Üblicherweise werden hier Bebauungspläne, Schwimmbadsanierungen oder Verkehrskonzepte diskutiert – jetzt geht es um die Würde des Menschen und den Wert von Leben: Im Würzburger Ratssaal führt das Mainfranken Theater das Gerichtsdrama „Terror“ von Ferdinand von Schirach auf. Fast 60 deutsche Theater haben das Stück seit 2015 auf den Spielplan genommen. Das Würzburger Theater ist die erste Bühne der Region, die das Stück in Eigenproduktion inszeniert.
Premiere hat „Terror“ am Sonntag, seit Anfang der Woche probt das Ensemble im Rathaus. „Das ist natürlich für alle eine Herausforderung“, sagt Dramaturgin Antonia Tretter.
Eine Herausforderung
Zwar üben die sieben Schauspieler unter Regisseur Dirk Diekmann bereits seit Mitte Oktober auf der Probebühne des Mainfranken Theaters. „Aber erst jetzt können wir die Wirkung im Raum ausloten.“ Eine Spielstätte außerhalb des Hauses ist immer eine Herausforderung: Abendkasse, Requisiten und Beleuchtung müssen mitgebracht werden. Die Maske zieht während der Spielzeit in zwei Büros der Stadtverwaltung. „Es ist schon ein gewisser Aufwand, aber er lohnt sich“, ist sich die Dramaturgin sicher. Denn: Der Ratssaal sei ideal für Schirachs Gerichtsstück.
„Ich habe mich ja erst kürzlich hier dem Würzburger Stadtrat vorgestellt“, erzählt Intendant Markus Trabusch, wie er auf den ungewöhnlichen Aufführungsort gekommen ist. Die knapp 200 Zuschauer werden dicht am Geschehen sein. Ohne trennende Bühne können sie die Emotionen der Akteure mitfühlen, so sollen unvorstellbare Ausnahmesituationen nachvollziehbar werden. „Das ist ein ganz anderes Erlebnis als vom Fernsehsessel aus“, sagt Dramaturgin Tretter. Der „Live-Moment“ im Theater werde zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der Frage „Was hätte ich an der Stelle des Piloten getan?“ führen.
Dass „Terror“ erst kürzlich als Fernsehfilm für Furore gesorgt hat, sieht das Würzburger Theater aufgrund der dadurch gestiegenen Aufmerksamkeit positiv. Regisseur und Ensemble haben sich den Film bewusst nicht angesehen, um ihre eigene Interpretation von Handlung und Figuren nicht zu beeinflussen.
Wie diese Interpretation ausfallen wird? Im Vorfeld nur so viel: nüchtern und inhaltsbetont. Der Konflikt zwischen richtigem und falschem Handeln wird auf das Gefecht der Argumente konzentriert. Dabei will der Regisseur beim Zuschauer kein Urteil provozieren, sondern diesen in dessen Meinungsbildung hin- und herreißen.
Besonders freut sich das Ensemble die Pause. Von Kollegen anderer Theater weiß man, dass in dieser hitzig und heftig mit moralischen, juristischen und persönlichen Argumenten über richtiges und falsches Handeln diskutiert wird. „Optimal, wenn wir als Theater solche Debatten anstoßen“, findet Tretter.
Abstimmen werden die Zuschauer im Würzburger Rathaus, quasi als Schöffen anschließend per „Hammelsprung“: Wie die Parlamentarier im Bundestag bekunden sie ihre Entscheidung über Schuld oder Unschuld durch die Wahl der Eingangspforte in den Ratssaal.
Das Theaterstück „Terror“
Erfolgsautor Ferdinand von Schirach stellt in „Terror“, seinem ersten Theaterstück, die Frage nach der Würde des Menschen. Ein Bundeswehrpilot ist wegen der Tötung von 164 Menschen angeklagt. Er hat eine von Terroristen entführte Passagiermaschine abgeschossen, um die Menschen im ausverkauften Fußballstadion, dem Anschlagsziel, zu retten. Darf Leben gegen Leben abgewogen werden? Welche Antwort gibt die Justiz, welche die Moral?
Über Schuld und Unschuld des Piloten entscheidet das Publikum. Uraufgeführt im Oktober 2015 in Berlin und Frankfurt, steht „Terror“ inzwischen auf den Spielplänen von über 50 deutschen Theatern. Seine Verfilmung und Ausstrahlung im Fernsehen hatte kürzlich im Herbst eine breite gesellschaftliche Debatte ausgelöst.
Das Mainfranken Theater zeigt „Terror“ im Ratssaal des Würzburger Rathauses. Premiere ist am 20. November. Vorverkauf: Tel. (09 31) 39 08-124