Ob Georg Clementi inzwischen ein Gratis-Abo von der „Zeit“ hat? Ein lebenslanges? Denn wie könnte man schöner für die Wochenzeitung werben, für ihre Reportagen und Kolumnen, als mit solch Liedern und Chansons, wie Clementi sie singt? Ja, doch. Der österreichische Liedermacher und Schauspieler singt Artikel, Schlagzeilen, Interviews. Zumindest lässt er sich von ihnen inspirieren und leiten und macht mit Akkordeonistin Sigrid Gerlach und Gitarrist Ossy Pardeller geistreiche, sinnliche, ausdrucksvolle Musik daraus. Mal federleicht und spritzig, mal melancholisch, mal kritisch und bittertraurig.
Von Ado Schlier empfohlen
Zu erleben am Samstag im Würzburger Bockshorn. Ado Schlier, 30 Jahre lang Leiter von „Songs an einem Sommerabend“ auf Kloster Banz, hatte den Theaterchefs den Chansonnier aus Salzburg nachdrücklich empfohlen. Und das Ehepaar Repiscus wird die Einladung zum Gastspiel wohl kaum bereut haben. Sehr eigen, sehr besonders ist, was Georg Clementi macht. Und sehr eindrücklich schön.
Denn mögen die Texte auf Artikel mit oft ernsten, schweren Themen zurückgehen, auf aktuelle Konflikte – Clementi füllt sie oft genug tänzelnd, tanzend mit Leichtigkeit und zeitlosem Lebensfrohsinn. „Liebe, Tod und Wetter“ war mal eine Hommage von Zeit-Autor Andreas Dresen an den Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase überschrieben. Bei solch einem Titel, „da muss man doch einen Song schreiben“. Genauso wie über die (Reise-)Reportagen „Nächste Abfahrt Frühling“ oder „Salzburg im Schnee“.
Erschütterde Reportagen vertont - und Kolumnen auch
Und wenn dem 47-jährigen Liedermacher eine Reportage nicht mehr aus dem Kopf geht wie die über den „Kinderknast von Lesbos“, wo 1000 junge Flüchtlinge kurz vor dem Ziel Europa im Schlauchboot gefasst sich Matratzen für 300 teilen . . . Oder wenn ihn eine Geschichte so aufwühlt wie die über den Soldaten, der nach der Wahrheit sucht, die Opfer der Widersprüche wurde, und nach dem Sinn, der im Töten verloren ging – dann singt er darüber auch. Durchdringend und erschütternd. „Und Sie“, sagt er zu seinen Zuhörer dann, „Sie müssen es jetzt ertragen“.
Selbst Martenstein-Kolumnen singt er, mit eingesprungenem Schlussakkord und einem kecken Lachen. Was Clementi da macht, wie er es macht, das ist sinnlich und berührend und witzig zugleich. Auch weil Sigrid Gerlach-Waltenberger, die die Melodien schrieb, und Ossy Pardeller dazu ganz wunderbare, virtuose Musik machen.
Die Ausbeutung der Supermarktkassiererin durch unsere Gier nach „Hauptsache billig“, Pubertät und Fernweh und die Ermordung Pasolinis – alles singt, spielt, lebt, interpretiert Georg Clementi aus. Wütend und liebevoll, frech und einfühlsam und theatralisch in Mimik und Ton. Ein Ereignis! Und, ach ja: Die „Zeitlieder“ gibt es auch auf zwei CDs. Den Hamburger Verlag und seine Schreiber kann es freuen.