auf den Stühlen des Intimen Theaters zurücklehnen und kichern und lachen und prusten.

Das mit Goldie Hawn verfilmte Broadway-Erfolgsstück des amerikanischen Autors Leonard Gershe ist aber keine sommerliche Komödie in diesem Sinne, auch wenn sie lange Zeit schmetterlingsleicht durch den Raum fliegt. Man freut sich in der Inszenierung von Ingo Pfeiffer (Bühne: Patrick Schmidt, Kostüme: Daniela Zepper) einfach über das sinnige und sinnliche Tête-à-Tête des ungleichen Paares, das sich in einem heruntergekommenen Mietshaus in Manhattan als Nachbarn ziemlich nahekommt: Der seit Geburt blinde Don, der endlich seiner Helikoptermutter aus der Provinz entflohen ist und von einer Karriere als Musiker und Songwriter träumt. Und Jill aus einfachsten Verhältnissen, die Filmschauspielerin werden will - lebenshungrig, schlagfertig, freiheitsliebend, ja, vielleicht ein bisschen oberflächlich, aber mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit.

Das, was Don gerade in einem Song über die Freiheit der Schmetterlinge ausdrücken möchte, scheint ihm Jill schlicht vorzuleben. Es macht große Freude, Anna Schindlbeck und Ludwig Hohl dabei zu beobachten, wie sie in ihren Rollen verschwinden, als wären sie ihnen auf den Leib geschrieben. Da gewöhnt man sich bald an die überdrehte Stimme, mit der die junge Frau ihre praktische Philosophie kundtut. Sie kann auch anders, wenn es ernst wird.

Doppelbödige Konversation

Ja, das könnte eine sommerleichte Komödie werden, mit einer wunderbar doppelbödigen Konversation der beiden jungen Menschen, die ihre leidvollen Erfahrungen nicht ignorieren, aber mit Selbstironie und Fantasie zu beherrschen suchen. Bis Dons Mutter – Susanne Pfeiffer – an der Tür steht und das Ausmaß der Tragik, die hinter der Landflucht des Sohnes steckt, offensichtlich wird. Ein ganzes Kinderleben lang hat sie versucht, die sozialen Kontakte ihres geliebten Sohnes zu kontrollieren, um ihm Enttäuschungen zu ersparen. Und was entdeckt sie nun in flagranti? Zwei junge Menschen außer Rand und Band.

Hier kippt aus guten Gründen die Leicht-Sinnigkeit. Doch wie gelingt es Autor und Regisseur die Charaktere weiterhin so glaubwürdig zu halten, wie sie bisher nahezu eineinhalb Stunden agierten? Die atmosphärischen Wandlungen, die in der halben Stunde nach der Pause Platz greifen, sind für die Betrachter in ihrer Schnelligkeit nicht leicht nachvollziehbar. Dons mühsam gewonnenes Selbstvertrauen scheint von einem Augenblick zum anderen verschwunden. Die spontane Innigkeit des Pärchens ist passé, als Jill spätabends einen eitlen Fatzke von Regisseur – Yannick Rey – anschleppt, mit dem sie sofort zusammenziehen will.

Zuschauer über dreifachen Verhaltensbruch

Die Zuschauer erleben in kürzester Zeit so etwas wie einen dreifachen Verhaltensbruch: Jill zeigt unvermittelt die andere Seite ihres Schmetterlingsdaseins. Dons eben noch präsentes Selbstwertgefühl liegt am Boden. Und die Mutter wirft binnen Minuten ihr Jahrzehnte lang gehegtes Erziehungskonzept über Bord. Das mag in einem Schwank als Budenzauber durchgehen. Hier wirkt es deplatziert. Ob der Mangel an innerer Logik am Stück liegt oder an der Inszenierung ist nicht zu entscheiden.

Erfreulicherweise spielt die Frage an diesem Abend keine tragende Rolle. Das Publikum lacht und kichert über den Wortwitz des Stückes und die überbordende Spiellust der Darsteller. Und es feiert die neue alte Intimität des Theaters, rückt mit Bedacht zusammen und vergisst für einige Augenblicke die Logik der Handlung und die Welt draußen vor der Tür.

Vorstellungen im Intimen Theater und auf Gastspielen bis 16. Mai. 28. Mai bis 12. Juni auf der Maßbacher Freilichtbühne. Infos und Karten über Telefon 09735-235. www.theater-massbach.de

 
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