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Würzburg
Fotoausstellung im Kulturspeicher: Köpfe zum Mitdenken
Dokumentarfotos junger Künstler sind derzeit im Würzburger Kulturspeicher zu sehen. Und sie sind so gut, dass sie förderpreiswürdig sind. Warum das so ist?
Mit der Geschichte afrikanischer DDR-Vertragsarbeiter und deren Schicksal nach der Wende 1989 beschäftigt sich der Münchner Fotograf Malte Wandel. Dieses Foto ist ein Gruppenbild aus Mosambik.
Foto: Malte Wandel | Mit der Geschichte afrikanischer DDR-Vertragsarbeiter und deren Schicksal nach der Wende 1989 beschäftigt sich der Münchner Fotograf Malte Wandel. Dieses Foto ist ein Gruppenbild aus Mosambik.
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:05 Uhr

Spannend an der neuen Doppelausstellung im Kulturspeicher- „Dokumentarfotografie Förderpreise 11“ und „One Day in your life“ - ist die Kombination: Wie passt ein Saal mit Arbeiten von vier internationalen Kunsthochschulabsolventen zum Nachbarraum voller Würzburger Schülerfotos?

Gut fügt sich das zusammen, und zwar auf drei Ebenen: Alle fünf Projekte basieren auf Konzepten und sind folglich Fotoreihen, sind interkulturell, drei sogar unmittelbar den Migrationshintergründen verdankt, und alle verzichten auf einen individuellen Stil an der Bildoberfläche: Nicht-Ästhetik statt Licht-Ästhetik.

Erst Essen, Darmstadt und dann Würzburg

Der Kunstbetrachter ist hier auf der Höhe der Zeit, versichert die Kuratorin des vorderen Saals, Stefanie Unternährer. Die freiberufliche Kuratorin arbeitete schon für das Museum Folkwang in Essen. Dann begleitete sie das aktuelle Förderpreis-Quartett vor allem bei der technischen Umsetzung der vier Ideen. Ausgewählt wurden die Fotografen Andrzej Steinbach, Alina Schmuch, Susanne Hefti und Malte Wandel von einer Jury der Wüstenrot Stiftung, die alle zwei Jahre Dokumentarfotografie-Förderpreise vergibt, 2017 zum elften Mal. Vor Würzburg hatte diese Preisträger-Ausstellung Stationen unter anderem im Museum Folkwang und in der Darmstädter Mathildenhöhe. Zwischen diesen noblen Adressen kann sich der Kulturspeicher stolz blicken lassen.

Das Arbeiten mit Konzepten und er Verzicht auf einen Individualstil, auf starke visuelle Reize überhaupt, ist laut Unternährer typisch für die gegenwärtige Dokumentarfotografie – oder zumindest für deren Auswahl in den Institutionen, wie die Kuratorin einschränkt. Sie gibt ein Beispiel zum Migrationsthema: „Junge Dokumentaristen fotografieren heute in Afrika keine großen Kinderaugen mehr.“

Wenn wir sowieso mit dem vorhandenen Licht arbeiten müssen, dann können wir die Inhalte auch noch stärker in den Vordergrund rücken – nach diesem Faustsatz scheinen drei der vier Hochschulabsolventen gearbeitet zu haben, einmal übrigens in einer Diaschau, einmal als Film, beide male in absoluter Zurückhaltung der fotografischen Mittel und unter Einbeziehung des gesprochenen Worts. In anderen Kabinetten spielt das geschriebene Wort eine große Rolle. So vereint das Multimediale den Profi- und den Laiensaal noch einmal auf einer weiteren Ebene.

Anatomie des Gruppenbilds als solchen
Foto: Andrzej Steinbach | Anatomie des Gruppenbilds als solchen

Der zweite Saal zeigt ein Würzburger Projekt. Binationale Schülertandems von Jakob-Stoll- und Wolffskeel-Realschule fotografierten mit ihren Smartphones einen gemeinsam verbrachten Tag, allerdings knipsten sie sich nicht gegenseitig – aus Angst vor dem Datenschutz. Jugendliche aus Würzburgs schwedischer Partnerstadt Umeå steuerten eine Auswahl Fotos bei, die nach dem gleichen Konzept entstanden.

Da es den Künstlerinnen und Künstlern so sehr auf ihre Motive ankommt, hier eine Annäherung an das, was man in der Wüstenrot-Ausstellung sieht: 200 kosovarische Tankstellen sollen von ihrer Gründung als Geldwaschanlagen und von ihrer weiteren Zweckentfremdung erzählen (Susanne Hefti). Neubauten für Asylbewerber vor ihrem Erstbezug bekommen Besuch von engagierten Nachbarn und Pegida demonstriert in Dresden (Alina Schmuch). Drei Frauen wechseln nach einem komplizierten Muster ihre Kleidung und die Plätze vor der Kamera (Andrzej Steinbach).

Eine bewegte Vorgeschichte

Das Leben von Ausländern in Ostdeutschland hat eine bewegte und vielschichtige DDR-Vorgeschichte - dieses Thema von Malte Wandel bringt einen herausragenden visuellen Höhepunkt in den ersten Sonderausstellungssaal des Kulturspeichers. Zwei großformatige Abzüge hängen sich gegenüber. Rechts blickt ein Mann über die endlose Savanne; erst nach und nach erkennt man, dass es sich bei den weißen Pünktchen im Grünbraun um Ausläufer einer Großstadt handelt, Chimoio in Mosambik. Links versperren Plattenbauten, Ernst-Thälmann-Denkmal und ein Waldstreifchen jegliche Weite. Hier bekommt das Auge auch formal große Kontraste eingeschenkt.

Beide Ausstellungen sind noch bis zum 12. Mai im Kulturspeicher zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag 13 bis 18 Uhr, Mittwoch 11 bis 18 Uhr, Donnerstag 11 bis 19 Uhr, Freitag, Samstag, Sonntag 11 bis 18 Uhr. Montag geschlossen.

 
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