
Jan Assmann blickt auf die Uhr und dann zu Evelyn Meining: „Gibt es eine Deadline?“ Die Mozartfest-Intendantin schüttelt den Kopf. Und Assmann legt los. Von der Freundschaft zwischen Wolfgang Amadeus Mozart und Emanuel Schikaneder erzählt er und davon, wie der Komponist und der Textdichter am Konzept der „Zauberflöte“ arbeiteten. Assmann kennt unglaublich viele Details aus der Wiener Theaterszene um 1790, nennt Namen und Orte – aus dem Stegreif! Denn der offizielle Vortrag des Wissenschaftlers ist da schon lange vorbei.
Der Ägyptologe und Kulturwissenschaftler, dem zusammen mit seiner Frau Aleida vor wenigen Tagen der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zugesprochen wurde, referiert beim Mozartfest, dessen Thema heuer „Aufklärung“ ist. Es geht um seine Forschungen zur „Zauberflöte“.
Von wegen simple, märchenhafte Oper! In der mit 60 Zuhörern gut besuchten Vinothek des Staatlichen Hofkellers erklärt er, warum die Lieblingsoper der Deutschen eines der rätselhaftesten Werke der Musikgeschichte ist: Jan Assmann sieht eine Vielschichtigkeit, die weit über das hinausgehe, was Mozart und Schikaneder ansonsten geleistet hätten. Musikalisch findet man Elemente der Volksoper, Barockes steht neben Anklängen an die Kirchenmusik eines Johann Sebastian Bach. Beispiele kommen aus dem Laptop. „Die Musik der ,Zauberflöte‘ ist mehr auf Kontraste angelegt als in Mozarts anderen Opern“, so Assmann, der demnächst seinen 80. Geburtstag feiert (und auch Goldene Hochzeit).
Nicht nur die Musik – auch das Libretto hat es in sich. Die Geschichte um Prinz Tamino, die Königin der Nacht und Geheimbund-Chef Sarastro sei auch Umsetzung der ägyptischen Mysterien. Von daher komme eine Aufteilung der Religion in eine Volksreligion und eine philosophische Geheimreligion. Die Zweiteilung spiegle sich im ganzen Aufbau der „Zauberflöte“ – vordergründig schon darin, dass sie zwei Akte habe.
Am Ende siegt die Vernunft
Derartige Ideen hat wohl Mozart ins Spiel gebracht. Theatermann Schikaneder wollte zunächst lediglich eine heroisch-komische Oper herausbringen, wie sie damals beliebt war. Auch daran finden sich Anklänge in der „Zauberflöte“. Doch in der Zusammenarbeit mit dem Komponisten wurde wesentlich mehr daraus. Freimaurer Mozart hörte in seiner Loge wissenschaftliche Vorträge. Die Freimaurer, so Assmann, seien in Wien so etwas wie die Speerspitze der Aufklärung gewesen. Logenbruder Wolfgang Amadeus setzte das in seiner 1791 uraufgeführten Oper um: „Die ,Zauberflöte‘ ist ein ganz klares Zeugnis der Aufklärung“, resümiert Jan Assmann: Am Ende siegt die Vernunft.
Dem Ägyptologen, der auch mal daran gedacht hatte, Musikwissenschaft zu studieren, ist immer wieder anzusehen, wie sehr er Musik – und besonders Mozarts „Zauberflöte“ liebt. Er hat auch Bücher zum Thema veröffentlicht. Seine intellektuellen Ausführungen werden emotional vom Ensemble Züngelnder Saitenwind umrahmt. Christina Bernard, Kevin Sauer und Anton Stötzer spielen Saxofon, Akkordeon und Cello. Eine ungewöhnliche Kombination. Bringt aber frischen Wind in die Musik. Ob Barockes oder Piazzolla – das kommt richtig gut.