- Was ist das für eine Ausstellung? Das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt zeigt unter dem Titel "Esthetic Places" idyllische Zeichnungen aus Franken, Thüringen und Sachsen aus dem frühen 19. Jahrhundert.
- Was gibt es zu sehen? Das Museum stellt die Ansichten dreier Künstler von Mühlen, Schlössern oder Burgen modernen Fotografien gegenüber, die die Orte im heutigen Zustand zeigen.
- Was zeichnet die Ausstellung aus? Die stille, fast intime Schau stellt die spannende Frage, ob sich unser Schönheitsempfinden heute von dem der Menschen vor 200 Jahren unterscheidet. Die Antwort ist überraschend.
Es gab eine Zeit, da fanden die Menschen die unberührte, ungestaltete Natur hässlich. Dann kam Ende des 18. Jahrhunderts die Romantik. Plötzlich waren schroffe Felsmassive, wilde Wasserfälle, dunkle Tanne oder leuchtende Sonnenuntergänge begehrte Motive für die Kunst. Und noch ein paar Jahre später entdeckten die Menschen das Idyll: friedliche Orte an der Berührungskante von Natur und Zivilisation - Burgen auf grünen Hügeln, Mühlen am Bach, Kirchen, eingebettet in sanftes Grün.
Die ersten, die es sich quasi leisten konnten, diese Orte schön zu finden, waren die Fürsten. Sie schickten die Künstler los, um festzuhalten, was ihre Ländereien zu bieten hatten, und wurden so gewissermaßen zu Wegbereitern des Tourismus. Das Museum Georg Schäfer zeigt in seiner Winterausstellung "Esthetic Places" die Zeichnungen von drei Künstlern, die sich auftragsgemäß in Franken, Thüringen und Sachsen auf künstlerische Wanderschaft begaben: Traugott Faber (1786-1863), Johann Adam Klein (1792-1875) und Karl August Lebschée (1800-1877).
Die drei Künstler bekommen in Schweinfurt verdientermaßen ihre große Bühne
Die Drei waren Zeitgenossen und teilweise Konkurrenten der heute weitaus berühmteren Kollegen Caspar David Friedrich und Ludwig Richter, hier bekommen sie verdientermaßen ihre große Bühne. Faber war 46 Jahre lang immer wieder im Auftrag des Königs von Sachsen unterwegs, Lebschée für bayerische Könige und Kronprinzen. Kleins Auftraggeber ist nicht überliefert.
Die Ausstellung zeigt in Franken etwa die Rosenau bei Coburg, die Kaiserburg in Nürnberg oder die alte Mainbrücke mit Festung Marienberg in Würzburg. Die stille, fast intime Zusammenstellung - übrigens mit direkt angedocktem Kindermuseum - lädt ein, sich in der Betrachtung wunderschöner Orte zu verlieren. Doch der Clou ist ein anderer: Ein Team um Museumsleiter Wolf Eiermann und Kollegen der kooperierenden Museen der thüringischen Stadt Neustadt an der Orla haben sich aufgemacht, die gezeichneten Orte in ihrem heutigen Zustand zu fotografieren.
Dem Sowjetbefehl zum Trotz blieben etliche Schlösser in Thüringen und Sachsen erhalten
"Wir haben gedacht, wir finden eine Menge Lost Places vor", sagt Eiermann. "Und waren sehr überrascht, wie viel erhalten geblieben ist." So seien die meisten Schlösser in Thüringen und Sachsen verschont geblieben, obwohl die Sowjetregierung deren Zerstörung angeordnet hatte. "Aber man brauchte die Gebäude, um die vielen Vertriebenen unterzubringen, also blieben sie stehen."
Und so gelang es, moderner Umbauungen oder wuchernder Wälder zum Trotz, viele der idyllischen Orte aufzuspüren. "Esthetic Places" ist also eine Doppelausstellung geworden: Neben der Zeichnung von einst hängt die Fotografie von heute. Hin und wieder zerstören Plattenbauten oder parkende Autos das Bild, aber erstaunlich oft wurden die Idylle nicht oder nur teilweise zerstört. Wolf Eiermann: "Unser ästhetisches Empfinden hat sich in 200 Jahren eben nicht verändert."
Auch wenn die meisten Zeichnungen dokumentarische Qualität aufweisen und Denkmalpflegern wertvolle Informationen für Sanierungen geben: Mitunter griffen die Künstler in die Realität ein, damit die Bildgestaltung stimmte. Sie stauchten eine Ansicht oder versetzten eine ganze Burg. Auch Irrtümer waren nicht ausgeschlossen: Auf der Ansicht von Schloss Weesenstein in Sachsen von Traugott Faber fließt der Bach in die falsche Richtung.
Museum Georg Schäfer, Schweinfurt: "Esthetic Places", bis 25. Februar 2024. Geöffnet: Di. 10-20 Uhr, Mi.-So. 10-17 Uhr.