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Würzburg
Die Königin des Kiliansdoms wird 50
Die Orgel des Würzburger Doms ist ein spektakuläres Instrument und sieht gut aus. Doch wie steht's mit ihren inneren Werten? Domorganist Stefan Schmidt gibt Einblicke.
Wie ein gotischer Flügelaltar: Der Prospekt der Würzburger Domorgel prägt sich dem Gedächtnis ein.
Foto: Dita Vollmond | Wie ein gotischer Flügelaltar: Der Prospekt der Würzburger Domorgel prägt sich dem Gedächtnis ein.
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:21 Uhr

Schön wie ein „gotischer Flügelaltar“ schwebe sie über dem Kirchenschiff schwärmte Paul Damjakob einmal. Stefan Schmidt sagt: „Die Optik gehört zu den Stärken der Domorgel.“ Der Prospekt mit den symmetrisch um die historische Uhr von 1574 angeordneten großen Pfeifen habe hohen Wiedererkennungswert. „Wer das einmal gesehen hat, erinnert sich dran.“ Die Königin der Instrumente – hier sieht sie wirklich königlich aus. Stefan Schmidt ist seit 2005 Domorganist in Würzburg. Sein Vorgänger Paul Damjakob hat das spektakuläre Instrument am 2. Februar 1969 erstmals öffentlich gespielt.

Gutes Aussehen ist das eine. Doch wie steht's um die inneren Werte des Instruments? Knapp 6700 Pfeifen und 87 Register sind schon mal ein Wort.

Schwer wie ein Einfamilienhaus

Stefan Schmidt setzt sich an den Spieltisch. Vor ihm stapeln sich fünf Manuale – um ans oberste zu kommen, muss der Organist sich strecken. Amphitheatermäßig sind links und rechts die Registerzüge angeordnet – seinerzeit eine Neuerung im Orgelbau. „Rankett 16“ und „Quinte 1 1/3“ steht auf den elfenbeinernen Knäufen oder „Terzcymbel 4-5 f“ und „Oktave 4“ – böhmische Dörfer für den Laien. Dem Organisten eröffnen sie Klang-Universen.

Doch die sind auch bei Opus 1345 des Bonner Orgelbauers Klais nicht unendlich. Selbst diese Orgel – schwer wie ein Einfamilienhaus –, die in Unterfranken die größte ist und bundesweit in der Top-Liga spielt, kann nicht alles.

Domorganist Stefan Schmidt am Spieltisch auf der West-Empore.
Foto: Dita Vollmond | Domorganist Stefan Schmidt am Spieltisch auf der West-Empore.

Von der Renaissance über Barock und Romantik bis zu Neuer Musik alles optimal spielen zu können – also eben mal fünf bis sechs Jahrhunderte Musikgeschichte zu überspannen –, das kann gar nicht gehen. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen. Die Stärken der Domorgel liegen im Barock. Bach und Buxtehude lasse sich sehr gut darstellen, erklärt der Domorganist und spielt ein paar Takte.

Dann registriert sich der 52-Jährige weitere ein bis zwei Jahrhunderte zurück und greift in die Tasten. Es schnarrt und bläst, als säße auf der Empore eine Handvoll Musiker aus dem 16. Jahrhundert mit Krummhorn, Zink und Rauschpfeife. Ja, klanglich funktioniere auch Renaissance gut, bestätigt Schmidt. Allerdings kann das Instrument nicht mit der historisch korrekten Stimmung aufwarten.

Nach 20 Jahren wurde die Orgel erstmals auseinandergenommen und generalüberholt. Auf unserem Archivbild aus dem März 1989 begutachten Orgelbauer Heinz Schwadorf (links) und Domorganist Paul Damjakob einen kleinen Teil der Pfeifen.
Foto: Silvio Galvagni | Nach 20 Jahren wurde die Orgel erstmals auseinandergenommen und generalüberholt. Auf unserem Archivbild aus dem März 1989 begutachten Orgelbauer Heinz Schwadorf (links) und Domorganist Paul Damjakob einen kleinen ...

Wie nahe die Domorgel an die Renaissance kommt, wird sich im Herbst zeigen: Dann sollen in einem Konzert neben der Orgel auch Originalinstrumente gespielt werden. Die „Königin“ im Dom kann dann zumindest einen Teil ihrer inneren Werte unter Beweis stellen.

"Es wird unterhaltsam"

Das wird sie auch im Jubiläumskonzert können, exakt 50 Jahre nach der Einweihung, also am 2. Februar 2019. Stefan Schmidt hat unter anderem Johannes Brahms' Variationen und Fuge über ein Thema von Händel auf dem Programm. Das Stück ist ursprünglich für Klavier geschrieben. Der Würzburger Domorganist spielt eine Bearbeitung von Martin Schmeding, der er eigene Facetten hinzufügen will, auch um die Orgel vorzuführen: „Sie wird auch in ihrer Schrägheit erklingen, samt Glockenspiel. Es wird sehr unterhaltsam“, verspricht Schmidt.

Sieht man sonst nicht: Blick ins Gehäuse der Orgel im Würzburger Kiliansdom.
Foto: Dita Vollmond | Sieht man sonst nicht: Blick ins Gehäuse der Orgel im Würzburger Kiliansdom.

Nicht so gut eigne sich die Domorgel für Literatur der Romantik. Doch das sei seit der großen Restaurierung 2012 besser: „Da wurden die tiefen Frequenzen hervorgehoben.“ Der grundsätzliche Charakter der Orgel sei aber erhalten geblieben.

Zum Charakter des Instruments gehört auch die mechanische Traktur des Hauptspieltisches. Die Ventile werden über Hebel und Gelenke betätigt. Die meisten Organisten mögen das, weil sie die Töne über die Art, wie sie die Taste anschlagen, beeinflussen können. Nachteil: Bei so einem Rieseninstrument sind die Wege sehr weit – die aufwendige Mechanik macht die Tasten schwergängig.

Seit der Restaurierung ist die Hauptorgel mit dem Spieltisch der kleinen Querhausorgel (23 Register) verbunden. Von hier aus werden die Ventile elektromagnetisch betätigt. Da gehen Triller leichter von der Hand. Generell charakterisiert Stefan Schmidt die klanglichen Möglichkeiten der Domorgel als „extrem bunt“. Sogar ein „Register, das es eigentlich gar nicht gibt“, finde man  .

Der Zeitgeist der Sixties?

„Bunt“ – das hat womöglich etwas mit dem Zeitgeist zu tun. So waren sie halt, die späten Sixties. Zudem: An der Disposition des Instruments arbeitete ein unkonventioneller junger Mann mit: Paul Damjakob. Gerade mal 22 war er, als er im Neumünster den Posten als Domorganist antrat. Der Dom war nach der Kriegszerstörung noch Baustelle, die Orgel Zukunftsmusik.

Er spielte vor 50 Jahren erstmals auf der Domorgel: Paul Damjakob (hier an der Orgel in seiner Wohnung)
Foto: Ralph Heringlehner | Er spielte vor 50 Jahren erstmals auf der Domorgel: Paul Damjakob (hier an der Orgel in seiner Wohnung)

Gerade weil er jung war, wagte Damjakob Dinge zu denken, vor denen die vorsichtigen Älteren zurückschreckten. Vieles, was er dachte, setzte der gebürtige Holländer auch durch: Das begann mit dem Standort. Ursprünglich war das Querhaus vorgesehen. Damjakob fand, die Orgel gehöre an die Westwand, wie das in nahezu allen Kathedralen üblich ist. „Antichambriert“ habe er, erzählt er heute lachend – erfolgreich.

Hans Gerd Klais, damals Chef der Orgelbaufirma, erinnert sich in einem Schreiben, das Damjakob aufbewahrt hat: Der junge Organist habe „infolge seines Temperaments bisherige Vorstellungen aus den Angeln“ gehoben. Seine Ideen seien auf die Orgelbauer niedergeprasselt. Klais: „Und als ich eines Morgens übernächtigt und müde von Würzburg nach Bonn zurückkehrte, lag bereits wieder ein Anruf vor, dass bessere Ideen das vor wenigen Stunden Erarbeitete überholt hätten!“

Mit 29 saß Damjakob dann am Spieltisch der nagelneuen großen Orgel am westlichen Ende des Würzburger Doms. „Eine Gnade“ sei das gewesen. Es wurde eine lebenslange Liebe draus. Der heute 79-Jährige frönt ihr noch immer und spielt hin und wieder im Dom.

Konzert zum 50. Geburtstag der Orgel im Würzburger Kiliansdom am 2. Februar, 19 Uhr. Es spielt Domorganist Stefan Schmidt. Der Eintritt ist frei.

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