Er hat Philosophie studiert. Und wie ein guter Philosoph analysiert Florian Schroeder die Welt und formuliert scharfsinnig seine Erkenntnisse. Der Kabarettist, 1979 in Lörrach geboren, bietet eine Mischung aus (viel) Politkabarett und (etwas weniger) Comedy. Am 6. Oktober gastiert er in den Veitshöchheimer Mainfrankensälen mit seinem neuen Programm „Ausnahmezustand“, das Schroeder tagesaktuell aktualisiert.
Florian Schroeder: Ja, das ist so. Man sieht ja zunächst immer einen Ausnahmezustand – ob beim G-20-Gipfel Linksautonome auf Polizisten einschlagen und vice versa oder ob irgendwo zwei Leute nachts besoffen in einen Brunnen fallen. Der Begriff wird also zum einen inflationär gebraucht. Zum Zweiten gibt es den Ausnahmezustand, wie ihn schon der Staatsrechtler Carl Schmitt beschrieben hat: als Versuch, aus einer kommissarischen Diktatur eine dauerhafte zu machen. Das erleben wir in der Türkei bei Erdogan. Er nennt es Präsidialsystem – das kennen wir in Deutschland auch von Angela Merkel – ist aber etwas anderes.
Die Rechts- und Nationalpopulismen, die uns im Moment umgeben, sind allesamt Versuche, einen Ausnahmezustand herzustellen, der letztlich mindestens semidiktatorische Züge tragen soll.
Schroeder: Ja. Das hat sich auch beim neuen Programm nicht geändert. Ich zitiere gerne einen Satz der Biologin Donna Haraway. Als sie gefragt wurde, was ihre Arbeit ausmache, sagte sie, sie wolle Sehhilfen für die Wirklichkeit schaffen.
Schroeder: Genau. Ich möchte die Wirklichkeit von einer anderen Seite zeigen – und das lustig und unterhaltsam. Ich möchte zum Lachen und zum Nachdenken bringen und vielleicht auf die Dinge mit einem Blick gucken, den die Zuschauer vorher so noch nicht hatten, einfach weil sie nicht hauptberuflich Bücher und Zeitungen lesen wie ich.
Schroeder: Ich glaube, man kann Ansatzpunkte liefern, damit die Zuschauer vielleicht denken: „Aus dieser Perspektive habe ich das noch gar nicht betrachtet.“ Man kann Dinge gegen den Strich denken. Man kann Fakten zusammenfassen, die in den konventionellen Nachrichtensendungen nicht auftauchen. Aber ich wäre ganz vorsichtig damit, Weltveränderung durch Kabarett bewirken zu wollen. Erstens weil es eine maßlose Überschätzung des eigenen Fachs wäre. Zweitens, weil es am Fach vorbeigeht. Denn es muss am Ende immer Unterhaltung sein. Die Leute sollen in erster Linie einen schönen Abend haben. Drittens beobachte und befürchte ich, dass Kunst fast immer schlecht wird, wenn sie sich in den Dienst einer Sache stellt, deren primäres Ziel konkrete politische Veränderung ist – es sei denn, es ist explizite Aktionskunst. Man kann das bei Jean-Paul Sartre sehen: Die schlechtesten Bücher sind die, die er geschrieben hat, als er sich in den Dienst kommunistischer Parteisoldaten gestellt hat. In seinen besten Büchern will er gar nichts ändern. Da bringt er seine Zeit in Geschichten auf den Punkt.
Schroeder: Nein. Man wird dann auch sehr schnell moralisch. Zudem besteht die Gefahr, in die Nähe derer zu geraten, die man kritisiert, weil man sich ähnlich selbst überhöht und genauso glaubt, es richtig zu machen – nur von der anderen, von der vermeintlich richtigen Seite. Kabarett sollte immer ein Spiel sein mit der Nähe und der Distanz zum Publikum, irritieren, statt abzusichern, in der Ambivalenz bleiben, darum geht es und das erscheint mir fruchtbar.
Schroeder: Im Wesentlichen schon. Ich habe einen sehr weiten Begriff des Politischen. Das, was Politiker tun, ist nur ein kleiner Ausschnitt des Politischen. Man kann also sehr viel Politisches sagen, ohne über das damit assoziierte Personal zu reden. Ich erkläre zum Beispiel, warum Helene Fischer die Angela Merkel des Schlagers ist. Man kann tatsächlich viele Parallelen zwischen diesen beiden – im Moment einflussreichsten – Frauen Deutschlands sehen. Beide sind komplett kontrolliert, beide sind letztlich vollendet belanglos in dem, was sie sagen.
Dass die Schlagersängerin Helene Fischer bei ihren Konzerten zum Beispiel Daft Punk oder Van Halen covert, geht einher mit Angela Merkels Crossover-Politik, mit der sie grüne und SPD-Ideen covert – da wird einfach mal spontan die Abschaffung der Kernkraft durchgesetzt oder die Einführung des Mindestlohns. In einem Kabarettprogramm die Verschiebung und Auflösung von Positionen zu zeigen – sowohl im popkulturellen als auch im politischen Bereich –, kann ebenso eine politische Aussage sein, wie wenn ich mich über irgendeinen Gesetzesentwurf auslasse.
Schroeder: Der Kern ist ernsthaft. Dahinter steckt die Frage, warum diese beiden Frauen in unterschiedlichen Bereichen so erfolgreich sind. Ich versuche dann, das so lustig wie möglich zu machen, indem ich absurde Szenen auf Videoleinwand zeige, parodiere und interpretiere. Da wird's dann teilweise auch herrlich albern.
Schroeder: Nein. Ich habe kaum klassische Witze über ihn gemacht. Der liefert so viel Material – da kommt man kaum hinterher. So lange er so impulsiv bleibt wie bisher, sehe ich da keine Gefahr. Trump ist ein Unternehmertyp, wie man ihn aus schlechten Soaps kennt. Er versucht einfach nur, das Prinzip „Hire and Fire“ auf die Führung eines Staates zu übertragen und will, dass am Ende mehr übrig bleibt, als er reingesteckt hat. Er wird von Bildern und Emotionen gesteuert und interessiert sich nicht für Politik. Das macht ihn so gefährlich und erklärt auch, warum er im Wahlkampf gesagt hat: „America first, wir halten uns jetzt überall raus“ – aber jetzt fängt er plötzlich an, mit Kim Jong Un zu zündeln, oder wie ich im Programm sage: Jetzt haben wir den Salat. Auf der einen Seite der durchgeknallte Irre, der mit der Bombe droht und auf der anderen Seite Kim Jong Un ...
Schroeder: Ja, ein paar. Markus Lanz spricht mit mehreren Gästen über den Ausnahmezustand, unter anderem mit Joachim Löw und dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner.
Schroeder (zögernd): Jaaa . . . naja . . . auch. Ich reduziere aber die Parodien. Sie sind legitim, wenn sie inhaltlich fundiert sind, und dann ist es auch schön, wenn die Leute lachen. Aber es läuft sich auch schnell tot. Wenn die Faszination nur darin besteht, dass ich den oder jenen nachmachen kann, ist das für meine Arbeit uninteressant. Ich versuche ja, über die Figuren etwas zu transportieren. Ich setze Parodien also pointiert an den richtigen Stellen ein und dann auch mit großem Spaß. Als ich angefangen habe, habe ich fast ausschließlich parodiert. Davon habe ich mich immer weiter wegentwickelt. Das meiste kann ich in meiner eigenen Bühnenfigur besser sagen, als wenn ich in Rollen schlüpfe.
Vorverkauf für Florian Schroeder am 6. Oktober, 20 Uhr, in den Mainfrankensälen Veitshöchheim: Tel. (09 31) 37 23 98