Mischa Maisky sagt von sich selbst: "Ich bin der glücklichste Cellist der Welt." Der heute 74-Jährige ist für vieles in seinem Leben dankbar. Dass er als einziger Künstler weltweit bei den Legenden Mstislaw Rostropowitsch und Gregor Piatigorsky studieren konnte. Dass er Pablo Casals kurz vor dessen Tod vorspielen durfte. Dass er mit nahezu allen Großen seiner Zunft musiziert hat. Und dass er am 29. November 1973, genau 49 Jahre, bevor dieses Interview stattfand, eine der großen Lieben seines Lebens fand: sein Montagnana-Cello aus dem Jahr 1720.
Dabei war Mischa Maiskys "erstes Leben", wie er es nennt, alles andere als leicht. Sein Vater starb früh, er selbst saß in der Sowjetunion zwei Jahre lang im Gefängnis, weil er versucht hatte, auf dem Schwarzmarkt einen Kassettenrekorder zu kaufen. Seine internationale Karriere begann nach der Emigration 1972 und dem Debut in der Carnegie Hall 1973.
Seither gilt Mischa Maisky als einer der bedeutendsten Cellisten überhaupt. Am 3. Dezember spielt er mit dem Philharmonischen Orchester Würzburg Dmitri Schostakowitschs erstes Cellokonzert.
Mischa Maisky: Ich glaube, es ist keine gute Idee, Musik und Kunst mit Politik zu mischen. Man sollte da keine zu direkte Verbindung herstellen. Andererseits ist mir die tragische Situation, wie vielen anderen Menschen, natürlich im Bewusstsein. Und man kann immer hoffen, dass die Kunst den Menschen hilft, die beste Seite ihrer Natur zu finden – jenseits der Gewalt.
Maisky: Es ist eines meiner absoluten Lieblingsstücke im Repertoire. Das könnte ich natürlich von vielen anderen Konzerten sagen. Aber Schostakowitsch liegt mir besonders am Herzen. Ich hatte das große Glück, am Moskauer Konservatorium bei Mstislaw Rostropowitsch zu studieren. Er war eng mit Schostakowitsch befreundet, der beide Cellokonzerte für ihn geschrieben hat. Ich bin Schostakowitsch mehrmals auch persönlich begegnet. Es ist immer ein großes Vergnügen, das Stück zu spielen, aber auch eine große Herausforderung. Es ist eines der körperlich, emotional und technisch anspruchsvollsten Werke. Wenn man es so spielt, wie ich denke, dass es gespielt werden sollte, muss man alles geben, was man hat. Und einiges mehr.
Maisky: Ja, sehr. Ich glaube, es ist eine unglückliche Überreaktion. Natürlich verurteile ich die Invasion der Ukraine uneingeschränkt. Niemand gewinnt in Kriegen. Aber gleichzeitig russische Kultur, Musik und Literatur zu verdammen, ist völliger Unsinn. Was haben Rachmaninow, Prokofjew oder Schostakowitsch mit Putin und seiner Politik zu tun? Eher im Gegenteil. Viele russische Künstler waren und sind im Exil. Schostakowitsch musste Kompromisse eingehen, um zu überleben, aber in seiner Musik scheint immer wieder Kritik am Regime auf. Ich kenne viele russische Künstler, die das Land vor langer Zeit verlassen haben, und jetzt leiden, nur weil sie Russen sind.
Maisky: Ich bin überzeugt, dass man versuchen kann, aus jeder Lebenssituation, möge sie noch so traumatisch sein, das Beste zu machen. Dass man ein halbvolles Glas darin sieht. Oder zumindest ein viertelvolles. Durch das Gefängnis konnte ich mein Studium nicht beenden. Ich sah zwei Jahre lang kein Cello. Und doch sehe ich diese Zeit als wertvolle Lebenserziehung. Sie half mir, reifer zu werden, als Mensch und als Musiker. Auf eine verdrehte Art könnte ich sagen, ich bin den Sowjets sogar dankbar für diese Erfahrung. Natürlich war diese Zeit traumatisch und gefährlich. Aber ich habe überlebt und bedaure im Rückblick nichts.
Maisky: (lacht) Piatigorsky war eine unglaubliche Persönlichkeit. Einer der wichtigsten Männer in meinem Leben. Ich bewundere ihn als Cellisten, als Lehrer, als Mensch. Er hatte eine riesige Fantasie und einen fantastischen Sinn für Humor. Sein Buch ist sehr unterhaltsam. Aber einige der Geschichten darin sind wohl übertrieben oder sogar seiner Fantasie geschuldet. Aber er glaubte selbst zutiefst daran. Und das tut niemandem weh.
Maisky: Ich hatte das große Glück, dass sie beide für mich weit mehr waren als nur Lehrer. Rostropowitsch wurde so etwas wie ein Ersatzvater in meinem ersten Leben vor der Emigration. Er war eine unglaubliche Unterstützung. Mein leiblicher Vater starb sehr früh. Als ich Rostropowitsch das letzte Mal sah, etwa eineinhalb Jahre vor seinem Tod, sagte er, ich sei wie der Sohn für ihn gewesen, den er sich immer gewünscht hatte. In meinem zweiten Leben, nachdem ich die Sowjetunion verlassen hatte, wurde Piatigorsky wie ein zweiter Vater für mich. Die vier Monate, die ich mit ihm verbrachte, waren die intensivste Zeit meines Lebens. Es war die Endphase seines Lebens, und er wusste es. Er litt an Lungenkrebs, nachdem er sein ganzes Leben geraucht hatte. Er liebte es, russisch zu sprechen, wozu er nicht mehr viel Gelegenheit hatte. Er sprach ein wunderbares Russisch, ganz anders als die Sprache, die es heute ist. Für ihn war es die letzte Chance, seine unglaubliche Lebenserfahrung weiterzugeben.
Maisky: Ja, absolut. Keine andere Instrumentengruppe hat so viele Festivals und Kongresse und sonstige Gelegenheiten, um sich begegnen. Grundsätzlich gesagt: Cellisten sind ein freundlicher Haufen.
Sonderkonzert: Mischa Maisky und das Philharmonische Orchester Würzburg, Leitung Enrico Calesso. Sa., 3. Dezember, 20 Uhr, Hochschule für Musik, Würzburg. Eventuell Restkarten an der Abendkasse.