
Die Liebe, so heißt es, ist eine Kraft, die alle Ketten sprengt und alle Grenzen überwindet. Ist das eine Tatsache oder eine bloße Behauptung? Der israelische Autor Nimrod Danishman stellt diese Frage ins Zentrum seines Stückes "Grenzen". Nach der deutschsprachigen Erstaufführung für das Mainfranken Theater zeigte sich der eigens angereiste Autor überaus glücklich. Inbesondere das kraftvolle Spiel der beiden Darsteller hob Danishman hervor.
Und er erzählte im anschließenden Gespräch vom Weg seines Debütstücks nach Würzburg. Als Studienabschlussarbeit 2018 in Tel Aviv uraufgeführt, wurde es in Israel mit etlichen Preisen ausgezeichnet und auf Festivals eingeladen. Die Münchner Regisseurin und langjährige Vizedirektorin der Otto-Falckenberg-Schule Sigrid Herzog hat es dort 2019 entdeckt und gemeinsam mit Schauspieldramaturgin Philine Bamberger jetzt eine Würzburger Fassung aus dem Englischen übersetzt.
Extralanger Applaus für die Darsteller
In Herzogs einerseits reduzierter, ganz auf den Text konzentrierter, andererseits emotional dichter Inszenierung erlebte das Stück im Keller Z87 eine Premiere, die nicht nur den Autor begeisterte, sondern auch das Publikum zu extralangem Applaus für die beiden Darsteller bewegte.
Einmal mehr erwies sich dabei die Ausweichspielstätte auf dem Bürgerbräugelände als idealer Schauplatz für packendes zeitgenössisches Theater. "Grenzen" erzählt die Geschichte von Boaz und Georges, die sich über eine Dating-Plattform für homosexuelle Männer kennenlernen. Auf der ansonsten leeren Bühne sitzen sie jeweils auf einem Stuhl, Boaz (Cedric von Borries) auf der linken, Georges (Anselm Müllerschön) auf der rechten Seite, dazwischen lediglich ein zusammengerollter Teppich.
Sie sprechen ihre Chat-Protokolle nach vorne ins Publikum. So werden Zuschauerinnen und Zuschauer Ohrenzeugen ihrer Online-Kommunikation, in der zunächst die Suche nach einem Sex-Partner im Vordergrund steht. Doch ganz allmählich werden die Fragen privater, die Antworten vertrauensvoller, die Kommunikation intimer, die angehängten, in Worte gefassten Emojis immer emotionaler.
Militärische Einheiten auf beiden Seiten des Zauns
Zwei Menschen kommen sich allmählich näher, auch räumlich liegen nur 20 Kilometer zwischen ihnen, so meldet es ihnen ihre App. Je mehr das Verlangen steigt, sich auch physisch zu treffen, desto größer ist das Erschrecken, als sie erkennen müssen, dass ein unüberwindbares Hindernis zwischen ihnen liegt: die Grenze zwischen Israel und dem Libanon.

Zwar gibt es Sichtlücken im Zaun, womöglich sogar Schlupflöcher, aber auf beiden Seiten stehen stark bewaffnete militärische Einheiten. Unter diesen Umständen ist das Risiko einer Begegnung unkalkulierbar, die Gefahr, sich und den anderen zu gefährden, ist einfach zu groß. Als Ausweg aus dem Dilemma schlägt Georges ein Treffen in Berlin vor: Die deutsche Hauptstadt als Zufluchtsort für zwei Menschen, die sich wegen ihrer sexuellen Orientierung und der militärischen Situation in ihrer nahöstlichen Heimat nicht treffen können.
Im Wunsch, diesen Ort als Erfüllung ihrer Sehnsucht zu erreichen, sind sich die beiden Männer einig, doch im Weg zeigen sich große Unterschiede: Anselm Müllerschöns feinsinniger Georges ist zürückgenommen, anfangs unsicher, fast schüchtern, seine Zuneigung wächst stetig und ins Grenzenlose, während Cedric von Borries seinen Boaz als impulsiven Draufgänger zeigt, der schnell und direkt zur Sache kommen will. Großes und intensives Schauspielertheater bringen beide auf die Bühne. Ob sie ihren Sehnsuchtsort erreichen?
Die weiteren Termine: 10., 14., 24. November; 1., 7., 14., 22. Dezember. Karten: www.mainfrankentheater.de, Tel. (0931) 3908-124, karten@mainfrankentheater.de