Das Intime Theater Schloss Maßbach hat das Schauspiel "Elling" des Norwegers Axel Hellstenius auf die Bühne gebracht. Bei der Premiere am Freitag zeigte sich: "Elling" ist ein Stück, das die Zuschauerinnen und Zuschauer berührt. Und es erlaubt einen optimistischen Blick auf die Veränderbarkeit psychischer Zwänge.
Eine kleine feine Gesellschaft. Sie könnte dem wirklichen Leben entsprungen sein, aber sie weist auch darüber hinaus. Vielleicht ist "Elling" so etwas wie eine konkrete Utopie für etwas, das man heute, im Fluss von Gewohnheit und Gleichgültigkeit, immer noch nicht so richtig wahrnehmen will. Das Stück nach dem dritten der fünf "Elling"-Romane von Ingvar Ambjørnsen ist ein Kammerspiel.
Sensible Charakterzeichnung
Der eigenartige Charme der Geschichte, die im Wesentlichen in einer kleinen Wohnung in Oslo spielt, beruht vor allem auf der sensiblen Charakterzeichnung der beiden Hauptpersonen, die man mindestens als "schräge Vögel" bezeichnen darf. Das Maßbacher Ensemble um Regisseurin Stella Seefried – Ingo Pfeiffer, Tobias Wollschläger, Yannick Rey und Anna Schindlbeck – lässt die empathische Atmosphäre der Geschichte auf scheinbar ganz natürliche Weise wachsen. Robert Pflanz unterstützt diese freundliche Offenheit mit seinem Bühnenbild einer funktionalen Sozialwohnung. Und die Kostüme von Daniela Zepper sind den Charakteren sozusagen auf den Rollenleib geschneidert.
Zwei psychisch kranke Männer, Elling (Ingo Pfeiffer) und Kjell Bjarne (Tobias Wollschläger), werden nach langem gemeinsamen Aufenthalt in einem psychiatrischen Heim in die Wirklichkeit entlassen, ins "betreute Wohnen". Regelmäßig besucht Sozialarbeiter Frank (Yannick Rey) die beiden und entscheidet letztlich über die Alltagstauglichkeit der völlig verunsicherten Männer. Die Geschichte schildert die schwierige Annäherung des fantasiebegabten Kopfmenschen Elling und des handwerklich geschickten Bauchmenschen Kjell Bjarne an die Herausforderungen des selbständigen Lebens. Von der Angst zu telefonieren bis zur Scheu vor der Begegnung mit Fremden. Insbesondere machen den beiden die Subjekte ihrer Fantasien und Begierden zu schaffen: Frauen. Drei werden ihnen im Lauf der Geschichte begegnen – alle drei von der Verwandlungskünstlerin Anna Schindlbeck gespielt. Besonders die hochschwangere Nachbarin wird das Leben der Männer aus den üblichen Gleisen kippen. Kjell Bjarne hat sie eines Tages sturzbetrunken im Treppenhaus gefunden. Und nun ist nichts mehr wie es war.
Sehnsuchtsvoller Optimismus rumort in den tapsigen Helden
Stück und Inszenierung werden von einem sehnsuchtsvollen Optimismus getragen, der nicht über den Personen schwebt, sondern in ihnen selbst rumort. So kann man über die traurigen Helden zwar lachen und weinen, aber man nimmt sie mit ihren Lebensgeschichten ernst, die sie zu dem gemacht haben, was sie sind. Sie werden nicht zu Witzfiguren degradiert. Die Geschichte berührt die Zuschauer und Zuschauerinnen auch, weil die Schauspieler ihre Rollen einfühlsam, gestisch und mimisch bis ins Detail stimmig interpretieren: Ängste, Ratlosigkeit, tapsige Versuche, die neue Umgebung zu ertasten, Macken, Kjell Barnes Wut und Ellings Eifersüchtelei oder die zärtlich ungelenken Versöhnungen nach Streitigkeiten.
Liebenswerte Inszenierung
Zudem sprechen die Figuren eine Sprache, die auf präzise Milieukenntnis des Autors schließen lässt und gleichzeitig auf das Wissen um die Kunst der Alltagspoesie, die in vielen Menschen schlummert. Auch in Elling. Der entdeckt in sich eine lyrische Ader, die ihn voller diebischer Freude heimlich anonyme Gedichtzettelchen an die Sauerkrautbeutel im Supermarkt kleben lässt. Leider hat diese pfiffige Aktion hierzulande noch keine Nachahmer gefunden. Vielleicht setzt die durch und durch liebenswerte Maßbacher Inszenierung in diesem Sinne ein Zeichen.
Vorstellungen im Intimen Theater und auf Gastspielreisen bis 7. Januar. Karten und Infos: Telefon 09735-235. www.theater-massbach.de