
Vor einem Jahr genau schrieb der Kritiker an dieser Stelle: „Glamour findet hier nicht im Äußerlichen statt, sondern in der Liebe zum Detail und in der Tiefe des Ausdrucks. Sollte diese Strategie der Ernsthaftigkeit und der künstlerischen Redlichkeit tatsächlich neues Publikum ansprechen (und die Anzeichen sprechen dafür), dann wäre das höchst ermutigend.“
Da hatten in der Würzburger Odeon Lounge, wo sonst kräftig Partys gefeiert werden und Hip-Hop und House durch die Boxen dröhnen, der Tenor Julian Prégardien und Lautenspieler Thomas Dunford im Kontrast zur Discokugel Lieder von Schubert, Purcell oder Mozart dargeboten. Und diese erste „Lounge Amadé“, der Versuch des Mozartfests, durch neue und junge „Locations“ neues und junges Publikum zu gewinnen, war also hoffnungsfroh gestartet.
Jetzt, am Mittwoch, ging's wieder ins Odeon, hinauf in die Lounge, die mal Varieté-Theater und Ballsaal war. Und um es gleich zu sagen: Die Ermutigung geht weiter.
Denn wenngleich das angekündigte Programm dieses Mal schon spaciger, loungiger und Club-kompatibler klang als Minnesang und Lautenspiel der Renaissance: Mit Ernsthaftigkeit und künstlerischer Redlichkeit kann man ganz offensichtlich die erhabenen originalen Notentexte von Bach oder Mozart tunen und um Weltraumklänge und elektronische Beats verlängern.
Pochen und pulsieren, blubbern und rauschen, quietschen und schaben, flirren und flattern: Der polnische Sound-Designer Tomek Kolczynski, die junge israelische Pianistin Tamar Halperin und der Schweizer Geiger Etienne Abelin nehmen Barockes von Bach und „produzieren“, kreieren damit etwas Neues. Das eindeutig und zum Glück noch sehr Bach ist. Und doch wirklich anders.
„BachSpace“ nennen die drei das, was sie tun. Und ganz offenbar heißt das: Bei aller Liebe zu den unübertroffenen Bach'schen Werken nicht in Ehrfurcht zu erstarren, sondern ernsthaft, redlich und humorvoll die Motive aus Präludien und Sonaten für Violine und Cembalo zu nehmen, zu spielen – im Computer neu zusammenzusetzen, zu überlagern, ineinander zu schichten.
„Constellations“ nennen Halperin, Abelin und Kolczynski das, was entsteht. Arrangements, in denen anfangs noch original Bach zu hören ist und am Ende eine vollständige Verwandlung zu neuen Strukturen stattgefunden hat. Das kunstvolle Auseinandernehmen und Neukomponieren führt zu der für den Zuhörer und -schauer ulkigen Situation, dass man die Geige hört, aber Abelin gerade nicht spielt.
Die Klänge mäandern, und während die Pianistin spielt, klopfen Geiger und Elektroniker schon mal mit den Fingern auf dem Klavierdeckel herum und quietschen mit bloßen Händen auf dem Lack, während Halperins Töchterchen mit der kleinen, für alle bereitgestellten Knabbergebäckbox raschelt.
Schön! Ein gechillter Abend, ein feines Hörvergnügen. Und, ach ja, ein bisschen Mozart gab es auch noch. Auch, wenn Halperin-Abelin-Kolzcynski sich hörbar die Bachräume erobert haben.