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Würzburg
Martin Stadtfeld: "Was macht einen Klavierabend toll? Das Archaische!"
Der 41-jährige Pianist spielt bei den Würzburger Bachtagen. Im Gespräch erklärt er, was ihn am Thomaskantor so fasziniert und warum er wenig von "hippen" Konzertformaten hält.
Martin Stadtfeld: 'Natürlich ist Bach komplex, aber gleichzeitig auch unglaublich kommunikativ und menschlich.'
Foto: Yvonne Zemke | Martin Stadtfeld: "Natürlich ist Bach komplex, aber gleichzeitig auch unglaublich kommunikativ und menschlich."
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:06 Uhr

Martin Stadtfeld gilt als der Bach-Pianist schlechthin. Während die Konkurrenz lieber mit hochromantischen Krachern glänzt, widmet sich der heute 41-Jährige seit seinem aufsehenerregenden Debüt mit den Goldberg-Variationen im Jahr 2003 immer wieder den vielen Facetten im Werk des Thomaskantors. Bei den Würzburger Bachtagen wird er ein reines Bach-Programm spielen – eine Auswahl, wie sie selbst bei Martin Stadtfeld sehr selten vorkommt.

Viele Künstlerinnen und Künstler sagen, sie warten lieber, bis sie reif genug sind, bevor sie Bach einspielen. Wie kam es, dass Sie mit Bach debütiert haben?

Martin Stadtfeld: Ich habe mich dem Werk Bachs schon immer sehr verbunden gefühlt und schon in meiner Kindheit einen Großteil des Wohltemperierten Klaviers gespielt, die Inventionen, diverse Suiten und Partiten. Und hatte immer direkten Zugang. Ich habe es nie verstanden, wenn Leute gesagt haben, "Bach finde ich schon toll, aber er ist mir zu komplex, zu schwierig". Natürlich ist Bach komplex, aber gleichzeitig auch unglaublich kommunikativ und menschlich. 

Ihre erste Einspielung waren die Goldberg-Variationen. Meines Wissens hat bisher nur ein anderer Pianist seine Karriere so begonnen, ich nehme an, Sie wissen, von wem ich spreche?

Stadtfeld: (lacht) Ja klar.

Wie stehen Sie zu Glenn Gould, der 1956 seinen Durchbruch hatte – ist das jemand, von dessen Einfluss man sich erst befreien muss, oder gehört der schon zur Geschichte?

Stadtfeld: Das ist eine total interessante Frage, vor allem der zweite Teil. Natürlich hat Glenn Gould auch mich in seinem Bann geschlagen, auch mit den Goldberg-Variationen. Obwohl ich da sicherlich meinen eigenen Zugang gefunden habe. Es war der große Gould, der dieses Werk für das moderne Klavier entdeckt hat. Aber ich glaube, inzwischen ist er tatsächlich fast schon Geschichte. Das Genialische und Individualistische wird ein bisschen weggespült von der historischen Praxis, die sich sehr durchgesetzt hat. Und auch von der sehr modern gewordenen Herangehensweise, dem Werk zu dienen und weniger die eigene Subjektivität in den Vordergrund zu stellen. Insofern: Ein Typus wie Glenn Gould ist ein bisschen ein Anachronismus, leider.

Martin Stadtfeld: 'Das Rumprobieren mit neuen Formaten, gerne unter dem anbiedernden Motto 'Wie holt man die Jugend ab?', geht meistens schief.'
Foto: Henning Ross | Martin Stadtfeld: "Das Rumprobieren mit neuen Formaten, gerne unter dem anbiedernden Motto 'Wie holt man die Jugend ab?', geht meistens schief."
Je mehr ich mich mit Bach beschäftige, desto unbegreiflicher wird mir, dass ein Mensch ein solches Werk hat schaffen können. Wie geht es Ihnen? 

Stadtfeld: Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Bach bleibt letztlich ein Mysterium. Natürlich kann man sich ihm annähern, etwa über seine Einflüsse. Er hat unglaublich viele Stile, das Schaffen vieler Vorgänger und Kollegen verarbeitet und Neues daraus geschaffen. Das kann man nachvollziehen, und das ist interessant und erhellend. Aber wie er etwas schaffen konnte, das so sehr über alle Zeiten hinausragt, das bleibt unbegreiflich. Er hat bei aller Bodenständigkeit einfach etwas Übermenschliches.

Derzeit ist ja dauernd die Rede davon, dass Klassikkonzerte anders werden müssen. Es brauche neue Formate, neue Formen der Vermittlung. Wie sehen Sie das?

Stadtfeld: Ich habe überhaupt nichts gegen Experimente. Friedrich Gulda hat das schon vor vielen Jahren gemacht, in dem er kurze Werke über Epochengrenzen hinweg direkt verbunden hat. Da ist er durchaus auch ein Vorbild. Aber das Rumprobieren mit neuen Formaten, gerne unter dem anbiedernden Motto "Wie holt man die Jugend ab?", geht meistens schief. Ganz ehrlich: Was macht einen Klavierabend toll? Das Archaische, das Altmodische. Dass man sich hinsetzt, das blöde Handy aus der Hand legt, und dass man eine Dreiviertelstunde Musik hört, die jemand ganz allein da vorne spielt. Im Ringen mit den Werken, mit sich und mit diesem Instrument, das letztlich unbezwingbar bleibt. Wenn wir daraus etwas Hippes machen wollen, dann wird es beliebig und austauschbar mit allem, was sowieso auf uns einstürzt.

Würzburger Bachtage: Klavierabend Martin Stadtfeld, 22. November, 19 Uhr, Hochschule für Musik. Werke von Johann Sebastian Bach: Englische Suite g-Moll, Französische Ouvertüre h-Moll, Partita B-Dur, Italienisches Konzert. Karten: www.adticket.de, oder Tel. (0931) 37 23 98

 
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