Mit Janina Fialkowska spielt am Samstag eine Pianistin von internationalem Rang in der Konzertreihe „Klaviermusik in Gethsemane“von Alexander Schimpf in Würzburg. Die 1951 in Montreal in Kanada geborene Künstlerin, die in der Nähe von Augsburg lebt, gehörte zu den wenigen Frauen, die in den 1970er Jahren in Nordamerika am Klavier Karriere machten. Maßgebliche Hilfe leistete damals Arthur Rubinstein. Bald machte sich Fialkowska international einen Namen – mit riesigem Repertoire, nuancenreichem Spiel und gewaltiger Beharrlichkeit. Als 2002 ein bösartiger Tumor in ihrem linken Arm diagnostiziert wurde, stand nicht nur ihre Karriere auf dem Spiel. Nach mehreren Operationen und eisernem Training hatte sie 2004 ein triumphales Comeback – und durfte feststellen, dass der Musikbetrieb tatsächlich auf ihre Rückkehr gewartet hatte.
Frage: In den 1970er Jahren hatten Sie 59 Klavierkonzerte im Repertoire, Sie haben oft binnen weniger Tage drei komplett unterschiedliche Programme gespielt. Heute scheinen sich viele der jungen Pianisten sehr früh auf bestimmte Komponisten zu spezialisieren. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Janina Fialkowska: Manche könnten viel mehr Repertoire spielen, andere können es nicht. Als ich damals so viele Stücke gespielt habe, gab es in Nordamerika nicht so viele Pianistinnen. Meistens haben die Männer die große Karriere gemacht. Ich denke, ich war die einzige, die das ganze Spektrum gespielt hat. Die Frauen wurden damals meistens Lehrerinnen oder sie spezialisierten sich auf Bach, Mozart oder vielleicht noch Schumann. Heute ist das total anders. Wir haben kleine koreanische Mädchen, die schon mit vier Rachmaninow spielen. Grundsätzlich finde ich aber, dass es wichtig ist, viele verschiedene Komponisten zu spielen, wenn man jung ist. Später kann man ein bisschen reduzieren und wählen, was einem besser liegt. Ich habe als junges Mädchen viel, viel Bach gespielt und tue das heute weniger. Weil ich weiß, dass das nicht meine Stärke ist.
Sie haben einmal gesagt, Sie hätten die gleichen Hände wie Chopin.
Fialkowska: Ja das ist wahr – ich habe mal einen Abguss seiner Hände gesehen. Sie sind genau wie meine.
Aber das reicht vermutlich nicht, um Chopin gut zu spielen?
Fialkowska: Nein, absolut nicht. Aber es hilft.
Aber ich denke, Chopin kommt Ihrer nuancenreichen Art zu musizieren entgegen.
Fialkowska: Wenn ich Chopin spiele, habe ich keine Zweifel. Ich weiß, dass nicht alle Leute mögen, was ich mache, und es gibt ja auch viele verschiedenen Arten, Chopin zu spielen. Aber ich fühle mich dabei sehr wohl. Zuhause sozusagen. Früher, wenn ich ein sehr schweres Stück gespielt hatte und dann Chopin auf dem Programm stand, war es ein großes Aufatmen für mich.
Sie sitzen in der Jury der ganz großen Wettbewerbe. Wie hat sich das Musizieren im Vergleich zu Ihrer Jugend verändert?
Fialkowska: Es hat sich viel verändert. Es gibt jetzt viel, viel mehr Pianisten mit großer Technik. Junge Leute, die sehr früh sehr, sehr gut spielen. Was sich nicht verändert hat: In jeder Generation, in jedem Land gibt es vielleicht ein und zwei wahre, außergewöhnliche Talente. Das war schon immer so. Talent kann man nicht lernen. In meiner Jugend waren die „Études d?exécution transcendante“ von Liszt eine echte Herausforderung. Da gab es zwei, drei Leute, die das konnten. Heute spielen das kleine Kinder. Sie spielen alle Noten, es ist sogar musikalisch und meistens spannend. Aber außergewöhnlich? Nein. Das wirklich anrührende Spiel findet man – wie vorher – eher selten. Unter tausend Pianisten vielleicht einer oder zwei. Aber es gibt sie, und man findet sie. In den letzen Jahren habe ich fünf oder sechs echte, große Talente gefunden.
Wollen Sie Namen nennen?
Fialkowska: Ja, natürlich – hier in Deutschland zum Beispiel: Alexander Schimpf und Florian Glemser. Das sind zwei fantastische junge Pianisten, die sich jedes Jahr weiterentwickeln. Und ein junger Pole: Szymon Nehring. Oder Martin Barlett aus England. Ich bin sehr optimistisch, was die Zukunft des Klaviers anbelangt
Sie geben auch Meisterklassen. Was ist das Wichtigste, was Sie einer Schülerin, einem Schüler mitgeben wollen?
Fialkowska: Respekt für den Komponisten. Ein Vertrauen in den Komponisten. Wenn man als Pianist eine große Persönlichkeit hat, ist es nicht nötig, diese künstlich in die Musik zu stecken.
Also Demut dem Werk gegenüber.
Fialkowska: Absolut. Das ist das Wichtigste. Ein Komponist wie Mozart ist perfekt. Er braucht uns nicht. Unsere fremden Ideen. Wir müssen nur das spielen, was er wollte. Oder was wir denken, dass er wollte. Alles andere ist unsere Persönlichkeit.
Im Jahr 2002 ist ein bösartiger Tumor in Ihrem linken Arm diagnostiziert worden. Sie haben sich nach einer langen Leidenszeit ins Musikleben zurückgearbeitet. Wie schwer war es, wieder in einem Konzertbetrieb Fuß zu fassen, der alle paar Wochen einen neuen Star herausbringt?
Fialkowska: Ich denke, ich war bekannt genug vor meiner Erkrankung, so dass ich danach meine Karriere forstsetzen konnte. Ich habe das große Glück, dass ich aus Kanada komme, und Kanada hat mich während dieser Zeit so sehr unterstützt. Alle Veranstalter in Deutschland haben gesagt: Janina, wir warten auf dich – das war total schön. Auch in England und Kanada. Anders Australien: Damals sollte dort meine erste Tournee stattfinden, ich musste sie absagen. Seither war ich nie mehr in Australien. Auch meine Konzerttätigkeit in den USA war hinterher reduziert. Dort wird immer etwas Neues, Junges gesucht.
In Würzburg werden Sie in einer vergleichsweise kleinen Kirche spielen – wie ist das, wenn man sonst in den großen Sälen auf der ganzen Welt auftritt?
Fialkowska: Für mich ist das das Beste: In einem kleinen Saal zu spielen. Ich liebe das. Es ist dort viel leichter, eine Verbindung zum Publikum aufzubauen. Im Gegensatz zu einem Saal in den USA mit 3000 Plätzen. Das geht nicht – diese Stücke sind nicht für solche Säle komponiert. Ich freue mich auf so einen kleinen Raum – für mich ist das optimal.
Klaviermusik in Gethsemane: Janina Fialkowska spielt Werke von Mozart, Schumann, Ravel und Chopin. Samstag, 20. Oktober, 17 Uhr, Gethsemanekirche würzburg-Heuchelhof, Straßburger Ring 127. Karten an der Abendkasse.