Ein Mann. Ein Flügel. Mehr braucht es nicht, um einen Bogen zu spannen aus der Vergangenheit bis in die Jetztzeit und wieder zurück. Um ein Geflecht von Erinnerungen, Zitaten und Neuem zu schaffen. Die Zuhörer begeben sich bei diesem sehr persönlichen Rundgang von Johann Sebastian Bach zu Franz Schubert und zurück zu Bach und werden dabei begleitet von Martin Stadtfeld.
Kernstück des Abends und auch Diskussionsgrundlage so mancher Pausengespräche war Stadtfelds "Hommage an Bach", ein Zyklus von zwölf Stücken, mit denen er uns in sein Innerstes blicken lässt und sein Herz öffnet. Er lässt uns teilhaben an seiner Verehrung für die Komponisten, mit deren Werken er gewachsen ist, die seine Tage gefüllt haben.
Er streift nicht nur immer wieder den Großmeister Bach, etwa, wenn das berühmte "b a c h" immer wieder zu hören ist, sondern er nimmt auch Anleihen bei Schumann, Brahms und Beethoven. Es wirkt improvisiert, dabei nimmt Stadtfeld den Zuhörer an die Hand und nimmt ihn mit auf seine eigene Entdeckungsreise. Rauschender Applaus vor dem letzten Stück unterbricht leider den Rundgang, zeigt aber auch in der spontanen Reaktion, wie das Publikum die Spannung und das musikalische Aufbrausen an dieser Stelle nur durch Klatschen zu lösen vermochte.
Die Puristen mögen einwenden, dass es eben kein Original ist, was sie hören. Kein originaler Bach. Aber eben original Stadtfeld. Doch – was ist überhaupt ein Original? Wir haben die Notenschrift, die aber nicht viel mehr als einen Anhaltspunkt darstellt. Jeder Interpret "liest" das Werk immer individuell aus seinem Blickwinkel. Im Lauf der Zeit legen sich die Sichtweisen der vorangegangenen Interpreten Schicht für Schicht darüber.
Mit Franz Schuberts Sonate B-Dur D 960 hatten die Zuhörer es dann mit einem Original zu tun. Die Art, in der Martin Stadtfeld in sich ging, Schuberts Linien nachging geriet dann doch wieder zu einer Aneignung, er machte sich Schuberts Gedanken zu seinen eigenen. Mit welcher Leichtigkeit er den Kopfsatz anging, wie vorsichtig und mit Bedacht er voran schritt und sich bisweilen bis zur Unhörbarkeit zurücknahm und dann aber doch trotzig auftrumpfte, war überwältigend. Romantischer Überschwang mündete in glasklare Brillanz. Das Ende war Innigkeit pur, eine zarte Verbeugung vor Schubert.
Mit seiner Chaconne-Bearbeitung aus der Partita d-Moll BWV 1004 setzte Stadtfeld einen düsteren und machtvollen Schlusspunkt. So wollte er nicht gehen und gab seine Sicht auf die ruhige Arie "Lascia ch'io pianga” aus Händels Oper "Rinaldo" zu. Es war ein sehr besonderer Abend eines einfühlsamen und großartigen Pianisten, der einen Blick in sein Innerstes zuließ.