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SCHWEINFURT
Triennale IV: Der Astronaut im Urinal und andere Situationen
Der doppelte Mann in der Badewanne ist in Wirklichkeit nur einer. Eine Arbeit von Johannes Hepp.
Foto: Mathias Wiedemann | Der doppelte Mann in der Badewanne ist in Wirklichkeit nur einer. Eine Arbeit von Johannes Hepp.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:38 Uhr

Eine der witzigsten Arbeiten dieser Triennale ist leicht zu übersehen: Gleich im Aufgang zur Schweinfurter Kunsthalle, im Windfang sozusagen, ragen zwei Wasserhähne aus der Wand, miteinander verbunden durch ein unentwirrbares Stück Gartenschlauch.

Möglicherweise eine Hommage an die Ausweglosigkeit: Annette Voigt, „Déja-vu”.
Foto: Mathias Wiedemann | Möglicherweise eine Hommage an die Ausweglosigkeit: Annette Voigt, „Déja-vu”.

Wer näher hinsieht, bemerkt, dass auch die Wasserhähne selbst über ein Rohr verbunden sind, das nirgends hinführt. „Déja-vu“, heißt diese kleine Hommage an die Vergeblichkeit von Annette Voigt – wenn es denn eine ist. Anders gesagt: Diese Arbeit wirkt trotz der offenkundigen Ausweglosigkeit eher wie eine verspielte Momentaufnahme denn wie ein pessimistischer Lebenskommentar.

Wer aus „Déja-vu“ ein Leitmotiv für diese Triennale ableiten möchte, der wird drinnen einige weitere listige und hintersinnige Beispiele finden. Der Titel dieser vierten Schau der Gegenwartskunst mit Bezug zu Franken wird sich dem Betrachter allerdings nicht ohne weiteres erschließen: „Raumzustaende – Bildhauerei heute“. Zum einen, weil die wenigsten Arbeiten der 16 Künstlerinnen und Künstler sich ausdrücklich mit dem Raum als solchem oder den Räumen der Kunsthalle auseinandersetzen, zum anderen, weil man viele dieser Arbeiten eher den Bereichen Installation oder Objektkunst zuschlagen würde als der Bildhauerei.

Eine – im wörtlichen Sinne – bunte Mischung

Was wiederum eine formale Überlegung ist, die dem tatsächlichen Erlebnis der Ausstellung keinen Abbruch tut. Barbara Kahle, Kunsthistorikerin aus Bamberg und Kuratorin dieser vierten Triennale, die noch bis 30. September zu sehen ist, hat eine – im wörtlichen Sinne – bunte Mischung zusammengestellt, in der interessanterweise die kleinen Objekte schließlich die Oberhand gewinnen.

Fotoserie

Natürlich ziehen in der Großen Halle zunächst der riesige rosa Marionettenhase von Kerstin Himmler oder die sich bedrohlich drehende geschindelte Birne von Markus Schmitt mit dem Titel „Flut“ die Blicke auf sich. Natürlich wird niemand das „sehr große Wiesel“ aus grob behauenem Holz von Christian Rösner übersehen oder die drei unheimlichen Stahlobjekte von Dierk Berthel, die aussehen, als habe jemand in letzter Sekunde einen Killerroboter gestoppt und zerlegt.

Die Objekte im Miniaturformat haben besondere Anziehungskraft

Aber sehr schnell entfalten die Objekte in Lebensgröße und die im Miniaturformat ihre Anziehungskraft. Die kleine Bronzeskulptur „Bleib doch noch“ von Christian Rösner etwa, direkt neben dem übergroßen Wiesel: Ein weiteres Wiesel, das versucht, seinen Sockel zu verlassen. Eine brutal in seinen Schwanz gerammte Schere hindert es daran.

Freiheitsberaubung: Christian Rösner, „Bleib doch noch”.
Foto: Mathias Wiedemann | Freiheitsberaubung: Christian Rösner, „Bleib doch noch”.

Oder die meisterhaft lebendigen Terrakotta-Skulpturen von Rainer Kurka: Die Büste „Nabelschau“ zeigt eine junge Frau, die genau das tut – sie betrachtet skeptisch den eigenen Bauchnabel. „The Message“ wiederum zeigt ein junges Paar in einer selbstvergessen intimen Situation: Sie liegt nackt auf dem Bauch, er sitzt seitlich auf ihr und berührt mit dem Zeigefinger ihren Rücken. Vielleicht zeichnet er etwas, und sie muss erraten, was. Vielleicht kitzelt er sie auch nur. Der Betrachter kann nicht umhin, sich ein wenig als Voyeur zu fühlen.

Viele Objekte verführen dazu, sich Geschichten zu ihnen auszudenken

Auch das ist auffällig: Viele Arbeiten haben eine erzählerische Dimension. Sie verführen dazu, sich Geschichten zu ihnen auszudenken. Immer wieder der Gedanke: Was ist hier wohl passiert. Oder: Was wird hier als nächstes passieren?

Erstmals stellt die Kunsthalle auch Bezüge zwischen den temporären Objekten der Triennale und der Dauerpräsentation her, was mitunter ein wenig beliebig wirkt, so als habe man eben die ein oder andere Skulptur, die sonst auch zu sehen ist, mal schnell mit einem Triennale-Schild einbezogen. Was ebenfalls nicht weiter stört, konzeptuelle Stringenz scheint hier ohnehin weniger im Vordergrund zu stehen als eine intuitive, assoziative Präsentation vieler interessanter Objekte.

Der doppelte Mann in der halben Badewanne

Insofern atmet diese Triennale eine gewisse Freiheit, eine Leichtigkeit und eine Heiterkeit, obwohl sich viele Arbeiten mit durchaus ernsten Fragen auseinandersetzen – so taucht immer wieder das Motiv Fremd- und Selbstbestimmung auf. Oder die Spannung zwischen Individuum und (gesichtsloser) Masse.

Der Betrachter als Voyeur: „The Message” von Rainer Kurka.
Foto: Mathias Wiedemann | Der Betrachter als Voyeur: „The Message” von Rainer Kurka.

Und irgendwie scheinen sich diese Fragen im Zentrum der Großen Halle zu fokussieren – in den Miniaturskulpturen von Johannes Hepp. Hepp, 1986 in Werneck (Lkr. Schweinfurt) geboren, heute freischaffend in Freiburg, gehört zu den jüngsten gezeigten Künstlern. Er bringt seine kleinen Schnitzfiguren, die den Einfluss von Stephan Balkenhol verraten, in vielsagende Situationen und bewegt sich dabei trittsicher zwischen den Polen Banalität, Komik und Beklemmung. So lässt er den Kopf einen Mannes per Magnet einer pendelnden Wurst folgen. Titel: „Interessensfrage“. Oder er montiert ein Gesicht in ein Urinal: „Astronaut“. Eine ebenso witzige wie selbstbewusste Anspielung auf Marcel Duchamps „Fountain“, das erste Readymade der Kunstgeschichte. Oder er platziert einen Mann in einer halben Badewanne so vor einen Spiegel, dass es aussieht, als beargwöhnten zwei in derselben Badewanne sitzende Männer einander, wo in Wirklichkeit doch nur einer eine Art missmutige Selbsterkundung betreibt.

Wohltuend unpathetisch und irgendwie lebensnah ist diese Triennale. Vielleicht nicht wirklich eine umfassende Schau der „Bildhauerei heute“. Wohl aber eine vitale und vielfältige Zusammenstellung inspirierender und inspirierter Einzelpositionen.

Kunsthalle Schweinfurt: Triennale IV, „Raumzustaende – Bildhauerei heute“, bis 30. September. Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr. Weitere Ausstellungsorte: Kloster Wechterswinkel, Staatliche Berufsfachschule für Holzbildhauer, Bischofsheim/Rhön und Bildhauerdorf Langenleiten. Rahmenprogramm unter www.triennale-franken.de

Detail aus der mehrteiligen Arbeit „Wooden Ghosts“ von Ulla Reiter.
Foto: Mathias Wiedemann | Detail aus der mehrteiligen Arbeit „Wooden Ghosts“ von Ulla Reiter.
 
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