- Was ist das für ein Stück? "Mademoiselle Molière" ist ein Erfolgsstück des französischen Autors Gérard Savoisien. Es läuft unter Komödie, ist aber viel mehr: ein Stück zum Lachen und Weinen, zum Mitfiebern und Nachdenken.
- Worum geht es? Den Komödienschreiber Molière plagen Selbstzweifel, die nur seine langjährige Weggefährtin und Geliebte, die Schauspielerin Madeleine Béjart, lindern kann. Doch dann verkündet Molière, Madeleines Tochter heiraten zu wollen...
- Lohnt der Besuch? Ein Muss! In der Regie von Iwona Jera spielen Brigitte Obermeier und Heiko Schnierer in Höchstform. Die Schlussszene kann jetzt schon als einer der großen Theatermomente des Jahres 2022 gelten.
Er stammt aus dem Bürgertum und fühlt sich in der Welt des Theaters immer noch nicht richtig akzeptiert: Jean-Baptiste Poquelin, besser bekannt als Molière (1622-1673), schreibt erfolgreich Komödien, leidet aber darunter, dass man ihm den Tragöden nicht abnimmt. Ein durchaus liebesfähiger Narzisst, aber eben ein Narzisst. Der sich letztlich immer dorthin wenden wird, wo er glaubt, dass seine Bedürfnisse am besten befriedigt werden.
Sie kommt aus einer alten Theaterfamilie und ist die Einzige, die Molière wirklich kennt und trotzdem liebt: Madeleine Béjart (1618-1672), langjährige Lebensgefährtin, Beichtmutter, Coach, Muse, Therapeutin, Beraterin. Er sagt: "Du hast ein gutes Herz." Sie sagt: "Ich habe einen guten Verstand." Ihre Gefühle für Molière sind vielleicht nicht ganz so selbstlos, wie sie glaubt, aber sie ist die Stabile, die Beständige, die den Künstler erdet und ihm die Bestätigung gibt, die er braucht. Bis ihm eine andere Art von Bestätigung wichtiger wird...
Unter Kostümen, Perücken und Schminke brodeln echte Emotionen
Das Theater Sommerhaus in Winterhausen (Lkr. Würzburg) spielt "Mademoiselle Molière" von Gérard Savoisien als deutsche Erstaufführung. Savoisin gelingt, wovon Molière immer träumte: die Verschmelzung von Komödie und Tragödie. Das Stück ist geist- und nuancenreich, hat Dialoge in bester Molière'scher Tradition, aber eben auch die Momente, in denen unmittelbar fühlbar wird, dass unter Perücken, Schminke und Rokoko-Roben echte Emotionen brodeln.
Wenn Molière (Heiko Schnierer) und die Béjart (Brigitte Obermeier) im Rahmen der glanzvollen Feste des korrupten Hofbeamten Fouquet auf der Bühne chargieren, was das Zeug hält, wenn sie sich scharfe Wortgefechte auf dem schmalen Grat zwischen Neckerei und Verletzung liefern, dann ist das wunderbar komisch. (Genau diese demonstrativ protzigen Feste waren es übrigens, die König Ludwig XIV. so ärgerten, dass er seinen Finanzminister schließlich kaltstellte: Fouquet saß die letzten 15 Jahre seines Lebens im Kerker. Molière aber sollte zum Vergnügungsdirektor des Königs aufsteigen.)
Zum Schluss sitzt die verlassene Madeleine im schwindenden Licht – ganz ohne Pathos
Wenn Schnierer aber Molières Weinerlichkeit, Selbstsucht und mit Jovialität übertünchte Kälte die Oberhand gewinnen lässt, dann ist das so überzeugend, dass einer Besucherin unwillkürlich ein leises, aber gut hörbares "Arschloch" rausrutscht. Man ist geneigt, ihr beizupflichten.
Brigitte Obermeier legt als Gefährtin, die um ein ganzes Leben betrogen wurde, ein paar Wutanfälle hin, die sogar engste Vertraute im Publikum einschüchtern, lässt die Béjart zwischenzeitlich ihre Haltung zurückgewinnen und zeigt sie zuletzt als gebrochene Frau. Zum Schluss sitzt die verlassene Madeleine im schwindenden Licht – ganz ohne Pathos, nur Verlust, Einsamkeit, Trauer in Gesicht und Stimme. Ein herzzerreißender Moment. Großes Theater.
Theater Sommerhaus, Winterhausen: "Mademoiselle Molière" steht mit Unterbrechungen bis Ende Juni auf dem Spielplan. Karten: (09333) 90 49 867 oder sommerhaus.info@googlemail.com