Bescheiden betritt Igor Levit in Alltagskleidung die Bühne der Weikersheimer Tauberphilharmonie, setzt sich schnörkellos an den Flügel und beginnt ein unglaubliches Beethoven-Feuerwerk. Schon die angeblich leichte G-Dur-Sonate op. 79 gerät unter den Händen des russisch-deutschen Pianisten hinreißend virtuos. Levits Spiel ist durchaus nicht ohne Ecken und Kanten, aber die sind ja mit den Sforzato-Einträgen vorgegeben, andererseits kann er die Tasten streicheln und atemberaubende Läufe in himmlischer Pianissimo-Sanftheit verlöschen lassen. Bei aller Virtuosität ist seine Interpretation durchdacht, hat Tiefe, kann atmen, ist spannend.
Das mag auch daran liegen, dass der Pianist die dynamischen Möglichkeiten seines Instruments in ungeahnter Breite ausnutzt und damit extrem kontrastreich musizieren kann. Die Tempovorgaben setzt er beherzt um, das Vivace nimmt er mit einem Höllentempo ernst, gerät dabei aber nie in Versuchung, schlampig zu werden. Jeder Ton bleibt glasklar, romantisierende Rubati braucht er nicht.
Das wild-kraftvolle Scherzo ist ein Hexentanz
Dann die ungewöhnlich aufgebaute As-Dur-Sonate op. 26. Das Thema des einleitenden Variationssatzes formuliert Levit eher nachdenklich, die Variationen malt er in teils witzigen, teils großartigen Bildern. Das wild-kraftvolle Scherzo ist ein Hexentanz, der sich nur im Trio ein wenig beruhigen kann, gefolgt vom einzigen Trauermarsch in Beethovens Klavierwerken. Auch hier wieder überzeugt das Tempo, das Andante ist "gehend", also nicht zu langsam. Es versinkt nicht in Adagio-Schwermut, sondern entspricht eher dem Gedenken an einen großartigen Menschen.
Nach der Pause zunächst die erste Sonate Beethovens, die noch Anklänge an den Lehrer Joseph Haydn hat und doch schon eine echter Beethoven ist, zumindest wenn man der Interpretation Levits folgt. Auch hier wieder das fast, aber eben nur fast überzogene Prestissimo mit seinen glitzernden Läufen und bedrohlich grummelnden Bassfiguren.
Schließlich die Waldstein-Sonate op. 53. Der erste Satz "con brio", das man bei Levit auch mit "con fuoco" übersetzen könnte. So neu erfunden, so faszinierend, so durchhörbar, mit motivischen Blitzen durchsetzt, hat man dieses Werk wohl noch nicht gehört. Der stockende Atem in der Introduzione führt dann zum oft als unspielbar bezeichneten Schlusssatz - für Levit nur eine weitere Möglichkeit, seine unglaubliche Virtuosität und sein kongeniales Beethoven-Verständnis zu zeigen. Standing Ovations, kurze Rede mit berechtigtem Lob der Akustik, als Zugabe der zweite Satz aus op. 14/2.