
Das kann ja heiter werden! Freund Jim studiert frühmorgens im Schlafanzug die Gebrauchsanleitung des Komfort-Tragetuchs für das Baby, das er sich sehnlichst wünscht. Gleichzeitig denkt Freundin Helen an alles, nur nicht daran, ein Geschöpf zur Welt zu bringen, das schmutzt und ihre Karriere als Börsenmaklerin gefährdet.
So beginnt Edward Taylors Komödie "Top Job: Ehemann" (im Original "No Dinner for Sinners", "Kein Dinner für Sünder"). Das Stück des britischen Dramatikers und Drehbuchautors komplettiert die Freilichtsaison des Theaters Schloss Maßbach. Regisseur Augustinus von Loë hat auf Anregung von Anne Maar die Geschlechter einiger Rollen geändert. Die Geschichte, die traditionelle Familienrollen und das Geschäftsgebaren mancher Unternehmen auf die Schippe nimmt, wird dadurch aktueller.

Tatsächlich wird es ungemein heiter in den zwei Stunden Verwechslungsspiel. Schon lange hat man die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht mehr so herzlich lachen hören wie am Premierenabend. Da tut es der Stimmung auch keinen Abbruch, wenn der Regisseur mit dem Textheft in der Hand für den erkrankten Ingo Pfeiffer in die Haut und in den schottischen Kilt des bigotten Vorzeigepuritaners Bill McGregor schlüpft (Kostüme: Daniela Zepper).
Helen wäre den lukrativen Jobs los, erführe der Boss von ihrer wilden Ehe mit Jim
Er spielt Helens amerikanischen Chef, der sich abends mit seiner Gattin (Jacqueline Binder) zum Kontrollbesuch in der Wohnung des Pärchens einfindet (puristische Designereinrichtung von Wolfgang Clausnitzer), um die moralische Festigkeit der beiden zu prüfen. Von Loë spielt die Rolle mit solch steifer Noblesse, dass man das Textbuch als eine an die Hand gewachsene Betriebsanleitung für den moralisch korrekten Lebensweg verstehen könnte. Für Helen wäre es das Ende des lukrativen Jobs, erführe der Boss von ihrer wilden Ehe mit Jim.

Bereits vor dem folgenden Tohuwabohu gibt es also zwei spannungstreibende Kulturclashs. Das reicht aber noch nicht. Ein minutiös getakteter Gag-Rhythmus sorgt zusätzlich für Dynamik: Freund Jim (Tobias Wollschläger) weigert sich, das Spiel mitzumachen und verschwindet. Die taffe Helen (Hannah Baus) sucht also für den Abend verzweifelt einen Ersatzmann. Der bisexuelle Assistent Peter (Yannick Rey) scheitert am Überschwang seiner Gefühle. Bleibt nur Edna (Anna Katharina Fleck), die resolute Haushaltshilfe. Die schlüpft in die Rolle eines Ehemanns, der der Computerspielfigur Super-Mario verblüffend ähnlich sieht. Dass, als die Katastrophe schon köchelt, plötzlich drei potentielle Ehemänner auf der Bühne stehen und der hohe Besuch gänzlich aus der Fassung gerät, treibt das Chaos in neue Höhen.
Das Ensemble setzt das passende Wort, die passende Mimik und Gestik punktgenau
Nicht nur Dramatik, Rhetorik und die mit Klamauk unterfütterte Gag-Dichte des Stückes beflügeln die gute Laune des Publikums. Vor allem setzt das Ensemble das passende Wort, die passende Mimik und Gestik punktgenau – gerüstet mit einem Spaß am Spiel: Die lasziven Zungenschläge Ednas, ihr lüstern dem Boss entgegengehauchtes "Halleluja, Bruder!" Das Mienenspiel beim Verspeisen köstlich verschmutzten Knabbergebäcks. McGregors akurates Zurechtrücken der dünnen Beinchen unterm Kilt. Jims seliges Schlusslächeln, nachdem sich aus dem Sodom und Gomorrha des Augenblicks eine lichte aber immer noch halbwegs wilde Zukunft zu erheben scheint.
Das alles macht Freude und lässt hoffen, dass Jim alsbald die Gebrauchsanleitung des Komfort-Tragetuchs fürs ersehnte Baby im Schlaf beherrscht. Ein vergnüglicher Abend im Schloss, abgenabelt von der Entwicklung internationaler Börsenkurse und anderer Wirklichkeiten.
Vorstellungen auf der Freilichtbühne bis 3. September. Karten und Infos über Tel. (09735) 235. www.theater-massbach.de