Bisweilen scheint er sich in Argumentationsketten zu verheddern. Er türmt Schussfolgerungen aufeinander, und du fragst dich: Wie will er da bloß wieder rauskommen? Doch dann schafft der Mann in Anzug und Krawatte da oben auf der Bühne der Veitshöchheimer Mainfrankensäle eine Art logischer Schleuderwende, bezieht sich auf einen Gag, den er vor zehn Minuten gemacht hat und den du fast schon wieder vergessen hast. Und plötzlich erscheint all das Gerede sinnvoll: Auch in seinem taufrischen Programm „Ausnahmezustand“ erweist sich Florian Schroeder als geschickter Baumeister von Gedankenlabyrinthen, durch die er sein Publikum führt. Und hinter jeder Biegung des Wegs scheint eine Überraschung zu lauern.
Da verstrickt er sich etwa in einem Geflecht absurder Deduktionen – jede einzelne logisch –, das ihn von der abnehmenden Zahl befruchtungsfähiger Spermien bei Männern in den westlichen Ländern zu einem Plädoyer für die Zuwanderung führt – und zu Zuwanderern als Soldaten der Zukunft.
Oder er erzählt, wie Menschen, die für eine „bunte“ Gesellschaft eintreten, Steine gegen die Fenster einer Pizzeria werfen, weil deren Besitzer Pegida-Anhängern Spaghetti verkauft – und damit eben nicht „bunt“, sondern intolerant handeln. Also im Prinzip auch nicht anders als die Pegida-Leute.
Lustig ist das nicht, soll es wohl auch nicht sein, und manchmal breitet sich betretene Stimmung im Saal aus. Doch Schroeder kriegt immer wieder, meist elegant, die Kurve von der Nachdenklichkeit zur Satire. Zudem hat der belesene 38-Jährige auch genügend Gags im Programm, die unmittelbar wirken. Etwa den Parforceritt durch die deutsche Schlagerkultur von Helene Fischer bis Christina Stürmer. Da muss Florian Schroeder gar nicht viel tun: Die untertitelten Schlagervideos auf Großleinwand sprechen für sich, das Publikum biegt sich vor Lachen. Manchmal ist die Wirklichkeit komischer als jeder Komiker.
Die „Mal gucken“-Kanzlerin
Mindestens unterschwellig ist Schroeder stets politisch. Den Schlager-Ulk entwickelt er aus Parallelen, die er zwischen der „Mal gucken“-Kanzlerin Angela Merkel und Schlagersängerin Helene Fischer sieht. Fixpunkte aktuellen Polit-Kabaretts hat er natürlich auch im Programm: den Nordkorea-Konflikt samt Trump („der Irre, der mit der Bombe droht“), AfD-Gauland (der sehe aus, als habe er Mundgeruch), oder die Grüne Katrin Göring-Eckardt („Margot Käßmann für Arme“).
Drei Stunden einschließlich Pause gibt Florian Schroeder mal den grüblerischen Philosophen, der groteske Strukturen unserer Welt aufdeckt, mal den Comedian, der schnelle Lacher abstaubt (die häufig mit den grotesken Strukturen unserer Welt zu tun haben). Sehhilfen für die Wirklichkeit wolle er anbieten, hat Schroeder dieser Redaktion im Interview gesagt.
Er will Denkanstöße geben gegen vereinfachendes Schwarz-Weiß-Denken, mit dem Populisten Wähler ködern, und Schattierungen aufzeigen. Das gelingt ihm in „Ausnahmezustand“ ziemlich oft, auch wenn sich manches noch ein wenig einschleifen muss.
Keine Frage: Der Lörracher Wahl-Berliner ist einer der Top-Kabarettisten hierzulande. Das hat sich offenbar noch nicht herumgesprochen. Im Saal hätten deutlich mehr als 200 Zuschauer Platz gefunden.