Sie tragen beide die Uniform ihres Stands, wenn man es denn so nennen will: der Bischof schwarzen Anzug und Römischen Kragen, der Malerfürst (er hasst diese Anrede) dunklen Anzug, weinrote Krawatte mit winzigen in Silbergrau eingearbeiteten Totenköpfen, die zu den schweren silbernen Manschettenknöpfen in ebendieser Form passen. Dazu einen seiner berühmten Gehstöcke mit Silberknauf, diesmal nicht den Totenkopf, sondern die Eule der Weisheit.
Der Bildermaler (so bezeichnet er sich selbst) Markus Lüpertz und Bischof Friedhelm Hofmann sprechen über das Thema „Kirche und Kunst“.
Von Gerhard Richters Arbeit hält Lüpertz offenbar nicht viel
Der Begriff „diskutieren“ wäre nur für einen Abschnitt des Gesprächs angemessen, als es um Gerhard Richter geht – Lüpertz lässt sehr deutlich durchblicken, dass er nicht allzu viel von dessen Arbeit hält, Hofmann sieht das anders, schließlich hat er als Weihbischof in Köln gegen innerkirchliche Widerstände durchgesetzt, dass Richter die inzwischen weithin bekannten Fenster im Dom gestalten konnte.
Die Katholische Akademie in Bayern feiert ihr 60-jähriges Bestehen und lädt deshalb reihum in jedes Bistum im Freistaat zu je einer Veranstaltung, die „vom Herzblut des jeweiligen Bischofs“ geprägt sein soll, so Florian Schuller, Direktor der Akademie, der das Gespräch moderiert. In diesem Fall liegt das Thema Kunst nahe, schließlich ist der Bischof promovierter Kunsthistoriker.
Lüpertz liebt es, einen Saal für sich zu gewinnen
Den Anfang macht also der Abend im Schweinfurter Museum Georg Schäfer. Etwas unglücklich zurückgekippt in ansonsten wohl durchaus bequemen Ledersesseln (was den Blick permanent auf Schuhen und Schienbeinen ruhen lässt) sitzen die Gesprächspartner auf der kleinen Bühne, der Vortragssaal ist brechend voll, das Publikum, zum Teil aus München angereist, höchst konzentriert und durchaus gewillt, Zustimmung beziehungsweise Ablehnung kundzutun.
Das kommt einem wie Markus Lüpertz entgegen. Er liebt es, einen Saal für sich zu gewinnen, und ein bisschen liebt er es offensichtlich auch, einen Saal vor den Kopf zu stoßen. Aber so ist das, wenn man ein Meister des pointierten Bonmots ist, und wenn man Sätze sagt wie „ich habe mein Leben lang im Bewusstsein gelebt, dass ich ein Genie bin“.
Kunst befasst sich mit dem, was unsere physische Wahrnehmung nicht erfasst
Der Bischof dagegen, so leutselig er sich oft als Priester und Seelsorger gibt, wägt sehr genau, was er sagt, und jeder Satz lässt jahrzehntelange Auseinandersetzung erahnen.
In einem sind sie sich von Anfang an einig, der Künstler, der evangelisch erzogen wurde und später zum Katholizismus übertrat, weil er dort seine spirituelle und mystische Heimat fand, und der Priester, der beinahe auf die Kunstakademie gegangen wäre, hätte Kardinal Joseph Frings ihm nicht gesagt, „wir brauchen keine Priester, die malen können, sondern höchstens welche, die was davon verstehen“: Kunst befasst sich mit dem, was unsere physische Wahrnehmung nicht erfasst.
Obwohl sich das jeweils unterschiedlich anhört. Der Bischof: „Man kann ruhig vorsichtig damit sein, von der Offenbarung des göttlichen Geheimnisses zu sprechen. Aber die Schöpfung ist ja durchgeistigt von Gott.“ Es bringe nichts, sich auf die materiellen Dinge zurückzuziehen, sondern es gehe darum, den großen Atem wahrzunehmen. Der Maler: „Erst über den Künstler begreifen Sie, dass ein Sonnenuntergang etwas Mystisches ist.“ Und um es noch etwas klarer zu machen: „Gäbe es da nicht ordentlich gemalte Bilder von Frauen, wüssten Sie nicht, wie eine Frau auszusehen hat – Sie müssten mit dem zufrieden sein, was Sie zu Hause haben.“
Der Künstler hat das Privileg, durch alle Zeiten wandern zu können
Es geht beiden also um die Essenz der Dinge und des Daseins. Lüpertz leitet daraus Last wie Lust ab. Die Last, immer auf der Suche zu sein, immer mit dem Unvollendeten leben zu müssen und sich als Künstler an den ganz Großen messen zu müssen („Da ist Rembrandt – und was machst du?“).
Und die Lust, sich durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte bewegen zu dürfen: „Kunstwerke stehen über der Zeit. Sie sind absolut zeitlos.“ Wenn es sich denn um Kunstwerke handelt. „Ein Urinal kann nie ein Kunstwerk sein“, sagt Lüpertz und spielt auf Marcel Duchamp und die Avantgarde der 50er Jahre an.
Esa geht um Stichworte wie "Das Böse", "Blasphemie" oder "Autonomie"
Oder auf die Arbeiten von Joseph Beuys: „Das ist alles alt und vergammelt, wenn Sie das sehen. Diese Sachen sind nur noch Devotionalien ihrer Zeit.“ Intention und Leistung der Künstler damals aber achtet er hoch. Erst Beuys habe deutschen Künstlern nach dem Krieg die Türen geöffnet, um international tätig zu werden: „Die Sachen waren in ihrer Zeit wahnsinnig wichtig. Aber das, was da heute steht, ist alles dummes Zeug.“ Die Museen heute seien dank vieler Nachahmer-Werke zu Geisterbahnen verkommen: „Hier kniet ein Hitler, dort hängt ein Pferd aus der Wand.“
Moderator Florian Schuller gibt Stichworte vor, die wieder näher zum Thema „Kirche und Kunst“ führen. „Das Böse“ etwa oder „Blasphemie“. Martin Kippenbergers gekreuzigten Frosch etwa empfand Friedhelm Hofmann anfangs als „an der Grenze zur Blasphemie“. Als er aber die Erklärung dazu las – die intendierte Anklage der Zerstörung der Natur –, war sein Verständnis geweckt. Bei Lüpertz findet die umstrittene Skulptur von 1990 weniger Gnade: „Der Kippi war ein netter Mann und hatte eine Menge Flausen im Kopf. Das war mir zu simpel.“
Blasphemie sei immer eine Frage der jeweiligen Zeit, sagt Lüpertz. Die Künstler der Renaissance hätten immer auch die Inquisition fürchten müssen. „Heute sind wir mit toleranten, weltoffenen Kirchenmännern konfrontiert. Obwohl, wenn ich heute einen nackten Mann mit Schniepel in einer Kirche malen würde, wie Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle, dann bekäme ich wahrscheinlich Probleme.“
Wie weit her ist es also mit der Autonomie des Künstlers in Diensten der Kirche? Bischof Friedhelm Hofmann: „Der Künstler muss autonom sein, aber es muss integrierbar sein in unserem Verkündigungsauftrag.“
Zu den Personen
Markus Lüpertz, geboren 1941 im böhmischen Reichenberg, gehört zu den bekanntesten und umstrittensten bildenden deutschen Künstlern.
1956-1961 Studium an der Werkkunstschule Krefeld, danach Studienaufenthalt im Kloster Maria Laach
1970 Preis der Villa Romana, Stipendienjahr in Florenz
1974-1986 Professur für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe
1988-2009 Rektor der Akademie Düsseldorf
seit 2014 Dozent an der Akademie der Bildenden Künste an der Alten Spinnerei in Kolbermoor
Friedhelm Hofmann, geboren 1942 in Köln, ist seit 2004 der 88. Bischof von Würzburg. Er hat Katholische Theologie, Kunstgeschichte und Philosophie an den Universitäten Bonn und Köln studiert.
1969 Priesterweihe in Köln
1979 Promotion in Kunstgeschichte mit einer Arbeit zu „Zeitgenössische Darstellungen der Apokalypse – Motive im Kirchenbau seit 1945“
1981 Ernennung zum Künstlerseelsorger im Erzbistum Köln
1992 Bischofsweihe in Köln – Wahlspruch: „Ave Crux, spes unica“ – „Sei gegrüßt, Kreuz, einzige Hoffnung.“ maw