Schon die Versuchsanordnung ist vielversprechend: Drei Ex-Diktatoren-Gattinnen warten zusammen mit einem Dolmetscher auf den Beginn einer Pressekonferenz – ihr Leben soll verfilmt werden. Die Premiere von Theresia Walsers Stück "Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel" am Mainfranken Theater, das im Ratssaal des Würzburger Rathauses gespielt wird, fiel entsprechend aus: lustig, turbulent und absurd. Allerdings: Es ist ein Spaß mit doppeltem Boden.
Sie sind entweder luxussüchtig oder machthungrig oder beides: Frau Imelda, Witwe des philippinischen Machthabers Ferdinand Marcos, Eigentümerin von 3000 Paar Schuhen und 1766 Handtaschen. Frau Margot, Witwe von Erich Honecker, ehemals berüchtigte Volksbildungsministerin der DDR. Und Frau Leila, Ehefrau des gestürzten tunesischen Präsidenten Ben Ali, der sich gerade vor so einem albernen internationalen Gerichtshof verantworten soll.
Und Gottfried, der bedauernswerte Dolmetscher. Der zu Beginn noch prahlt "ein guter Dolmetscher ist immer einen Satz voraus" und dann von der ersten Minute an ins Hintertreffen gerät. Die Damen bombardieren ihn mit wehleidigen Meckereien, gegenseitigen Gemeinheiten und starrsinnigen Plädoyers. Anfangs noch schmuggelt er diplomatische Lügen in seine Übersetzungen, doch bald gerät die Situation außer Kontrolle. So sehr, dass Gottfried, der sich als traumatisiertes Kind der DDR entpuppt, auch noch anfängt, Margot mit eigenen Fragen zu löchern: "Was würden Sie den Leuten sagen, die unter Ihnen gelitten haben?"
Kostüme und Maske haben ganze Arbeit geleistet
Regisseur Kevin Barz gestaltet die Eskalation als eine sich immer schneller drehende Spirale mit gelegentlichen Haltepunkten, die jeder Ex-Diktatoren-Gattin Gelegenheit geben, sich zu produzieren. Dejana Radosavljevic (Kostüme) und Wolfgang Weber (Maske) haben ganze Arbeit geleistet, von der schwarzen Betonfrisur Imeldas bis hin zu Margots Kopfputz, der ihr den Spitznamen "lila Hexe" eingebracht hatte. Und Leila, die bei der Flucht höchstpersönlich 1,5 Tonnen Gold aus Tunesien geschafft haben soll, ist über und über mit Goldschmuck behängt.
Der Spaß, mit dem das Ensemble agiert, ist mit Händen zu greifen. Klara Pfeiffers Imelda ist eine Meisterin blasierter Gelangweiltheit, routinierter Majestät ("Wenn kein Volk da ist, muss auch nicht gewunken werden") und gelegentlicher erratischer Ausbrüche. Die Leila von Anouk Elias ist ein hygienesüchtiges Hascherl mit mehr oder weniger verlogenen Resten von Empathie. Und Stephanie Gossgers Margot ("ich bin nicht darstellbar") strahlt eine derart zwanghafte pseudorationale ideologische Verbohrtheit aus, dass noch im Nachhinein die ganze Kälte des DDR-Systems spürbar wird.
Das Volk ist entweder "unterwerfungsgeil" oder "empörungssüchtig"
Keine dieser drei zynischen Narzisstinnen zeigt auch nur einen Hauch von Einsicht, geschweige denn Reue. Das Volk ist für sie mal "unterwerfungsgeil", mal "empörungssüchtig", im schlimmsten Fall betreibt es "Aufstandsmasturbation". Gottfried ist ihnen gnadenlos ausgeliefert. Hannes Berg spielt den Dolmetscher mit atemberaubender Geistesgegenwart und verzweifelt präzisem Timing als quirligen Loser, dessen anfängliche Überheblichkeit sich sehr schnell als brüchige Fassade entpuppt.
"Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel" ist ein tragikomisches Spektakel, das bei aller Lustigkeit nie die Opfer von Macht und Willkür denunziert. Ein minutiös durchgetaktetes Wirrwar aus Pointen und Bonmots. Skurril, entlarvend und dabei wunderbar albern.
Die Vorstellungen: 2., 3., 17., 22., 23., 24., 30., 31. Oktober.
Karten: Im Webshop bis eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn unter mainfrankentheater.de – Tel. (0931) 3908-124, karten@mainfrankentheater.de