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Würzburg
Lässt der Staat die Künstler im Stich?
Seit mehreren Wochen hoffen Künstler auf Unterstützung vom Staat. Mehrere Kulturschaffende aus der Region haben Anträge gestellt – und warten immer noch auf Hilfe.
Für Bayerns Kulturlandschaft sah es die letzten Wochen düster aus. Finanzielle Hilfe scheint nun in Sicht. 
Foto: Patty Varasano | Für Bayerns Kulturlandschaft sah es die letzten Wochen düster aus. Finanzielle Hilfe scheint nun in Sicht. 
Johanna Heim
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:56 Uhr

"Wir gehören zu denen, die von Anfang an gleich betroffen waren", sagt Margarita González, Sängerin einer Latin-Band aus Würzburg. Und sie seien auch diejenigen, die mit am längsten unter den Folgen der Pandemie leiden werden. Denn die letzten Wochen verbrachten Musiker, Maler, Schauspieler und viele weitere Künstler in der Region wie in ganz Deutschland im Stillstand. Konzerte, Theaterstücke, Ausstellungen – das alles durfte nicht stattfinden. Was den Künstlern blieb, waren Fragen. Wann darf ich wieder auftreten? Welche Beschränkungen wird es dann geben? Und allem voran: Bekomme ich bis dahin finanzielle Unterstützung? 

Option 1: drei Monate bis zu 1000 Euro

Vergangene Woche kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an, den "kulturellen Rettungsschirm" für Künstler und Kultureinrichtungen in Bayern von 90 auf 200 Millionen Euro aufzustocken.  Bisher sollten nur Künstler, die bei der Künstler-Sozialkasse (KSK) sind, einen Finanzausgleich erhalten. Zwar hatte Söder bereits in einer Regierungserklärung am 20. April versprochen, die Künstler während der Krise nicht alleine zu lassen – doch passiert ist für einige Selbstständige seitdem wenig. Für viele Betroffene, wie Margarita González, glichen die letzten Wochen auch deswegen einer "finanziellen Katastrophe".

Margarita Gonzalez ist Sängerin einer Würzburger Latin-Band.
Foto: Thomas Obermeier | Margarita Gonzalez ist Sängerin einer Würzburger Latin-Band.

Nun sollen auch Künstler, die nicht Mitglied der KSK sind, sowie Techniker oder Maskenbildner finanzielle Hilfe erhalten können. Drei Monate lang bis zu 1000 Euro. Insgesamt hat sich damit der Kreis derer verdoppelt, die Anspruch auf Unterstützung hätten – auf rund 60 000 Personen.

Ein Tropfen auf den heißen Stein

Doch reicht das aus? Margarita González ist resigniert, denn unklar sei aktuell noch, wie viel von den 1000 Euro die Künstler pro Monat überhaupt erhalten würden. "Dass man so für die Bedeutung der Kultur kämpfen muss, das tut mir schon weh", sagt die Sängerin. "Vor allem wenn man bedenkt, dass wir eine Kulturnation sind."

"Bayern ist ein Kulturstaat",  so heißt es in der Verfassung des Freistaats. Lässt der Staat also Kulturschaffende im Stich? "Teilweise", findet Ralf Duggen, Sprecher des Dachverbands freier Würzburger Kulturträger.  "Schlimm genug, dass es so peinlich lange gedauert hat, bis die endlich in die Pötte kommen." Zwar gebe es mittlerweile Hilfsprogramme, "und die sind gut", trotzdem gebe es aber auch enorme Lücken, viele Künstler seien deswegen "durch das Raster gefallen", erklärt der 57-Jährige. Typisch für Künstler sei es, mehrere Standbeine zu haben, so Duggen. "Das ist im Normalfall auch sinnvoll und gut. Aber in der jetzigen Situation kann es einen deswegen aus den Hilfsprogrammen rauskatapultieren."

Option 2: Antrag auf Soforthilfe

Für viele Kulturschaffende greift die Soforthilfe nicht. Denn wer solo-selbstständig ist und keine externen Ausgaben wie Mietkosten für Proberaum oder Atelier hat, der hat keinen Anspruch auf die Hilfsleistung der Regierung. Auch González' erster Antrag wurde mit dieser Begründung abgelehnt. Mittlerweile hat sie einen zweiten Antrag gestellt, seit mehr als drei Wochen wartet die Musikerin auf die Rückmeldung vom Ministerium.

Auch der Würzburger Saxofonist Dirk Rumig muss sich seit Wochen in Geduld üben. Seit Beginn der Pandemie habe er keinen Cent mehr eingenommen, sagt er, trotzdem wurde auch sein erster Antrag abgelehnt. Wie González wartet Rumig derzeit darauf, dass sein zweiter Antrag genehmigt wird. Die Begründung des Ministeriums für die erste Absage: Bei Rumig könne kein Bedarf für eine Liquiditätssicherung festgestellt werden. Die Begründung sorgt bei Rumig für wenig Verständnis. "Unser Leben sind unsere Betriebsausgaben", erklärt 48-Jährige.  "In unserem Berufsbild kann man das nicht so einfach trennen."

Dirk Rumig verdient seinen Lebensunterhalt mit Live-Auftritten.
Foto: Joachim Fildhaut | Dirk Rumig verdient seinen Lebensunterhalt mit Live-Auftritten.

Option 3: Antrag auf Grundsicherung

Einen Antrag auf Grundsicherung, also Hartz IV, zu stellen, dagegen sträubt sich Dirk Rumig. Generell fände er es unangenehm, Hilfszahlungen anzunehmen, wenn man gerne arbeiten würde, erklärt er. "Wir hatten sichere Einkommen, volle Kalender. Unsere Situation ist kein Sozialfall."

Informationen, bei wie vielen Künstlern der Antrag auf Hartz IV genehmigt wurde, sind von den Jobcentern nur spärlich zu bekommen. "Eine Auskunft ist insbesondere auch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich", heißt es von Seiten des Jobcenters Würzburg.

Aber warum überhaupt Hartz IV? Grundsätzlich müsste man zwar arbeiten, erklärt Thomas Stelzer, Leiter der Arbeitsagentur Schweinfurt. "Doch in der aktuellen Situation ist es unwahrscheinlich, dass Künstler vermittelt werden." Auf Grund von Corona wurde der Antrag auf Hartz IV vereinfacht. Auf Nachfrage der Redaktion infomierte Stelzer, dass bereits Anträge auf die Grundsicherung bewilligt worden seien. Auch bei den Jobcentern in Würzburg, Kitzingen und Main-Spessart sind Anträge eingegangen, so deren Auskunft, momentan befänden sich diese noch in Bearbeitung.

"Wir hatten sichere Einkommen, volle Kalender. Unsere Situation ist kein Sozialfall."
Dirk Rumig, Musiker aus Würzburg
Ralf Duggen ist Veranstalter aus Kist (Lkr. Würzburg). Auch er ist von der Krise betroffen.
Foto: Thomas Obermeier | Ralf Duggen ist Veranstalter aus Kist (Lkr. Würzburg). Auch er ist von der Krise betroffen.

Grundsätzliche werde weiterhin geprüft, ob die Antragsteller für Hartz IV in Frage kommen. "Solo-Selbstständige mit bis zu fünf Beschäftigten bekommen die Grundsicherung", erklärt Agentur-Leiter Stelzer. "Pro Person dürfen die Ersparnisse  jedoch nicht über 60 000 Euro liegen, bei jeder weiteren Person kommen 30 000 Euro dazu." Wer also weniger als den angegebenen Betrag auf dem Konto hat, der kann die Hilfsleistung in Anspruch nehmen. 

Doch schon das Formular auszufüllen, sei eine Hürde, hört man aus etwa Autorenkreisen. Für den Antrag auf Hartz IV sind die Einkommensnachweise der letzten drei Monate notwendig – was für einige Autoren aber schwer einzureichen ist. Denn normalerweise werden die Schriftsteller durch einen Vorschuss des Verlags und dann erst wieder bei Veröffentlichung ihres Buches bezahlt. Dazwischen können mehrere Monate liegen. 

Hoffnung unter Vorbehalt

Das Formular für die dreimonatige Finanzspritze ist seit Dienstag auf der Seite des Ministeriums online. Nachdem der Antrag online ging, gab es Proteste seitens vieler Künstler. Denn die Finanzspritze hätte nur diejenigen unterstützt, die bisher weder die "Soforthilfe Corona" der Staatsregierung, noch Hartz IV bekommen hätten. Selbst wer eine der Hilfeleistungen nur beantragt, jedoch nicht bewilligt bekommen hat, wäre leer ausgegangen. "Persönlich macht mich diese Schamlosigkeit der Regierung einfach sprachlos", sagt Margarita González. Nun hat die Regierung auf die Proteste reagiert, der Passus zur Künstlerhilfe wurde geändert. Anspruch auf die finanzielle Unterstützung haben nun auch die, bei denen der Soforthilfeantrag von der Regierung abgelehnt oder vom Künstler zurückgezogen wurde. 

 
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