"Welche Droge passt zu mir?" Wo sind wir hier denn hingeraten? In einen Amsterdamer Coffeeshop? Ein Oktoberfestzelt in vorcoronarer Zeit? In ein Buch des Drogengurus Timothy Leary aus den wilden 1960ern? - Weit gefehlt! Ins Intime Theater des Theaters Schloss Maßbach. Erstmals seit langem wird der kuschelige kleine Saal wieder bespielt.
Das Thema passt genau dorthin, in die "Besondere Reihe", in der jungen Regietalenten Gelegenheit gegeben wird, sich mit ihren Ideen vorzustellen. Die Maßbacher Regieassistentin Vanessa Ziems inszeniert Kai Hensels satirisches Monologstück "Welche Droge passt zu mir?" Und Anna Schindlbeck spielt sich 80 Minuten lang die Seele aus dem Leib.
Tagtäglicher Drogenkonsum zum Wohle persönlichen Heldentums
Alles fängt ganz normal an und würde gut ins Fortgeschrittenenprogramm einer großstädtischen Volkshochschule passen. Eine junge Frau, Hanna, um die 30, tritt hinter ein Stehpult, von dem aus sie die Powerpoint-Präsentation ihres Vortrags auf der Leinwand steuert. Sie kommt aus gutem Hause: fürsorgliche Gattin, perfekte Hausfrau, liebende Mutter eines kleinen Sohnes.
Aber um als Frau allen Ansprüchen von Mann, Kind, Familie, Freundeskreis, Gesellschaft und sich selbst gerecht zu werden, bedarf es schon einiger Aufheller für Geist, Körper und Seele. Glaubt sie und beginnt über ihren tagtäglichen Drogenkonsum zum Wohle ihres persönlichen Heldentums zu referieren. Senecas Satz "Nur Kleinmütige und Schwächlinge wählen den sicheren Pfad. Der Held geht über Gipfel" passt da gut ins Konzept – ein Zitat im Sinne des sich selbst optimierenden Individuums der Moderne. Noch scheint alles im grün-gelben Bereich: Was wäre, wenn wir Drogen sinnvoll in den Alltag integrieren würden?
Die Darstellerin verschwindet schließlich in den Abgründen ihrer Figur
Doch dann gibt es peu à peu bei der Referentin kleine mimische und stimmliche Entgleisungen, die eine mentale und psychische Labilität vermuten lassen. Hanna schleudert Begriffe in die Welt, von denen einem ganz schwindlig wird. Von Halluzinogenen, Entaktogenen, Stimulanzien und Sedativen ist die Rede. Von Synapsen und Neuronen und Neuriten. Von Neurotransmittern, die in den synaptischen Spalt fallen, vom nervenden Kind, von halluzinierten Läusen, vom One-Night-Stand mit ihrem Dealer und einer ungewollten Schwangerschaft. Hanna verstrickt sich immer mehr im Dschungel ihrer alternativen Realität zur Leistungsoptimierung.
Wie es Anna Schindlbeck schafft, mit einem wahnwitzigen Gedankenrepertoire zwischen synaptischen Spalten und persönlichen Höllenschlünden hin und her zu balancieren, um schließlich in den Abgründen ihrer Figur zu verschwinden – das sollte man gesehen haben.
Auf vielfachen Wunsch gibt es zumindest eine zweite Vorstellung. Am Samstag, 13. November, um 19.30 Uhr im Intimen Theater. Kartentelefon: (09735) 235. www.theater-massbach.de