Frei, unabhängig, ein bisschen exzentrisch, aber meist stilsicher: Fällt der Name Gunter Sachs, scheint gleich ein ganzes Lebensgefühl mitzuschwingen. Der Unternehmersohn aus Schweinfurt war der Playboy und Lebemann der 1960er und 70er Jahre. Reich, gut aussehend, umgeben von den schönsten Frauen, der Kunst verpflichtet, strahlt er bis heute den Geist seiner Zeit aus. Das deutsche Wort „Zeitgeist“ hat seinen Eingang auch in die englische Sprache gefunden – und der Wunsch danach, ein Stück von ebendiesem zu besitzen, dürfte einer der Gründe für die Millionenpreise bei der Versteigerung der Sammlung Sachs in London gewesen sein.
Insgesamt brachten die Highlights aus Sachs' Kollektion am Dienstagabend bei Sotheby's mehr als 36,6 Millionen Pfund (rund 45 Millionen Euro) ein, am Mittwoch über Tag gab es weitere Stücke zu kaufen. Selbst dem Auktionator blieb die Sprache weg. „Entschuldigen Sie das Wortspiel, aber man kann wirklich sagen: Sachs sells“, Sachs verkauft sich wie Sex, so der Kommentar von Sotheby's-Spezialist Oliver Barker.
Das Beispiel Andy Warhol
Sachs hatte sich im Mai 2011 im Alter von 78 Jahren das Leben genommen. In einem Abschiedsbrief schrieb er, er leide an einer unheilbaren Krankheit – vermutlich Alzheimer. Seine Familie entschloss sich darauf, einen Teil seiner Kunstwerke zu verkaufen. „Die Ergebnisse sind eine angemessene Ehrung“, sagte Auktions-Chefin Cheyenne Westphal. „Seine Zeitgeist-Sammlung erzählt die 60er und 70er Jahre, die er lebte und atmete.“
Sachs' Kollektion spiegelt nicht nur ein Lebensgefühl, sondern auch die Persönlichkeit des Mannes dahinter – ähnlich wie bei den Millionen-Auktionen der Kollektionen von Schauspielerin Liz Taylor oder Modezar Yves-Saint-Laurent ein Grund, zuzuschlagen. Gleichzeitig ist die Sammlung Sachs voller großer Namen. Er kaufte häufig Werke seiner Freunde, bevor die berühmt waren. Wie vorausschauend er war, zeigt das Beispiel Andy Warhol. Sachs organisierte 1972 eine der ersten Ausstellungen des Pop-Art-Künstlers in Deutschland. Die Schau floppte. Doch um seinem Freund die Blamage zu ersparen, kaufte er kurzerhand ein Drittel der Bilder heimlich selber. Die Auktion zeigte jetzt erneut, wie genial diese Entscheidung aus sammlerischer Perspektive war: Die Warhol-Bilder brachten die höchsten Preise ein. Ein Selbstporträt verkaufte sich statt wie erwartet für maximal drei Millionen Pfund für 5,4 Millionen. Ein Warhol-Porträt von Sachs erreichte statt 600 000 Pfund rund 1,3 Millionen.
Ein auf bis zu vier Millionen Pfund geschätztes Warhol-Bild von Sachs' Ex-Frau Brigitte Bardot blieb zwar im unteren Bereich des Schätzwertes und wurde für gut drei Millionen erstanden. Ein Blumenbild des Künstlers, das auf ein Minimum von drei Millionen Pfund geschätzt worden war, erreichte aber 3,7 Millionen. Das Bild „A.C. Annie“ von Mel Ramos ging statt für geschätzt maximal 200 000 für 1,1 Millionen Pfund weg. Die Auktion habe das Leben von Sachs würdig gefeiert, sagte Cheyenne Westphal. „Es war eine Hommage an diesen Mann.“
Pop-Art-Appartement in St. Moritz
Die Faszination für Sachs und seine Zeit mag auch der Grund für den Bieterwettkampf sein, der um drei Möbelstücke von Allen Jones entbrannte. Dessen halb nackte Frauen aus Fiberglas aus dem Jahr 1969 sehen aus wie Schaufensterpuppen, sind in Lack und Leder gekleidet und halten als Hutständer, Tisch und Stuhl her. Maximal 40 000 Pfund sollten sie pro Stück bringen. Am Ende erreichten alle drei jeweils um eine Million Euro. Kunst hatte für Sachs tatsächlich manchmal etwas von Möbelstücken. So hatte er kein Problem damit, ein Loch für einen Türgriff in ein Bild zu bohren. Dass er Sammler geworden war, merkte er nach eigenem Bekunden erst, als alle Wände in seiner Wohnung voll waren. Weltberühmt wurde sein „Pop-Art-Appartement“ in St. Moritz, für das er viele Künstler der Zeit extra Werke anfertigen ließ.